Abschied

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Als der RTW losfuhr, sah ich Karl an und dachte nach. Sein Schicksal ging mir sehr nahe. Er lag so friedlich schlafend auf der Liege, doch knapp eine Stunde zuvor schlug sein Vater ihn noch. Ich merkte nicht, dass mir eine Träne über die Wange rann, doch Phil bemerkte es. "Bist du okay?" fragte er und ich nickte zerknirscht. Ich antwortete: "Es ist nur... Er ist so klein und hat soviel durchgemacht. Er tut mir einfach mega leid." "Hast du nicht das gleiche durchgemacht?" "Ich war aber 5 Jahre alt." "4 oder 5, das sind nur Zahlen, das macht keinen Unterschied. Du warst genauso klein wie er. Und noch dazu hast du deinen Vater verloren." Ich ließ den Kopf hängen und unterdrückte weitere Tränen. Phil redete weiter: "Du kannst echt stolz auf dich sein." Ich sah auf und meinte: "Klar, schwere Körperverletzung, Raub, Diebstahl, versuchter Mord und was noch alles dazukommt." "Miles du siehst immer nur das schlechte in dir, denk doch mal nach was du alles gut kannst und gut gemacht hast." "Und das wäre?" "Gerade hast du Karl gerettet, vor einiger Zeit das Mädchen auf der Brücke, du kümmerst dich sehr gut um Connor, du schreibst nur gute Noten in der Schule, singst mega gut, hast dir selbst das Gitarre spielen beigebracht, fährst perfekt BMX und noch so viel mehr." Ich zuckte nur mit den Schultern. Dann waren wir am Krankenhaus angekommen. Vorsichtig nahm ich Karl auf meinen Arm und ging mit ihm ins Krankenhaus. Phil brachte uns in ein Behandlungszimmer und meinte: "Markus kommt gleich. Ich kläre ihn dann doch über die Verletzungen auf. Ich sag auch Derek bescheid, oder Mike oder so. Wir sehen uns. Ciao." Karl wachte langsam auf und drückte sich fest an mich. Ich lächelte: "Gleich kommt Markus. Er ist ein Freund von mir. Der schaut sich dann deine Aua's an." Karl zeigte keine große Reaktion. Nach wenigen Minuten kam Markus. "Hey Miles, und wen haben wir denn da?" begrüßte er uns und rollte mit seinem Stuhl zu der Liege, auf der wir saßen. Karl machte sich kleiner und klammerte sich noch fester an mich. Ich konnte sein Herz pochen spüren. Ich meinte zu Markus: "Das ist Karl, Phil hat dir alles erzählt, oder?" Markus nickte und meinte: "Hey Karl, ich bin Markus. Darf ich mir mal deine Verletzungen ansehen?" Ich schob Karl ein wenig von mir weg und Markus untersuchte Karl vorsichtig. Am Ende meinte er: "Okay, Karl bleibt auf jeden Fall hier, bis das Jugendamt da war. Bringen wir ihn in sein Zimmer und dann reden wir mal noch, okay?" Skeptisch sah ich ihn an. Markus sagte: "Bitte Miles..." Ich willigte ein. Zu dritt gingen wir auf die Kinderstation und ich brachte Karl in sein Bett. Ich verabschiedete mich von ihm und Markus nahm mich mit in sein Büro. Wir setzten uns hin und ich meinte: "Phil hat dir wirklich alles erzählt, oder?" Markus nickte und sah mich schweigend an. Ich fragte: "Was denn?" "Warum hast du dass denn wieder gemacht, hm?" fragte er vorsichtig. "Na ja, nach der Entführung war ich ziemlich durch den Wind, ich war nichtmehr ich. Und dann habe ich meine Mom getroffen, da hat es Klick bei mir gemacht und die Probleme, die ich mit mir nach der Entführung hatte, waren plötzlich weg. Ich musste mich von Mom verabschieden, weil es das beste für sie und für mich war. Dann kam alles wieder zusammen..." Markus nickte: "Okay, ich frage dich jetzt eine ehrliche Frage und ich will eine ehrliche Antwort, okay?" Ich nickte und er meinte: "Meinst du du bekommst das selbst wieder hin?" "Ja, schon." "Okay, aber wenn ich merke, dass du das nicht selbst hinbekommst, sollten wir darüber nachdenken, ob es nicht klug wäre, wenn du nochmal in die Klinik gehst." Ich schüttelte den Kopf: "Das kommt garnicht in Frage, niemals." "Denk einfach drüber nach, ja? Mehr will ich garnicht." "Kann ich jetzt gehen?" fragte ich eingeschnappt. Markus nickte. Sofort stand ich auf und ging wieder zu Karl. Ich laß ihm mehrere Bücher vor, die eine Krankenschwester und brachte, und spielte einfache Spiele mit ihm. Dann kam die Frau vom Jugendamt mit Markus herein. Sie stellte sich dann vor und meinte dann zu Karl: "So Kleiner, du kannst nicht zu deiner Familie zurück, aber wir haben eine neue nette Familie gefunden, zu der du noch heute kannst. Mir müssen bald losfahren, weil die Fahrt 3 Stunden dauert." Diese Nachricht tat mir sehr weh und ich ging aus dem Zimmer. Markus wollte mich aufhalten, doch ich schlug seine Hand weg und setzte mich in eine Ecke im Treppenhaus und heulte. Nach ungefähr einer halben Stunde kam Markus: "Hier bist du." Mit verheultem Gesicht sah ich auf und fragte: "Sind sie weg?" Markus nickte, setzte sich neben mich und legte seinen Arm um mich. "Weißt du..." begann er. "Du hast echt viel getan für Karl, mehr als dir bewusst ist. Du warst für ihn da, als er dich gebraucht hat. Ich weiß es ist verdammt hart loszulassen, aber das Jugendamt hat eine echt nette Familie für ihn gefunden." Traurig nickte ich und meinte: "Er hat mich einfach so an mich erinnert, als ich noch klein war." "Verstehe ich. Na komm, du musst wieder heim. Gehst du selbst oder soll ich Derek anrufen dass dich einer abholt?" "Ich gehe, danke." Ich stand auf und Markus meinte: "Okay. Kopf hoch Miles." Ich zwang mich zu einem kleinen lächeln und ging dann nach Hause.

Die schiefe BahnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt