Kapitel 16

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Adam hielt Hailey‘ s Hand, als sie durch das leichte Schneetreiben zur Halle schlenderten. Sie hatten noch eine Stunde bis zum Mittagessen und weil sie keine Lust gehabt hatten, waren sie doch noch zum Kampftraining aufgebrochen. Lauren wollte gleich nachkommen, wenn er sich umgezogen hatte. Kurz vor der Tür hielt Hailey inne und starrte auf ihre verschlungenen Hände. Adam folgte ihrem Blick. „Was ist los?“ Sie lächelte sachte. „Willst du das?“ Sie flüsterte nur. Angst hatte sie vor einer Abfuhr. Vor Verlust. Sie hatte es bis heute geschafft den ihrer Eltern erfolgreich zu verdrängen, obwohl sie noch nicht mal wusste, ob diese überhaupt noch am Leben waren. Wenn Adam sie jetzt auch noch verleugnen würde, könnte sie dem Druck nicht mehr stand halten. Doch Adam grinste nur und zog sie zu sich ran. Seine Arme schlangen sich um ihre Taille und mit einem Lächeln entführte er sie in einen tiefen Kuss. Für einige Sekunden schien der Schnee zu verschwinden, zu schmelzen, abzugleiten. Denn es war nicht länger die leichte Flocke, die sich zwischen ihre Lippen geschummelte hatte und Aufmerksamkeit suchte. Es waren ihrer beider Herzen, deren Rhythmen sich schlagartig und dennoch sanft synchronisierten. Dieser Einklang wurde jedoch unterbrochen, als die Tür aufflog und den beiden gegen die Köpfe knallte. Hailey rieb sich erschrocken die Stirn. „Was zum…“, fing Adam an, doch der Anblick der sich ihm bot, verschlug ihm die Sprache. Morgan war aus der Halle gekommen, auf dem Arm eine bewusstlose Mar, deren Lider leicht flatterten. Erst sah er nicht, weshalb sie weggetreten war, doch dann tropfte Blut ihren Hinterkopf herab und in den Schnee. Hailey fühlte sich zurück versetzt in ihre Kindheit. Schneewittchen. Bitterschwarze Haare. Doch in Morgan‘ s Armen lag nicht die zarte Prinzessin, sondern die kraftlose Mar, ihre Mar. „Was ist passiert?“, entfuhr es ihr. Eine Krankenschwester kam zu ihnen. „Sie ist gestürzt!“, sagte sie knapp und ihre Lippen wurden zu einem schmalen Strich aus rotem Fleisch. „Sie lügen!“, fauchte Hailey. „Das ist nicht wahr!“ Wütend stolperte sie durch den stärker werdenden Schnee zu der Löwin und hob ihren Kopf leicht an. „Fass sie nicht an!“, quiekte die Schwester und sie verwandelte sich dabei in ein grunzendes Meerschweinchen. Oder in eine Muttersau, die auf ihre „Schützlinge“ acht gab. Hailey sah, wie ihr weißer Rock begann sich zu füllen und die Nähte aufplatzten. Schwabbeliges Fett quoll aus allen Ecken und Enden und der Sau fielen die Haare aus, bis ein hässlicher Schweinekopf gebildet hatte und sie auf alle Viere sank. Das dicke Tier stupste Mar‘ s Kopf immer wieder an. „Nimm deine Dreckspfoten von ihr, du Mistvieh!“, schrie Hailey und wollte die Schmutzige beiseite schubsen, doch plötzlich spürte sie, wie zwei kräftige Arme sie von hinten umschlungen und an eine starke Brust zogen. „Hailey, Hailey beruhig dich!“ Doch sie wollte nicht auf Adam hören. „Lass mich los! Bitte, sie dürfen sie nicht kriegen!“ Die Erinnerungen an ihr zerfleischtes Bein und die unglaublichen Qualen kamen wieder hoch und Hailey knickte nach vorne. Morgan, die Sau und Mar waren bereits in der weißen Wand der Schneedecke verschwunden. Hailey musste würgen. „Sie dürfen sie nicht kriegen!“, wisperte sie immer und immer wieder unter Tränen und Adam drehte sie im Bruchteil eines Momentes um. Warm schloss er sie in die Arme. „Das sind die Tabletten. Nur die scheiß Pillen!“, murmelte er. „Ich nehme doch gar keine mehr!“, schluchzte sie und verlor sich in seiner Stärke.

