In den folgenden Wochen verschlimmerte sich der Zustand meines Vaters weiter und ich machte mir wirklich Sorgen um ihn. Um mich abzulenken kniete ich mich in meine Schularbeiten hinein. Ich wollte jede einzelne Buchseite und jedes einzelne darauf niedergeschriebene Wort der Pflichtlektüre auswendig wissen. Ich wollte jede einzelne Formel in Mathe, Physik und Chemie im Schlaf können. Jedes Ereignis der Vergangenen Geschichte mit Jahreszahlen und Datum kennen. Kennzahlen und Cash flows jeder erdenklichen Bilanz errechnen können - Ich wollte meinen Schnitt bei den nächsten Zwischenprüfungen auf eine glatte Eins bringen.
Alle aus der Gang schüttelten zunächst den Kopf über mein Verhalten, doch sie ließen mich einfach machen. Sie sahen wohl selbst, das es mich ablenkte und es mir gut tat wenigstens für ein paar Stunden an etwas anderes als mein zerrüttetes Familienleben zu denken. Mit der Zeit allerdings machten sie sich immer mehr Gedanken über mein wahnhaftes Lernverhalten und versuchten mich immer häufiger raus zu locken. Einige Male ließ ich es auch zu um sie nicht weiter zu beunruhigen. Manche Dinge konnte man nur allein durchstehen, dass wusste ich. Ich war dankbar dafür, das sie mir immer den Rücken stärkten wenn ich kurz vor dem Zusammenbruch stand, doch die meiste Zeit über machte ich die Dinge mit mir allein aus. Diese Fähigkeit zu beherrschen und zu erlernen war schwer und das ich es überhaupt schaffte verblüffte mich. Nie hätte ich gedacht, das ich Probleme für mich behalten -wollte- Es war immer so, dass ich keine Wahl hatte, als sie für mich zu behalten. Es war ein absolut untypisches Verhalten für mich, doch irgendwie bemerkte ich dies gar nicht. Erst als Soma mich darauf ansprach nachdem auch er anfing sich immer mehr Sorgen zu machen wurde mir das klar. Das ich zu so etwas überhaupt in der Lage war schockierte und begeisterte mich gleichermaßen. Was konnte ich wohl noch alles schaffen wenn mein Leben mir gar keine Wahl ließ?
Tory und Ares waren neben Soma einer meiner kleinen Lichtblicke. Sie näherten sich immer weiter an und man konnte nun wirklich schon vermuten, das zwischen ihnen etwas am laufen war. Viel fehlte jedenfalls nicht mehr und ich freute mich aufrichtig für die Beiden. Sie hatten Beide keine schöne Kindheit und auch keine schöne Schulzeit. Sie wuchsen in ärmlichen Verhältnissen auf, was es Kindern heutzutage nicht leicht in der Gesellschaft macht. Umso mehr freute es mich zu sehen, das sie endlich auf dem Weg waren ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und glücklicher zu werden. Elija und Ren waren nun die Einzigen, die allem anschein nach für immer Single bleiben würden. Immer wenn wir etwas zusammen unternahmen zogen wir die Beiden damit auf, was ihnen so gar nicht passte, doch es verschaffte mir ein kleines Lächeln weswegen sie es wohl über sich ergehen ließen.
Eines Abends als ich aus dem Aufenthaltsraum lief begegnete ich Principal Welsh, welcher mich in den letzten Wochen und Monaten immer kritischer beäugte. Ich ließ mir dabei immer nichts anmerken, da es mir äußerst seltsam vorkam und ich mir den Grund für die skeptischen Blicke in meine Richtung beim besten Willen nicht erklähren konnte. Doch ich bekam bald darauf schon meine Antwort. Er ließ mich gleich am nächsten Tag in sein Büro zitieren und mir sackte das Herz in die Hose. Tory zog mich damit auf, das ich wohl nicht seinen Erwartungen entsprach, doch mir machten andere Dinge mehr sorgen. Was wenn er von der Gang sache weiß? Was wenn er von unseren Aufträgen wusste? Wir wären komplett geliefert wenn das rauskäme. Ich riss mich zusammen und marschierte selbstbewusst aus dem Klassenraum in den Flur. Ich lief den schwarzen Teppich entlang und zählte aus Nervosität die Kronleuchter an der Decke bis ich zur Treppe kam. Mit langsamen Schritten stieg ich Stufe für Stufe hinauf und spürte, wie sich mein Herzschlag mit jedem weiteren Schritt erhöhte. So nervös war ich das letzte Mal als Soma und ich uns das erste Mal küssten. Erinnerungen an den Abend schossen mir durch den Kopf und kleines Grinsen bildete sich. Auch Soma hatte davon gehört und funkte mich während ich die Treppen hinaufstieg an. "Liebling? Was hast du angestellt?" Lachte er, doch ein wenig Sorge schwang in seinem Unterton mit. "Gar nichts. Ich weiß nicht wieso er mich sehen will. Vielleicht sind meine Leistungen nicht seinen Erwartungen gemäß, meinte Tory vorhin." Antwortete ich ihm schulterzuckend und bemerkte erst in dem Moment als ich es bereits tat, das er dies ja gar nicht sehen konnte. Manchmal fragte ich mich selbst ob Intelligenz tatsächlich etwas mit Schulnoten zutun hatte.
Seuftzend lief ich weiter und sagte ihm das ich den Funker nun ausschaltete, da ich ohnehin schon nervös genug war. Ich knipste das kleine schwarze Ding in meinem rechten Ohr aus und lief einen breiten Flur entlang. Auch hier war alles in einem satten Dunkelgrün dekoriert, doch die Kronleuchter überstiegen meine Erwartungen. Sie waren noch größer als die in den Fluren der Sekretärinnen. Dunkles Laminat war verlegt worden auf dem ein schwarzer Teppich ruhte. Hier und da sah man dekorativ ein paar Orichideen und an den Wänden befanden sich Zierlampen, die den Raum nicht sonderlich mit Licht durchfluteten aber schön anzusehen waren. Es befanden sich nur zwei sichtbare Räume in diesem Stockwerk und diese lagen ganz am Ende des langen Flures. Immer wieder ergab sich die Gelegenheit abzubiegen, doch ich wusste das Principal Welsh's Büro immer weiter gerade aus lag. Vermutlich waren seine Gemächer und die der Gäste auf diesem Stockwerk verteilt.
Mit zittrigen Fingern umklammerte ich den Türgriff seines Büros und zögerte dabei die silberne Türklinge hinunter zu drücken. Letztlich gab ich mir einen Ruck und öffnete etwas zu schwungvoll die Tür. Es gab schließlich sowieso keinen Weg daran vorbei also was nützte es mir vor der Tür Wurzeln zu schlagen. Principal Welsh saß in seinem großen schwarzen Bürosessel und war vertieft in seine Unterlagen. Anfangs schien er mich überhaupt nicht zu bemerken weshalb ich mich räußperte.
"Oh Miss Peers! Ich habe sie gar nicht kommen hören, verzeihen sie bitte." Entschuldigte er sich charmant und deutete mir an mich auf einen der Sessel ihm gegenüber zu setzen. Ich kam seiner unausgesprochenen Geste nach und setzte mich so normal, wie möglich. "Es tut mir leid sie aus dem Unterricht geholt zu haben, doch es gibt einiges worüber ich mit ihnen sprechen möchte." Begann er und ich lehnte mich angespannt in den Sessel zurück. Worüber wollte er denn mit mir sprechen? Waren meine Leistungen tatsächlich nicht gut genug gewesen? Ich hatte mich doch nur um drei zehntel verschlechtert!
"Sie fragen sich sicher wieso ich sie habe kommen lassen. Nunja, zum einen ist mir nicht entgangen, das sie in der letzten Zeit sehr in sich gekehrt erscheinen. Nicht das, dass etwas schlechtes ist oder es mich etwas angeht..doch ich merke, das sich allmählich auch Miss Ferris und Mister Parker sorgen um sie machen." Sagte er und legte seine Unterlagen von eben zur Seite. Ich sah ihn verblüfft an und konnte nicht ganz nachvollziehen weshalb ihn das überhaupt interessierte. "Gibt es da einen bestimmten Grund dafür? Die Bolt Manor ist ohne Frage eine harte Schule, die an manchen zartbeseiteten Rekruten nicht ganz spurlos vorrüberzieht. Sie sollen wissen, das wir ausgezeichnetes Personal für solche Seelischen angelegenheiten haben, Miss Peers." Erklährte er, da er offensichtlich meinen fragenden Ausdruck bemerkte. Hatte er mich wirklich darauf hingewiesen zu einem Seelenklemptner zu gehen? Ich war doch nicht krank! Ich machte lediglich eine schwere Zeit durch, doch das war ja nichts neues für mich. An meiner alten Schule kümmerte dies auch keinen und schon gar nicht den Rektor. "Principal Welsh ich kann ihnen versichern, das die Bolt Manor nicht Grund meines verhaltens ist. Meine Leistungen haben etwas nachgelassen bei den letzten Prüfungen, ich weiß, aber bei den nächsten Zwischenprüfungen werde ich garantiert als Jahrgangsbeste abschneiden! Das garantiere ich ihnen." Meinte ich überzeugend, da ich in den letzten Wochen wirklich viel lernte und mich in alles was ich tat hinein kniete. Er sah mich überrascht an, doch setzte kurz darauf wieder sein charmantes Lächeln auf. "Nun wenn es nicht die schulischen Anforderungen sind, die sie so belasten, könnte es vielleicht mit ihrer aktivität bei den UBW's zusammenhängen?" Fragte er ungeniert und drehte seinen Schwarzen Kugelschreiber zwischen seinen Fingern. Ich brauchte eine Weile um zu realiesieren, was er mir eben für eine Frage stellte. Die UBW's? Hat er das wirklich gerade gesagt?
"Ich sehe ihre Überraschtheit, Miss Peers. Ich denke ich schulde ihnen hierzu eine Erklährung." Schmunzelte er und lehnte sich etwas auf den Tisch.
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-Cassia-
Teen Fiction„Manche Sätze brennen sich in dein Gedächtnis und du bekommst sie dort nicht mehr raus, egal was du tust." -Unkonwn Cassia - Ein 15 jähriges Mädchen, dass auf den ersten Blick völlig normal erscheint. Doch sieht man genauer hin, kann man tiefe Traue...