-Kapitel 2-

516 33 1
                                    

Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir und ich erstarrte in meiner Bewegung. Ich konnte aus dem Augenwinkel erkennen, dass Abrin dicht neben mir stand, mit dem Smartphone in der Hand.
„Hey Cassia", flüsterte er mir entgegen. Seine tiefe Stimme verpasste mir eine Gänsehaut, jedoch nicht weil ich sie so wunderschön fand, sondern weil ich wahnsinnige Angst vor ihm hatte. „Wie schön dich hier anzutreffen, ich dachte schon du würdest gar nicht mehr kommen", fuhr er in demselben Flüsterton fort. Wenn mein Körper noch mehr Spannung aufbauen könnte, würde ich nun komplett erstarren.
Nervös schielte ich zu ihm hinüber, denn er schien mir sein Handy vor die Nase zu halten. -Anscheinend wollte er mir etwas zeigen?-
Vorsichtig drehte ich meinen Kopf nun vollständig zu ihm, um erkennen zu können, was er mir zeigen wollte.
„Es wäre doch wirklich schade gewesen, wenn ich dir das nicht persönlich zeigen könnte, oder?", fragte er zuckersüß. Ich riss vor Schreck meine Augen auf, als ich erkannte, welches Bild sich mir zeigte.
Erinnert ihr euch noch an Abrins Aktion auf der Mädchentoilette? Tja, er zeigte mir eben eines der Bilder, die er damals von mir schoss. Das an sich wäre vermutlich schon peinlich genug, doch ich sah, dass er das Bild auf Facebook hochladen wollte. Er musste nur noch auf den Button -Uploaden-  drücken und das Bild würde im Netz erscheinen.

Angsterfüllt biss ich auf meine Unterlippe und zog meine Augenbrauen zusammen.
„Bitte nicht Abrin..", flehte ich ihn an, denn zu mehr war ich nicht fähig. Die Angst lähmte einfach alles in mir. Wenn er das wirklich tun würde, wäre mein Leben zu Ende. Auf dem Foto konnte man deutlich mein Gesicht erkennen und auch, naja einiges anderes. Genauer gesagt, wie meine Hose samt Unterhose nur zur Hälfte hochgezogen waren. Es war etwas verschwommen, doch man konnte dennoch einfach -Alles- erkennen!
Mir zog sich schmerzhaft der Magen zusammen. Ich wusste dieser Tag würde kommen, ich wusste er würde irgendwann einmal zu weit gehen. Dieses Bild würde ich nie wieder aus dem Netz bekommen, egal wie sehr ich es versuchen würde. Selbst die Polizei wäre machtlos, denn – was einmal im Netz landete blieb auch da.

„Wenn du mich noch etwas weiter anbettelst werde ich es mir vielleicht noch einmal überlegen..", grinste Abrin und steckte das Handy wieder weg. Mein Herz pochte und mein Blut gefror in meinen Adern, denn ich wusste, dass ich ihn nicht umstimmen könnte egal was ich tun würde.
„Bitte tu es nicht, reicht es dir denn nicht, dass dus bereits der ganzen Schule gezeigt hast?", hauchte ich mit zitternder Stimme und schaute ihm mit verschwommenem Blick entgegen.
„Ja das stimmt schon aber, wie du bereits sagtest, die ganze Schule hat es schon gesehen. Wie könnte ich es dann der gesamten Welt vorenthalten, hmm? Das wäre doch nicht fair, oder?"
Er sprach mit mir, wie mit einem kleinen Kind, dem man erklären musste wieso der Himmel blau war. Ich fühlte mich erniedrigt. Es war eine Sache mich täglich in der Schule bloß zu stellen, doch es war verdammt nochmal etwas anderes mich vor der gesamten Welt bloß zu stellen!
„Weißt du, wenn du mir etwas anbieten könntest...naja etwas anderes, gleichwertiges.. werde ich das Bild löschen", flüsterte er, sodass seine Jungs es nicht hören konnten.
-Etwas gleichwertiges?- schwirrte mir die Frage im Kopf herum.
-Was zum Teufel könnte Abrin denn von mir wollen?- oder die weitaus treffendere Frage war, -Was hatte ich ihm anzubieten?-

Fieberhaft dachte ich darüber nach, als ich Abrin mit den Augen rollen sah.
„Cassia du bist wirklich dämlich, weißt du das?", seufzte er und schüttelte resigniert den Kopf. Ich verstand sein Problem nun wirklich nicht.
-Durfte ich denn nicht darüber nachdenken, was ich anzubieten hatte?-
„Hör zu, was hälst du davon wenn wir beide uns nach der Schule am Hinterausgang treffen würden?", raunte er mir zu, während er sich an dem Spint neben mir anlehnte. Völlig entgeistert starrte ich ihn an.
-Hatte ich mich eben nur verhört?-
Ihm schien meine Verwunderung nicht zu entgehen, denn er fing an zu schmunzeln.
„Also was sagst du?", zwinkerte er mir zu. Bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, nickte ich auch schon langsam mit dem Kopf. Vermutlich ein Instinkt, denn es ging schließlich um ein schrecklich peinliches Bild von mir, das eventuell bald im Netz erscheinen würde.
„Alles klar, dann bis später..", flüsterte er erneut und stieß sich mit einem Ruck vom Spint ab.
Ich stand noch immer, wie angewurzelt an Ort und Stelle, während Abrin und seine Jungs sich bereits auf den Weg davon machten. Perplex starrte ich ins Innere meines Spints.
War das eben wirklich passiert?-
Erst drohte er mir und dann wollte er mich nach der Schule allein treffen.
Auf dem Weg ins Klassenzimmer rätselte ich herum, ob das ernst gemeint war. Doch er hatte die ganze Zeit über geflüstert. War darauf bedacht, dass unser Gespräch von keinem mitbekommen wurde, also musste er das doch ernst meinen, oder?

In Gedanken versunken schlenderte ich an meinen Platz am Fenster und setzte mich hin. Langsam kramte ich auch den Rest meiner Sachen aus dem Rucksack und schlug schon einmal meinen Ordner auf. Kurz darauf kam Mrs. Henderson auch schon hineinspaziert und knallte ihre Bücher auf das Pult. Ohje, die war wohl gut gelaunt - welch Ironie.

Den restlichen Schultag verbrachte ich, wie in Trance. Mir ging Abrin einfach nicht aus dem Kopf. Seine Forderung war einfach lächerlich.
-Sollte ich einfach nicht auftauchen?-
Nein, dann würde er das Bild erst recht hochladen. Mir blieb eigentlich nichts anderes übrig, oder?
Und so ging ich schließlich mit einem mulmigen Gefühl aus der letzten Stunde des Tages. Ich ließ mir ausnahmsweise extra viel Zeit beim Einpacken meiner Sachen und auch am Spint verbrachte ich mehr Zeit als sonst. Länger konnte ich das Alles nicht mehr hinauszögern. Früher oder später musste ich mich dem stellen, was vor mir lag.

-Na dann mal los- dachte ich als ich mit zittrigen Fingern die schwere Eingangstür der Schule aufstieß.

-Cassia-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt