-Cassia-

-Kapitel 51-

       

„Es gab vor dir schon einmal einen anderen Archer.."Seufzte er und fasste sich an den Kopf. Ich sah, das er mit sich kämpfte, denn eigentlich durfte er mir das nicht erzählen. -Wieso tat er es dann?- fragte ich mich unwillkürlich. „Er ist mit uns aufgewachsen und war ein guter Archer. Er hieß Lenny und war Ares' bester Freund.." fuhr er langsam fort. Dabei sah er mich nicht an, sondern fixierte einen Punkt auf dem Boden. „Bei einem Auftrag vor drei Monaten sollten wir einen Drogendeal durchziehen, da die Chefs meinten wir wären soweit den nächsten Schritt zu gehen." Ich runzelte die Stirn -Ein Drogendeal?-

„Am Anfang lief alles gut und nach Lennys Plan, doch schon bald kippte die Situation und einer der Typen zog eine Waffe..Wir waren zwar alle trainiert und wussten, wie wir mit Waffen umzugehen hatten, doch es war noch einmal etwas anderes vor jemandem zu stehen, der sie wirklich abfeuern würde.." fuhr er leise fort und mir stockte der Atem. „Ren und ich sind für solche Situationen zuständig, da wir als Assassin und Saber besonders im Nahkampf und im Umgang mit Waffen trainiert wurden. Doch leider packten sie sich Lenny und forderten uns auf, das Zeug auszuhändigen und dann zu verschwinden. Unsere Chefs hätten uns kalt gemacht wären wir darauf eingegangen also blieben wir ruhig und versuchten sie zur Vernunft zu bringen. Sie wollten den Stoff, also sollten sie auch dafür bezahlen" erzählte er weiter. Ich ahnte böses..Mir lief es kalt den Rücken hinunter, je länger ich Soma zuhörte und so langsam verstand ich wieso Tory nicht wollte, das ich davon wusste.

„Sie rasteten vollkommen aus und hielten Lenny die Waffe an die Schläfe und meinten, sie würden abdrücken wenn wir nicht sofort verschwinden würden. Wir waren entsetzt, doch wir konnten das einfach nicht tun. Tory versuchte sie erneut in ein Gespräch zu verwickeln, damit Lenny sich befreien konnte, doch die Nummer ging nach hinten los..Als er sich losriss und auf uns zu rannte hörten wir alle nur noch einen Schuss und sahen wie Lenny seine Augen aufriss. Danach verlief alles, wie in Zeitlupe..Er fasste sich mit der Hand auf den Bauch und Blut strömte seinen Arm entlang. Er sackte zusammen und blieb regungslos auf dem Boden liegen. Wir alle waren so geschockt, das niemand sich bewegen konnte. Die Typen griffen sich den Stoff und hauten ab während wir noch immer da standen und auf Lenny starrten." Sein Blick war ausdruckslos und er sah in die Ferne hinter mir. Ich konnte verbitterung in seiner Stimme hören und erkannte, wie sehr ihn das mitnahm. Es fiel ihm sichtlich schwer darüber zu sprechen, was mir Schuldgefühle bereitete.

„Tory war die Erste, die wieder zu Besinnung kam und unsere Chefs alarmierte. Nach und nach kamen wir alle wieder in die Realität zurück und halfen Tory dabei die Blutung zu stoppen. Zehn Minuten später hielt Clydes Wagen am Straßenrand und mehrere Männer rannten zu uns. Sie halfen uns ihn in den Wagen zu bringen und fuhren dann sofort zur Basis der UT's. Dort wartete bereits ein Arzt auf uns, der selbst Mitglied bei den UT's ist. Er nahm Lenny mit sich und so warteten wir stundenlang auf eine Nachricht. Ares traf es am härtesten, denn Lenny war sein bester Freund..sie kannten sich sogar schon vor dem Kindergarten und machten einfach alles zusammen." Ich verstand nun auch wieso Ares so schrecklich abweisend zu mir war. Ich könnte niemals seinen besten Freund ersetzten und das war es, was ihn so wütend werden ließ.  Mir zog sich der Magen zusammen bei dem Gedanken daran, wie er sich wohl fühlen musste. Ich verstand seine Wut auf mich und die Anderen, da sie seinen besten Freund scheinbar einfach durch mich ersetzten. Dabei war das ganze erst drei Monate her..

„Nach fünf Stunden erreichte uns die Nachricht, das Lenny gestorben sei, da er zu viel Blut verlor und die Kugel eine Hauptarterie durchtrennte..Wir alle konnten es zunächst nicht fassen und die nächsten Tage verliefen, wie in Trance. Clyde gab uns wieder die einfacheren Aufträge und schonte uns wirklich, doch er wollte seine Geschäfte natürlich nicht vernachlässigen und durch uns war ihm schließlich ein Haufen Kohle durch die Lappen gegangen. Irgendwann riefen sie uns zu einer Besprechung in ihre Basis. Sie erklärten uns, das der Verlust von Lenny zwar schwer ist wir aber trotzdem weiter machen müssen..Wir sollten uns einen neuen Archer suchen. Und naja..so kamst du ins Spiel" zuckte er mit den Schultern und sah mich wieder an. Mir war jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen und ich wusste nicht was ich darauf nun antworten sollte. Einige Sekunden lang blieb es still zwischen uns und wir sahen uns nur an. „Das..ist..ich meine das..." Stotterte ich unbeholfen und fasste mir schockiert an die Stirn. „Wenn du aussteigen willst weil es dir zu gefährlich ist kann ich das verstehen. Keiner von uns hatte anfangs damit gerechnet obwohl es eigentlich offensichtlich war..Ich hab dir das auch nur erzählt weil ich finde das du die Wahrheit verdient hast und du dich Entscheiden sollst nachdem du -alles- weißt." Klärte er mich auf und sah wieder zu Boden. So verlegen und nervös hatte ich Soma noch nie gesehen. Es machte ihm wirklich sehr zu schaffen.

Ich ging in Gedanken noch einmal alles durch. Mein ganzes Leben ließ ich Revue passieren. Meine Kindheit, meine Schulzeit, einfach alles. All die langen Nachmittage in denen die Anderen draußen spielten und Spaß hatten, während ich allein zu Hause saß und ihnen durchs Fenster zusah, da sie mich nicht dabei haben wollten. All die ätzenden Schultage in denen ich ständig auf der Flucht vor Abrin war. All die Situationen in denen er mich bloß stellte, mir Streiche spielte und mich trietzte. Und schließlich, die Zeit hier an der Bolt Manor, wie ich Tia kennenlernte, wie wir feiern waren..Ich erinnerte mich an meine erste Begegnung mit Soma auf den Treppen, daran wie ich Tory zum ersten Mal gegenüberstand und wie sehr ich mich durch sie verändert hatte. Ich fühlte mich wohl bei Tory und den anderen. Ich wollte nicht, das dass zerstört wird, was ich so hart aufgebaut hatte! Das, was Lenny zugestoßen war, war ohne Zweifel schrecklich! Doch ich ließ mich davon nicht unterkriegen. Ich würde es besser machen, als er und würde noch vorsichtiger sein.

„Ich danke dir wirklich von Herzen, das du mir das erzählt hast. Keine Sorge ich werde Tory nichts davon erzählen, das verspreche ich dir." Sagte ich nach einer Weile entschlossen und Soma sah mich überrascht an. „Und wirst du..jetzt aussteigen?" fragte er so desinteressiert, wie es ging, doch ich merkte, das er dass nur spielte -Es interessierte ihn brennend. „Nein, natürlich nicht." Antwortete ich ihm beruhigend, weshalb er mich nur weiterhin überrascht ansah. „Ich habe gesagt, das ich dabei bin und ich stehe zu meinem Wort." Fügte ich hinzu und lächelte schwach.