-Kapitel 19-

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Die nächsten zwei Wochen verflogen, wie im Flug. Ich hatte zwar anfangs Schwierigkeiten aufzutauen, doch je mehr Zeit ich mit Tia und dem Rest verbrachte desto besser fühlte ich mich. Wir trafen uns beinahe jeden Tag im Aufenthaltsraum und an den Wochenenden unternahmen wir sogar ein paar Ausflüge in die Stadt. Acadia hatte, ganz zu meiner Überraschung, ein belebtes Nachtleben. Unzählige Clubs und Bars lockten mit Angeboten. Ich hatte zuvor noch nie Alkohol getrunken, dementsprechend war der Abend an dem ich es das erste Mal tat auch eskaliert. Ich hatte einen kompletten Filmriss. Ich wusste nur noch, wie ich am nächsten Tag in meinem Bett aufwachte und Dahlia sowie Tia direkt neben mir schnarchten.

Die Clubs befanden sich etwas außerhalb der Stadtmitte und hatten sozusagen einen eigenen Stadtteil. Es war wirklich unglaublich. Eigentlich hätte ich in -jeden einzelnen- Club nicht hinein gedurft, doch Matty kannte nahezu jeden Türsteher und arrangierte dies für mich. Es war einerseits schon seltsam, das ich mich mit 17 - 18 Jährigen so gut verstand. Wahrscheinlich lag das daran, dass sie älter und reifer waren -Nicht mehr so kindisch, wie Abrin.

Sie erklärten mir in den folgenden Wochen noch, wieso mich alle anderen so seltsam anstarrten. Denn seit ich mit Tia und ihren Freunden abhing erntete ich seltsame Blicke beim Frühstück und Abendessen. „Naja eigentlich ist es ganz einfach" meinte Matty. „Du bist ein Rekrut und Rekruten werden im Normalfall nicht von den Absolventen aufgenommen." Fuhr Dylan an Mattys stelle fort. Ich staunte. Das ergab natürlich sinn -sie waren neidisch. „Weißt du, einen Absolventen als Verbündeten zu haben bringt viele Vorteile mit sich. Aber das hast du ja bereits selbst erfahren dürfen." Zwinkerte mir Matty zu. In der Tat hatte ich einige Vorteile gegenüber den anderen Rekruten. Ich durfte überall eintreten, wo im Normalfall nur Absolventen der Zutritt erlaubt war. Außerdem durfte ich auch eine Stunde länger draußen sein, während die anderen Rekruten pünktlich zur Sperrstunde zurück sein mussten. Ich grinste „Ja das stimmt schon. Es hat wirklich Vorteile." Kim kicherte „Und du hast auch noch sechs Absolventen um dich herum. Das ist sechsmal so viel, als die meisten Rekruten haben." Nachdenklich nickte ich. Da hatte sie natürlich auch Recht.

Wie dem auch sei, ich hatte sehr viel Spaß und mittlerweile kannte ich mich im Bolt Manor schon bestens aus. Ich konnte Tia und den anderen gar nicht genug dafür danken, dass sie mich hier so  gut aufgenommen haben. Macy und Kim verließen uns zuerst und der Tag ihrer Abreise war deprimierend. Nun waren wir nur noch zu viert. Sie versprachen mir in Kontakt zu bleiben und sich immer wieder mal bei mir zu melden. Ich bat sie darum mir zu erzählen, wie sie ihre neuen Stellen als Geschäftsführerinnen fanden. Mir gefiel die Idee, dass ich ebenfalls eine Managerin werden könnte sollte ich den Abschluss hier schaffen. Ich hatte nie daran gedacht ins Management zu gehen, doch diese Schule zwang einem diese Idee nahezu auf.

Der Nächste, der uns verließ war Matty. Er machte sich nun auf den Weg nach Irland. Dort sollte er ein großes internationales Unternehmen leiten. Er war nicht sonderlich begeistert vom Standort aber er würde sich sicherlich daran gewöhnen. Bevor uns auch Dylan verließ, waren wir noch einmal gemeinsam feiern. Mittlerweile kannte ich mein Limit und somit kam es glücklicherweise zu keinen weiteren Filmrissen und Eskalationen. Dahlia und Tia fuhren als letztes und hatten sogar das Glück in derselben Stadt zu sein -nur in den jeweils konkurrierenden Unternehmen. Die beiden lachten nur darüber und meinten, dass das garantiert nie zwischen ihnen stehen würde, denn sie trennten berufliches vom Privaten.

Seitdem sind nun weitere zwei Wochen vergangen in denen ich mich weiter im Zimmer einrichtete und des Öfteren mit meinen Eltern telefonierte. Sie informierten mich darüber, dass sie sich um die Abmeldung an der Delta Chambers High gekümmert hatten und somit alles geklärt war. Außerdem erzälten sie mir, das Abrin eine Anzeige am Hals hatte. Es freute mich, wirklich. Aber es erinnerte mich auch wieder an das, was geschehen ist und was er mir antat.

Nun war ich allein und es waren nicht einmal mehr drei Tage bis zum offiziellen Schuljahresbeginn. Ich habe heute Morgen beim Frühstück aufschnappen können, wie sich zwei Rekruten darüber unterhielten, das die anderen entweder noch heute Abend oder morgen ankommen würden. Das hieß für mich -eine neue Mitbewohnerin oder eben ein neuer Mitbewohner. Ich war etwas nervös, da ich mich mit Tia und den anderen so gut verstanden hatte. Ich hatte Angst, dass es nun nicht mehr so sein würde. Ich musste ja schließlich wieder von vorne beginnen -vorstellen, anfreunden, und so weiter. Ich betete dafür jemand nettes zu bekommen und auf jeden Fall ein Mädchen! Ich hatte nichts gegen Jungs, doch ich musste mich hier schon an so vieles gewöhnen, dass das meine Kapazitäten sprengen würde.

Am Abend sah ich in der großen Halle schon viel mehr Leute sitzen und nahm an, dass einige der Rekruten schon eingetroffen waren. Wie jeden Abend eröffnete Principal Welsh das Büfett mit einer kurzen Ansprache.

„Liebe Rekruten! Nun, da die letzten Tage des aktuellen Schuljahres schon fast gezählt sind möchte ich mich hiermit bei ihnen bedanken für dieses wundervolle und erfolgreiche Jahr. Es gab einige herausragende Leistungen innerhalb ihrer Reihen und ich fühle mich geehrt Leiter dieses großartigen Internats zu sein. Ich freue mich ihnen mitteilen zu dürfen, dass morgen auch die restlichen Rekruten eintreffen werden und wir ihnen beim Frühstück die neuen Zimmeraufteilungen bekannt geben können. Ich wünsche einen guten Appetit."

Damit beendete er seine Ansprache und schritt wieder aus der Halle. -Aß er denn nichts? Fragte ich  mich während ich wartete bis meine Spalte an der Reihe war. Wieso es nicht einfach der Reihe nach ging wusste ich noch immer nicht genau. Tia meinte einmal, dass es schneller und effizienter wäre, wenn es nach Spalten und nicht nach Reihen eingeteilt wurde. Gelangweilt saß ich an dem Tisch mit noch ein paar anderen Rekruten des Gebäudeteils -7- und hoffte innerlich eine nette und liebe Mitbewohnerin zu bekommen, die genauso war, wie Tia. Als nun endlich unsere Spalte dran war erhoben wir uns und liefen ruhig und geordnet vor. Wie zu erwarten war, standen alle wieder auf denselben Positionen, wie jeden Tag. Tisch Nummer -3- als erstes danach Nummer -7- gefolgt von Nummer -11- und zum Schluss Nummer -15-

Mein Blick blieb unwillkürlich an Soma hängen, der auch wie jeden Tag das Schlusslicht bildete. Seit unserem Zusammenprall hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen. Ich hatte ihn nur ab und an mal in den Gängen herumlaufen sehen mit einem komischen kleinen schwarzen Ding im Ohr. Tief im inneren fand ich es irgendwie schade, dass wir nicht mehr miteinander zu tun hatten auch wenn ich wusste, wie gemein er war. Ich hatte diesen Abend, an dem er mich vor einer harten Landung auf dem Boden bewahrte, noch oft Revue passieren lassen und fragte mich, wieso er mich auffing und festhielt. Es wäre im zuzutrauen gewesen mich einfach fallen zu lassen. Ich interessierte ihn doch sowieso nicht, oder? Er hätte mich auch nur hochziehen und meine Hand loslassen können, doch er hielt sie fest, so lange bis er keine Lust mehr hatte auf eine Antwort von mir zu warten. -Wieso tat er das?

-Cassia-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt