Kapitel 63

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Mit einem unglaublich steifen Nacken und schmerzenden Gliedern wachte Morgan am nächsten Morgen auf. Verblüfft sah er sich um. Er lag auf dem harten Parkett des Hallenbodens und neben ihm auf der Erde zusammen gerollt, schlief Scarlett. Müde rieb er sich die Augen und eine Gänsehaut überkam ihn. Ihr Haar, Scarlett' s Haar. Die Wellen waren stärker geworden und verblüfft stellte er fest, dass sie ganz leichte Sommersprossen hatte. Das war ihm vorher nie aufgefallen. Vorsichtig berührte er eine Haarsträhne. Sie zog sich wie ein elektrischer Schlag durch seine Haut – es war den ihren viel zu ähnlich.

„Hey, hey Scarlett.“, murmelte er und stupste die Goldene immer wieder an. Sie drehte sich schwerfällig und dennoch sah sie dabei so zart und leicht aus. Sie schlug die Augen auf und Morgan hätte schwören können, einen leichten blauen Schimmer in ihnen erblickt zu haben. Wieso zweifelte er immer mehr daran, dass alles was er wahrnahm eine Täuschung, ein Trugschluss, eine Lüge, eine Wunschvisualisierung war? Wieso wirkte alles immer echter?

„Was ist denn?“, maulte Scarlett und setzte sich auf. Morgan verdrehte die Augen, stand wie gerädert auf und zog sie hoch. Scarlett schien noch nicht ganz bei sich und kippte beinahe um.

„Scar, Scar jetzt reiß dich mal zusammen! Wir müssen ins Haus! Ich hab keine Ahnung wie lange wir noch bis zur ersten Trainingseinheit haben, geschweige denn, wann hier überhaupt jemand rein kommt.“

Scarlett nickte immer wieder, verschränkte die Arme und gähnte lange. Morgan ließ ihr Handgelenk nicht los, jedoch holte er mit der freien Hand aus und knallte ihr eine. Sie taumelte ein Stück zurück und er kicherte leise.

„Bin ja schon wach.“, meckerte sie und rieb sich die Wange. Morgan ließ sie los und sie beeilten sich, auf ihre Zimmer zu kommen. Eigentlich hatte Morgan vorgehabt, nochmal duschen zu gehen, doch ein Blick auf die Uhr in seinem Zimmer verriet ihm, dass er für so ziemlich gar nichts noch Zeit hatte. Außer vielleicht für ein karges Frühstück. Wenn überhaupt. Und so zog er sich frische Sachen an und ging nochmal ins Bad. Langsam legte er den Kopf in den Nacken und es knackte einmal ekelhaft laut auf. Erschrocken kniff er die Augen zusammen, doch der Schmerz war von da an zumindest in seinem Nacken vergessen. Das mit seinen Gliedern würde schon noch vergehen. Schnell putzte er sich die Zähne. Um richtig aufzuwachen, spritzte er sich kühles Wasser ins Gesicht und beschloss, gleich komplett mit dem Kopf im Waschbecken unter zu tauchen. Prustend drang er wieder an die Oberfläche und trocknete sich ab. Er dachte daran, gleich wieder Scarlett zu begegnen und mit ihr eine Trainingseinheit zu leiten. Gemeinsam.

„Ist mir egal was du sagst, du bist nicht mein Vater.“

„Ich bin dein Freund.“

„Ja und?“

„Ich bin sozusagen dein Vater.“

„Das hättest du nicht sagen dürfen.“

„Wieso nicht?“

„Weil ich mir das nicht vorstellen möchte.“

„Ich mach mir doch nur Sorgen.“

„Ich bin siebzehn Jahre alt, Adam. Du brauchst keine Vaterrolle übernehmen.“

„Sechzehn.“

Sie rammte ihm den Ellenbogen in die Rippen und lief weiter. Adam' s Haltung drückte seine mehr oder weniger große Begeisterung Hailey' s Vorhaben gegenüber aus. Ganz toll, dachte sie. Sie hatte sich schon gedacht, dass er nicht begeistert sein würde, weil sie gleich heute wieder zum Training wollte, aber dass er so ablehnend reagieren würde, hätte sie nicht erwartet.

„Jetzt mach mal ein bisschen hin.“, forderte sie, denn Adam' s Tempo war nicht gerade berauschend. Liverpool, Coach hätte ihn zu einhundert Extrarunden verdonnert. Tendenz steigend.

„Man Hailey.“, murrte er.

„Was?“

„Wenn du hinfliegst und heulst, tröste ich dich nicht.“

„Jaja. Würdest du eh nicht durchhalten.“

Adam lachte. Er hatte sich in eine stille, fast schüchterne Hailey Rose verliebt, aber mittlerweile schien sie richtig selbstbewusst und sogar frech zu werden. Das gefiel ihm. Sie würde diese Stärke noch brauchen, das wusste er. Und insgeheim wussten sie das doch alle.

„Gut so Hailey, jetzt mach mal was Cooles. Irgendwas, das weh tut!“, spornte Morgan sie an. Sie saß rittlings und mit einem Rouladenspieß bewaffnet auf Adam' s Rücken. Der lag flach auf der Erde und keuchte laut auf. Er hatte Hailey eindeutig unterschätzt. Hailey atmete tief ein und aus. Ihr Herz hämmerte wild gegen die Rippen und sie unterdrückte einen leichten Schmerz am Brustkorb. Verärgert über ihre eigene Schwäche ließ sie das Messer sinken und legte es nieder. Diesen Moment nutzte Adam aus, ergriff ihre Oberschenkel und drehte sie unter sich. Morgan war schon wieder beim nächsten Pärchen und sie fühlten sich für diese Sekunde unbeobachtet. Jetzt war Hailey bewegungsunfähig und Adam grinste spöttisch.

„Na Julia, sieht nicht so gut für dich aus, oder?“

„Quatsch nicht Romeo.“, ertönte in Adam' s Rücken eine Stimme. Sie waren also doch nicht allein gewesen.

„Mach schon, Air. Oder bist du dafür nicht hart genug? Im Krieg kannst du auf nichts und niemanden Acht geben, außer auf dich dich selbst.“, belehrte Scarlett ihn weiter. Er stöhnte leise auf und Hailey schob ihn von sich runter.

„Schwach Leistung, Air.“, feixte sie Scarlett imitierend. Sie erhielt einen leichten Schlag auf den Hinterkopf und Adam bemühte sich nicht ein Lachen zu verkneifen.

„Erhöht das Denkvermögen.“, erklärte Scarlett trocken. „Dürfte euch beiden nicht schaden.“

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt