-Kapitel 10-

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Ich war erstaunt von seinem Kleidungsstil. Dieser Anzug den er trug sah maßgeschneidert aus und die grüne Krawatte passte zu seinem kleinen Anstecktüchlein, welches ordnungsgemäß in der kleinen Aussparung seines Sakkos steckte. Der lange schwarze Mantel verdeckte den Rest seines Outfits, doch ich vermutete, dass es ebenfalls Stilgerecht gehalten war. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er in seinen jüngeren Jahren einmal schwarze Haare gehabt haben musste, denn obwohl sie fast komplett grau waren schimmerte hin und wieder etwas schwarz hindurch. Im Großen und Ganzen war er, wie gesagt -sehr vornehm- gekleidet. Ganz im Gegenteil zu mir. Ich entschied mich heute Morgen nämlich für eine schwarze Jogginghose und einen weiten grauen oversize Pulli. Meine Haare sahen vermutlich noch schlimmer aus als bei meiner Abreise und geschminkt war ich natürlich auch nicht –musste ja ein toller erster Eindruck sein.

„Miss Peers?" ertönte plötzlich eine dunkle tiefe Stimme. Ich sah dem Mann vor mir nun direkt in seine dunkelbraunen Augen. Die Art, wie er meinen Nachnamen aussprach war ungewohnt. Er musste ein Engländer sein, denn sein britischer Akzent war unverkennbar. „J..Ja?" stotterte ich unsicher. „Willkommen in Maine. Wenn sie mir bitte folgen würden." Sagte er mit seiner tiefen Stimme. Hastig versuchte ich Schritt zu halten, denn er war für sein Alter verdammt schnell. Mit Mühe schleppte ich mich samt meiner Tasche in Richtung eines schwarzen Wagens, der anscheinend auf uns zu warten schien. „Bitte, steigen sie doch ein." Wies er mich höflich an. Er öffnete mir noch die Tür und wartete bis ich eingestiegen war. Anschließend hob er meine Tasche mit Leichtigkeit in die Höhe, um sie sorgfältig im Kofferraum zu verstauen. Er ging um den Wagen herum und stieg ebenfalls ein, als wir auch schon losfuhren. Er erklärte mir, das wir eine halbe Stunde Fahrtzeit hinter uns zu bringen hatten. Anschließend würde er mich ein wenig auf dem Gelände der Bolt Manor herum führen und mir die wichtigsten Orte zeigen. Während der Fahrt beobachtete ich die vorbeifliegende Landschaft. Maine schien eine ländlich geprägte Gegend zu sein, denn es waren viele Wiesen und Felder zuerkennen -Naja, das war ja nichts Neues für mich.

Der Wagen kam zum Stehen und vor mir erstreckte sich das Anwesen des Bolt Manors. Es war noch riesiger als in den Broschüren zu sehen war. Der Garten verlief noch einige Hektar weiter und das Schloss war einfach nur der Wahnsinn. Mr. Porter, wie er sich mir vorstellte, schmiss meine Tasche achtlos neben mich auf den Boden und deutete mir an ihm zu folgen. Erneut schulterte ich meine schwere Tasche und rannte beinahe schon neben ihm her.

„Das hier ist der Außenbereich der Bolt Manor und ist frei zugänglich für die Rekruten. Die Tore öffnen sich pünktlich morgens um sieben und schließen sich wieder exakt abends um zehn." Erklärte er mir nebenher, während ich die riesige Außenanlage bestaunte. Es befanden sich viele Blumenbete und Bänke überall verstreut. Wir liefen den langen grauen Kiesweg entlang, der direkt zur großen schwarzen Eingangstür führte -selbst die war schwarz. Mit einem kurzen Ruck öffnete er den rechten Teil der zweigeteilten Holztür.  Ein angenehmer kühler Windhauch kam uns entgegen als wir eintraten und auch hier kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es wirkte so viel größer als in der Broschüre von Mom. Auch die Einrichtung kam nun mehr zur Geltung. Wie ich schon feststellte waren die Wände in einem einheitlichen dunkelgrün gepaart mit schwarz und silber gestrichen. Die metallischen Balken, die die Decke stützten waren ebenfalls in einem matten schwarz ton gehalten. Der Boden war gefliest mit anthrazitfarbenen Steinplatten. Es machte einen wirklich düsteren, jedoch auch eleganten Eindruck auf mich. Kein Wunder, das hier –Eliteschüler- ausgebildet wurden. Nur das Beste vom Besten.

Und während ich mich noch fragte, wie meine Eltern das Alles eigentlich bezahlten schritt Mr. Porter bereits wieder voran. „Ich werde sie nun ins Sekretariat bringen um ihre Ankunft anzumelden. Anschließend werde ich sie auf ihr Zimmer begleiten und ihnen ihre vorläufige Mitbewohnerin vorstellen. Da sie am Ende des Schuljahres zu uns wechselten sind die meisten der Absolventen und Rekruten bereits nach Hause gefahren, doch sie scheinen Glück zu haben. Miss Ashton hat noch eine letzte Prüfung vor sich bevor ihr Schuljahr beendet ist." Seine Stimme echote in den riesen Hallen, die wir durchquerten und ich begann mich ein wenig klein zu fühlen. Das Alles hier wirkte so viel größer und beeindruckender als auf den Bildern. Anfangs gefiel mir die dunkle Einrichtung- es spiegelte meine Gefühlswelt wieder. Doch nun wirkte das Internat, naja -beängstigend?-

Als wir vor einer großen schweren Holztür, natürlich ebenfalls in schwarz lackiert, ankamen klopfte Mr. Porter ein paar Mal bevor er schließlich die Klinke hinunter drückte und eintrat. Er bat mich zunächst einen Moment draußen zu warten, bis er mich hineinrufen würde also nutzte ich die Zeit um mich im Flur etwas umzusehen. Grüne Vorhänge zierten die großen Fenster und am unteren Ende befand sich eine silberne Borte. Große, von der Decke hängende Kronleuchter erhaschten meine Aufmerksamkeit -sie waren wirklich unglaublich schön. Ich ließ meinen Blick weiter wandern und schaute zu Boden. Ein scheinbar endlos langer waldgrüner Teppich war ausgelegt und ließ an den Seiten, jeweils grob geschätzt fünfzehn Zentimeter Platz, wodurch man die grauen Steinfliesen sehen konnte.  Einen Moment lang verlor ich mich in dem endlosen Grau der Fliesen. -Wie würde dann wohl der Rest der Schule aussehen? Waren die Klassenräume etwa auch alle schwarz? wie deprimierend. Mr. Porter hatte etwas von meiner Mitbewohnerin erzählt –wie war ihr Name doch gleich? Miss Ashton? Ich fragte mich, wie sie wohl sein würde. Ich machte mir allerdings keine allzu großen Hoffnungen, denn ich wurde leider schon oft genug Enttäuscht.

Die tiefe Stimme von Mr. Porter riss mich aus meinen Gedanken „Miss Peers, sie dürfen eintreten." Sagte er in einem gedämpften Tonfall. Ich ließ mich nicht zwei Mal bitten, denn ich hatte das Gefühl, dass Mr. Porter zwar sehr höflich und -nett- sein konnte, doch wenn man es sich bei ihm verspielte konnte er wahrscheinlich auch sehr ungemütlich werden. Ich trat in das sogenannte Sekretariat ein und staunte erneut. Der Raum erstreckte sich über mehrere Quadratmeter und ich konnte viele Schreibtische erkennen. „Unser -Konzept- ist etwas speziell, Miss Peers. Jeder Schreibtisch gehört einer bestimmten Angestellten, die einem speziellen Gebäudebereich zugeteilt ist." Klärte er mich auf, da er vermutlich meinen überforderten Blick bemerkte. „Sie sind Mrs. Blackwell zugeteilt." sagte er, während er mir die Richtung des zugehörigen Schreibtisches wies.

-Cassia-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt