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Taehyung

Früher als sonst - oder besser gesagt, als es für mich üblich wäre - stand ich dann am Tor unserer Schule und hielt leicht nervös Ausschau nach Jungkook. Aber da ich nicht genau wusste, wann er zur Schule kam, wollte ich lieber rechtzeitig da sein, um ihn nicht zu verpassen.

Doch nach wenigen Minuten erblickte ich schon seinen schwarzen Haarschopf, der wie immer gen Boden gerichtet war und nachdem ich mich noch einmal kurz umgesehen hatte, ergriff ich ihn an seinem Arm und zog ihn hinter mir her. Er sah nicht auf, aber das leise Wimmern, das er mir entgegen schickte, bedeutete wohl, dass er dachte, ich wäre einer von diesen Schlägern.

Verächtlich schnaubte ich über diese Tatsache einmal auf, bevor ich ihn in eine Ecke zog, die von Bäumen umringt war und wo eher selten andere Schüler hinkamen.
Vermutlich etwas zu ruppig drückte ich ihn gegen einen Stamm, worunter er erneut aufwimmerte, ehe seine Augen in mein Gesicht sahen. »T-Tae?«

»Jungkook«, begann ich leise und doch nicht weniger bedrohlich, weil ich ihm endlich den Ernst der Lage klarmachen wollte. »Was zur Hölle machst du eigentlich? Hör damit auf!«

Meine Worte schienen ihn zu verärgern und von null auf hundert wütend werden, weshalb er erwidernd sauer zischte: »Das geht dich nichts an! Lass mich los!«

Er versuchte sich aus meinem Griff herauszuwinden, was ich aber nicht zuließ und nur noch stärker zupackte. Doch direkt danach stiegen ihm die Tränen in die Augen und auch wenn sie noch vor Wut funkelten, musste er wohl Schmerzen haben.
Und erst da fiel mir dann auch auf, wie wenig ich da eigentlich umgriff, er war zwar früher schon dünn und schmächtig gewesen, doch sein aktueller Zustand übertraf alles.

»W-Warum?«, hauchte ich nur fassungslos, nachdem ich ihn losgelassen und er seine Jacke gerichtet hatte. »Lass mich einfach in Ruhe, Taehyung«, meinte er noch und wollte wieder gehen, doch ich ergriff nun deutlich lockerer als zuvor sein Handgelenk, aber er drehte sich nicht um.

»Was ist mit dir passiert? Was sagt dein Bruder dazu? Warum unternimmt er nichts?«

Ich wusste nicht viel über seinen Bruder, eigentlich nichts, denn er sprach nie darüber. Ich wusste lediglich, dass er existierte, aber meine Worte schienen beinahe alles noch mehr zu verschlimmern. Er wandte sich tatsächlich um, doch nur, um mich einmal nach hinten zu schubsen. »Das geht dich einen Scheißdreck an! Lass mich einfach in Ruhe!«

Und nun ging er wirklich und ließ mich völlig perplex in dem Schatten der Bäume zurück. Was war nur in diesem verdammten Jahr geschehen, als ich weg war?

𝐂𝐚𝐦𝐛𝐨𝐲│ᴛᴀᴇɢɢᴜᴋ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt