Langsam öffnete die Schöne ihre bernsteinfarbenen Augen. Zunächst war ihr Blickfeld von weißen Pünktchen zersetzt. Nur schwerfällig verschwand diese Sichtsperre und sie konnte sich umsehen. Doch das Weiß verschwand nicht. Es materialisierte sich in ein weißes Bett in dem sie lag, große Schränke und einen Nachttisch. Sie musste sich in einem Krankenhaus befinden, eindeutig. Verwirrt durchforstete sie ihr Gehirn nach Informationen. Wenigstens ihren Namen musste sie doch kennen. Doch außer einem üblen Kopfschmerz gab ihr Gehirn nichts her. Vorsichtig hob sie ihre rechte Hand. Seltsam, ein Kribbeln durchfuhr ihren Körper, als wäre es die erste Bewegung seit langem gewesen. Erst jetzt sah sie die dünne Nadel, die in ihrem Handgelenk steckte und zu einem klaren Plastikbeutel führte. Eindeutig, sie musste sich in einem Krankenhaus befinden. Plötzlich durchfuhr sie ein Drang sich durch die Haare zu fahren und sie wusste nicht weshalb, aber sie wusste ohne sich im Spiegelbild zu sehen, dass sie keine kurzen Haare haben konnte. Bestätigend legte sich eine lange braune Strähne zwischen ihre zarten Finger. Verblüfft bemerkte sie an ihren Handgelenken rote Striemen, die schon einen satten Lilaton begonnen anzunehmen. Was zur Hölle war mit ihr geschehen? Sie suchte in dem Raum nach Informationen, denn sie hatte das Gefühl nicht aufstehen zu dürfen. Eine seltsame Wut bahnte sich in ihr an. Warum? Als sie plötzlich ein leises Klicken vernahm projizierte sie ihren Blick auf die Tür links von ihr aus. Eine Frau und ein Mann im weißen Kittel und mit einem komischen Lächeln traten ein. Sie wusste nicht warum, aber sie waren ihr sofort unsympathisch und falsch. Warum war sie so von Vorurteilen geprägt? Sie kannte diese Menschen doch gar nicht. Höchstwahrscheinlich wollten sie ihr nur helfen und sie aufklären. „Schön, dass Sie wach sind!“, lächelte die Frau und die Schöne unterdrückte den Drang sie zu hassen. „Wo bin ich?“, platzte es aus ihr heraus und sie erschrak über ihre klangvolle Stimme. Sie musste eine Person mit massenhaft Selbstbewusstsein sein. „Sie sind auf der Krankenstation des Resistentia-Ordens.“ Der Klang dieser Vereinigung kam ihr merkwürdig bekannt vor. „Sie hatten einen schweren Unfall, keine Angst – wir werden Ihnen helfen sich zu erinnern.“ Woher wussten diese Leute, dass sie keinerlei Rückblick auf ihr Leben hatte? „Es wird gleich jemand kommen, der Ihnen alles erklären wird.“ Die junge Frau nickte vorsichtig. Die beiden Ärzte begannen sie zu untersuchen und schwafelten dabei unentwegt. „Sie haben wirklich unglaubliche Fortschritte gemacht.“, lächelte die Frau. „Wer sind Sie denn überhaupt?“, fragte die Brünette. Ihre Finger zitterten, doch es war viel mehr dieser seltsam vertraute Zorn der die Ursache dafür war. „Es ist erstaunlich wie gut Sie schon sprechen können.“ Wieso verdammt, antwortete keiner auf ihre Fragen? Leise klopfte es an die Tür. „Ah, Amelia!“, flötete der Mann und eine schlanke frau mit dunklen Locken trat ein. Sie lächelte sanft und das erste Mal spürte die Schöne so etwas, wie einen Anflug von Ehrlichkeit. „Wir lassen Sie jetzt alleine!“, scharwenzelte die Ärztin und die zwei verließen sie. „Hallo.“, lächelte Amelia sanft und reichte der Brünetten ihre Hand. „Mein Name ist Amelia und ich werde dir jetzt versuchen, deine Fragen zu beantworten.“ Die Schöne nickte und dann sprudelte es nur so aus ihr heraus. „Wie ist mein Name?“ Amelia blinzelte. Es verblüffte sie, dass dieses junge Mädchen nicht einmal mehr ihren Namen kannte. Sie wusste ja, dass sie einen schweren Autounfall mit Schäden am Gehirn erfahren musste, aber das hatte sie nicht erwartet. Trotzdem blieb sie ruhig. „Scarlett. Dein Name ist Scarlett Silverstone.“ Scarlett durchkramte sich selbst nach diesem Gedanken, doch er kam ihr so unbekannt vor. „Was ist mit mir passiert?“, platzte es aus ihr heraus und aus ihren gelben Augen sprach Verzweiflung. „Du hattest einen Unfall. Wir…wir haben dich nachdem du eine Zeit lang im Krankenhaus lagst hierher gebracht.“ „Warum? Was ist das hier für eine Anstalt?“ Scarlett fürchtete in einer Art Irrenhaus gelandet zu sein. „Wir bilden Krieger aus für einen großen Kampf. Wir kämpfen für den König.“ Seltsamerweise konnte Scarlett sich entsinnen, was mit dem König geschehen war. „Und ich soll sowas wie ein Soldat werden?“, fragte sie. „Du bist es schon. Vor deinem Unfall warst du sehr engagiert im Kampfsport und hast deine Ausbildung in verschiedenen Techniken beinahe vollständig absolviert, bis…“ Sie stockte. „Bis was?“, flüsterte Scarlett. „Bis du von einem LKW angefahren worden bist.“ Scarlett schluckte. „Wie alt bin ich.“ Amelia brauchte nicht auf ihre Unterlagen zu schauen. „Siebzehn.“ Die Schöne schüttelte mit dem Kopf, doch irgendetwas Starrköpfiges in ihr verbot ihr zu weinen. Als wäre es wider ihre Natur. „Und jetzt?“, fragte sie noch einmal. „Du bist weitaus fortgeschrittener als jeder unserer Schüler. Wir werden dich in den Trainerzirkel einordnen. Du wirst in etwa Gleichaltrige oder Jüngere ausbilden.“ Scarlett nickte schwach. „Wenn du irgendwie Hilfe brauchst, kannst du immer zu mir kommen.“, versicherte Amelia trostspendend. „Und wo werde ich wohnen? Woher komme ich?“, fragte sie abschließend. „Du kommst ursprünglich aus Wales.“ Wales? Scarlett konnte sich an kein einziges Wort im berühmten Welsh erinnern. „Du hast ein eigenes Zimmer auf dem Trainertrakt. Ich zeige es dir gleich.“, kündigte Amelia an. „Jetzt?“ Amelia bejahte das und dann half sie Scarlett aufzustehen und sich in einen seltsamen blauen Trainingsanzug zu werfen. Ihre eine Seite brannte ein wenig und auch ihr Gesicht schmerzte. „Bereit?“, fragte Amelia und Scarlett nickte. Langsam verließen sie das Krankenzimmer und Amelia führte sie auf einen langen Flur hinaus. Wenn das hier eine Art Internat war, warum waren dann keine Schüler auf den Gängen. „Es gibt gerade Mittagessen. Wenn du möchtest, können wir später zusammen hingehen, wenn ich dir dein Zimmer gezeigt habe.“ Scarlett nickte und sah sich um. Ihr Körper führte sie wie selbstverständlich durch die breiten Flure und es schien, als würde sie das alles hier irgendwoher kennen. „Bist du auch eine Trainerin?“, fragte Scarlett. „Nein, ich bin die Vertrauensperson für Schüler und Ausbilder.“ Als sie an einer Tür angelangten legte Scarlett wie selbstverständlich ihre Hand auf einen Scanner an der Wand. „Du verstehst schnell!“, lachte Amelia, doch Scarlett war nicht nach Lachen zumute. Das Ganze kam ihr seltsam subtil vor, doch ob sie wollte oder nicht, sie musste das glauben, was man ihr sagte. Schließlich konnte sie sich selbst keine andere Erklärung geben. Und irgendwie war es ja auch logisch. Wenn sie wirklich einen so schweren Unfall hatte, wäre es eher unnatürlich sich an alles erinnern zu können, als eben nicht. „Das hier ist deins!“, meinte Amelia und öffnete eine Tür. Aus den Augenwinkeln konnte Amelia noch eine benachbarte Tür aufgehen sehen und einen muskulösen, farbigen Mann heraus kommen gehen. Er trug kein Blau, schien aber dennoch Trainer zu sein. Seltsam. „Hey Morgan!“, begrüßte Amelia ihn und er winkte zurück. Warum fühlte Scarlett sich dazu hingezogen ihn ebenfalls zu grüßen. Ihn anzusehen. Ihm nahe zu sein. Sie kannte ihn doch gar nicht. Vor ihr offenbarte sich ein mittelgroßes Zimmer mit einem Bett, einem Schrank, Schreibtisch und Stuhl. „Dort ist dein Bad.“ Amelia wies auf eine Tür neben dem Schrank. „Wie sieht‘ s aus. Hast du Hunger?“ Scarlett antwortete nicht sofort. Sie sah sich um. Der Raum kam ihr bekannt vor. Nur in einer anderen Konstellation. In ihrem Kopf schwirrte ein Raum in dem die Stellung von Schreibtisch und Bett vertauscht war. Warum? Diese Frage hatte sie sich für heute eindeutig zu oft gestellt und somit beschloss sie die bissigen Stimme in ihrem Kopf, das weiter auszukundschaften, zu ignorieren. „Kann ich mich erst mal frisch machen?“ Sie sah Amelia nicht an. „Natürlich. Handtücher und Kosmetika liegen schon im Bad. Scarlett hatte das Bedürfnis nun unfreundlich sein zu müssen und verschwand in dem befliesten kleinen Waschraum. Ein ganz normales Bad. Über dem Waschbecken hing ein Spiegel und zu dem zog Scarlett es jetzt. Eine merkwürdige Befremdlichkeit breitete sich aus, als sie das Mädchen mit den langen braunen Haaren und bernsteinfarbenen Augen sah. Sie sah so normal aus, wenn man mal von ihren Irden absah. Doch sonst schien sie tatsächlich ein vollkommen gewöhnliches Mädchen zu sein. Wie falsch sie damit lag konnte sie leider nicht wissen, schließlich hörte sie nicht mehr auf die Stimme in ihrem Kopf, die sie anschrie endlich aufzuwachen.

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Die Soldatin
FantasyMisstrauisch blickte Mar aus dem Fenster. Ihr Atem schlug an das kalte Glas. Ruckartig zog sie die Vorhänge zu. „Okay, pass auf. Ich erzähle es dir einmal und dann nie wieder, verstanden?“ Hailey nickte. „Wir wurden her gebracht um zu kämpfen.“ Verw...