Hailey lag in Adam‘ s Armen. Er hatte sie nicht losgelassen. Nicht eine Sekunde. Zu Mar durften sie nicht und zum Training fühlten sie sich beide nicht in der Lage. Lauren war beim Mittagessen und hatte versprochen den beiden etwas mitzubringen. Heimlich natürlich. Die Tränen liefen immer weiter und bissen sich in Adam‘ s Shirt fest. Er strich ihr beruhigend über den Rücken. Vorsichtig ging die Tür auf und Lauren kam rückwärts mit zwei Tellern herein. Die Schüsseln mit Suppe dampften und in seinen Taschen des Sweaters versteckte sich dunkles Brot. Vollkorn anscheinend. Hailey sah nicht auf, doch Adam lächelte er ihr ermutigend zu und somit setzte sie sich auf und begann zu essen. Adam schien sich etwas zu entspannen und aß auch. Lauren widmete sich schweigend seiner Zeitschrift. Eine Weile war es einfach nur still, bis auf einmal jemand wild gegen die Tür hämmerte. Ohne auf eine Antwort zu warten wurde die Tür aufgestoßen. Eine große schlanke, aber ausgezehrt wirkende Frau mit strengem Knoten im Nacken und Trainingsdress stolzierte herein, gefolgt von Amelia. Ihre Schuhe quietschten auf dem Boden und ihre Augenbrauen schienen von Natur aus zu hoch geraten und verzerrt. Nicht nur ihr Gesicht vermittelte Strenge und Disziplin, auch ihre Haltung strahlte Herrschsucht aus. „Air, Adam. Rose, Hailey!“ Sie schrie schon halb und Speichel rieselte aus ihrem weit aufgerissenen Mund. Hailey hatte Mühe nicht aufzuspringen und zu salutieren. Adam hielt sie fest. „Ja?“ Amelia schlug eine Hand an die Stirn und schüttelte entnervt den Kopf. „Bin ich im Recht mit der Annahme, dass Sie heute Vormittag nicht zum Training der motorischen und kampftechnischen Fertigkeiten erschienen sind?“ Lauren ließ die Zeitung sinken und musste sich ein Lachen verkneifen. „Ähm ja.“, gab Hailey zu. Diese Furie schüchterte sie ein. „Ich bin Coach Liverpool und auf unbestimmte Zeit Coach Morgan‘ s Vertretung.“ Sie blickte nicht in die Augen der Freunde. Ihre Augen ergriffen einen Punkt an der Wand. Aufgerichtet und gerade. „Herzlich willkommen!“, stutzte Hailey. „Bin ich im Recht mit der Annahme, dass das, meine Damen und Herren, ein Versehen war und sie heute Nachmittag erscheinen werden um ihren Rückstand nachzuholen?“ Sie nickten einstimmig. „Korrekt, meine Damen und Herren, korrekt. Ich bin immer im Recht.“ Amelia war nun auch kurz davor los zu prusten. „Dann wünsche ich ihnen weiterhin einen angenehmen Tag und erwarte sie bis auf weiteres pünktlich um dreizehn Uhr dreißig.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und quietschte wieder. Wie ein Delfin auf Lachgas, dachte Hailey. „Amelia folgte ihr und sie konnten diese seltsame Frau auf dem Flur noch schreien hören. „Begeben wir uns nun zu Rodriguez, Ava und Cadence, Chloe.“ Und als die Tür schließlich zu flog konnten sie sich nicht mehr halten und fingen lauthals an zu lachen.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt