-Kapitel 14-

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Mit großen und bestimmten Schritten ging er den breiten Gang in der Mitte der Halle entlang. Während er so dahinstolzierte richtete er seine Manschettenknöpfe an den Ärmelenden seines weißen Hemdes. Einige, der Mädchen schmachteten ihn nahezu an -er schien wohl viele Verehrerinnen zu haben. Auch ich begutachtete ihn sorgfältig während er noch immer den schier endlosen Mittelgang entlang schritt. Seine kurzen braunen Haare waren ordentlich nach hinten gekämmt und sein Gesicht frei von jeglichen Bartstoppeln. Seine dunkelgrüne Krawatte stach kontrastmäßig zu seinem weißen Hemd hervor und wurde zum Teil von seinem schwarzen Sakko bedeckt. Seine eleganten Herrenschuhe ließen seine Schritte in der gesamten Halle erklingen und ich merkte, wie still es eigentlich geworden war. Keiner der anderen Rekruten sagte mehr ein Wort und auch Tia starrte konzentriert auf den jungen Mann, der nun endlich am Ende des Ganges ankam.

„Guten Abend Absolventen und Rekruten. Ich freue mich, das Büfett eröffnen zu dürfen. Ich hoffe sie alle hatten einen erfolgreichen Tag und, dass das vorzügliche Essen ihnen etwas Stärkung bieten kann. Des Weiteren wünsche ich denjenigen Absolventen unter ihnen noch viel Erfolg bei ihrer letzten Prüfung. Vergessen sie nicht, das Wort -scheitern- besitzen sie nicht in ihrem Vokabular. In diesem Sinne, guten Appetit."

Mit diesen Worten beendete er seine Ansprache und im Saal ertönte synchrones Klatschen. Ich musste sagen seine Rede war äußerst motivierend, jedoch wirkte sie auf mich auch ein wenig überheblich. -Das Wort –scheitern- besitzen sie nicht in ihrem Vokabular- Es sollte vermutlich aufmunternd und ermutigend klingen, doch in meinen Ohren hörte es sich eher nach einer Erwartung an. -Wie sollte man denn immer gewinnen können?- Irgendwann würde jeder Mensch einmal scheitern. So war nun mal das Leben. Verwirrt schüttelte ich nur den Kopf und klatschte der Höflichkeit halber mit. Schließlich wollte ich nicht auffallen und so versuchte ich mich den anderen anzupassen. Als Principal Welsh davonging standen die Ersten bereits auf um vor ans Büfett zu gehen. Ich wollte es ihnen soeben gleichtun und ebenfalls aufstehen, als Tia meinen Arm festhielt. „Noch nicht Cassia, zuerst sind die Tische der Ersten Spalte dran." Flüsterte sie mir zu. Augenrollend setzte ich mich erneut hin und stützte meinen Kopf auf meiner rechten Hand ab. „Was? Schon wieder so eine -Regel-?" seufzte ich resigniert. Tia, die ihre Hand wieder zurückzog kicherte nur. „Vielleicht sollte ich anfangen dir ein Regelwerk, der unausgesprochenen Regeln zu schreiben damit du nicht völlig verloren bist sobald ich weg bin." Ich hielt das für gar keine so schlechte Idee und sah begeistert zu ihr hinauf. „Das ist ne super Idee!" flüsterte ich ebenfalls, da es in der Halle noch immer vergleichsweise ruhig war. Tia unterdrückte weitere Lacher und hielt sich angestrengt die Hand vor den Mund um ihre Atmung zu dämpfen.

Als unsere -Spalte- nun endlich an der Reihe war beeilten wir uns einen möglichst guten Platz in der Schlange zu ergattern. Tia stand vor mir und schnappte sich einen Teller. Fasziniert beobachtete ich das Geschehen und nahm mir gleich darauf auch einen Teller von dem Stapel. Noch immer reihten sich Rekruten sowie Absolventen in der Essensschlange ein und mir fiel ein großer blonder Junge auf, der es scheinbar überhaupt nicht eilig hatte. Er bildete das Schlusslicht der Schlange und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Ich war beeindruckt von der Wortlosen Organisation der Schlange. Es war beinahe so, als würde jeder seinen Platz ganz genau kennen und wissen, wo er sich hinzustellen hatte. Ich ließ meinen Blick durch die verworrenen Reihen gleiten, bis ich schließlich wieder an dem Jungen hängen blieb. Er hatte ebenfalls eine Uniform der Rekruten an, da die Absolventen lediglich dazu verpflichtet waren ein weißes Hemd mit einer passenden schwarzen Hose zu tragen. Dieser Kerl hingegen trug ein weißes Hemd mit einer moosgrünen Krawatte um den Hals. Außerdem trug er einen dunkelbraunen Pulli über dem Hemd, welcher ohne Kapuze und mit einem etwas tieferen Ausschnitt versehen war, sodass man den Kragen und einen Teil des Hemdes noch erkennen konnte. Die Krawatte war feinsäuberlich in den Pulli gesteckt worden und ein waldgrünes Sakko mit passend schwarzer Anzughose rundete das Outfit ab. Am rechten Teil des Kragens des Sakkos war ein kleines goldenes Kettchen befestigt, welches bis hin zur kleinen Aussparung reichte. Normalerweise steckte man dort das passende Anstecktüchlein hinein, doch hier schienen die Jungs dieses Kettchen zu verwenden. Ich hatte schon weniger Stilvolle Schuluniformen gesehen und, wie ich vorhin bereits ahnte sahen die Jungs hier in ihren Uniformen wahnsinnig gut aus. Ich ließ meinen Blick weiter gleiten und sah mir sein Gesicht genauer an. Er hatte sehr hellblondes, längeres Haar, welches ihm leicht ins Gesicht fiel. Seine Haut war ebenfalls sehr bleich und seine Lippen waren in einem zarten Rose ton gefärbt. Ich konnte meine Augen nicht von ihm nehmen, denn sein komplettes Erscheinungsbild ließ mich ihn fasziniert anstarren. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Tia sich fortbewegte und so tat ich es ihr gleich. Nun war ich gezwungen meinen Blick abzuwenden, da ich dran war mir die Portion Pasta auf den Teller zu tun. -War vielleicht auch besser so, sonst hätte er noch mein Starren bemerkt.

Stumm liefen Tia und ich wieder zurück an unsere Plätze. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie hungrig ich eigentlich war. Seit meinem Flug hatte ich nichts mehr gegessen also konnte ich mich nur schwer beherrschen nicht, wie ein verhungertes Tier auszusehen während ich aß. Tia hingegen besaß anscheinend perfekte Tischmanieren, genauso wie alle anderen hier auch -lernt man so etwas denn hier auch? Etwas unsicher fuhr ich mit meinem Essen fort und versuchte es Tia so gut, wie möglich nachzumachen. „Füge zu deinem Regelwerk bitte noch Tischmanieren hinzu." Murmelte ich schmunzelnd. Ein freches Grinsen schlich sich auf ihre Lippen „Alles klar, ist notiert." Lachte sie. „Aber keine Sorge, das wird dir hier beigebracht." Fügte sie noch flüsternd hinzu. „Bist du sicher? Sogar die Jüngsten hier scheinen das bereits voll drauf zu haben" raunte ich ihr skeptisch zu. Sie lehnte sich etwas vor, sodass ich sie besser verstehen konnte „Ja, aber zu Beginn jedes neuen Schuljahres wird die Etikette immer wiederholt." Beantwortete sie mir meine Frage lächelnd. Beruhigt lehnte ich mich wieder etwas zurück und schob den leeren Teller von mir weg.

-Cassia-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt