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...bis mich mal wieder jemand besuchen kommt.

"Sie sagen also er sei gefährlich?"

Sofort schlug ich die Augen auf. Vor einer Stunde hatte ich mich auf das so gemütliche Bett gelegt und ein bisschen entspannt, zumindest soweit das überhaupt möglich war. Nun jedoch wird meine Entspannungsrunde unterbrochen von Stimmen die durch den Gang hallten, gefolgt von schnellen und langsamen Schritten, es hörte sich nach einer Armee an und laut den Worten bin wohl ich gemeint. Habe nämlich während der ganzen Zeit keine Begängnis in den anderen Zellen feststellen können, dazu noch war die Stimme von eben neu und klang ziemlich alt. Wie die von einem besserwisserischen alten Mann der zu einhundert Prozent einen höheren Rang hatte als alle anderen Beamten den ich bis jetzt begegnet bin.

Langsam setzte ich mich auf und ließ ein Bein von der Bettkante herunter hängen um das kleine vergitterte Fenster in meiner Tür genaustens zu beobachten. Mit gespitzten Ohren versuchte ich weitere Wörter oder Sätze in Erfahrung zu bringen, jedoch war es nicht so leicht, sie schienen noch ein ganzes Stück von mir entfernt zu sein. "Glauben sie mir..." plötzlich ging irgendwo eine Tür auf und die Worte wurden verschluckt, das letzte was bei mir ankam war 'sein Tee' und aus dem nichts begann ich zu Lachen, der Zusammenhang war einfach zu lustig und ich konnte meinen Ohren einfach nicht glauben, da schien ich etwas falsch verstanden zu haben.

"Das sie noch Lachen können Herr Park, ist mir ein Wunder" ging mir die neue und arrogante Stimme dazwischen. Sofort verstummte ich und sah durch das kleine Fenster einen älteren Mann mit weißen Haaren der sicher um die 60 Jahre gewesen sein muss. Seine Ausstrahlung war zum kotzen und ich wusste gleich das ich ihn nur hassen konnte, also zog ich einfach die Augenbrauen zusammen als Reaktion auf sein dummes Kommentar. "Sie scheinen wohl gerne in Schwierigkeiten zu stecken und wenn ich sie so ansehe scheinen die Aussagen der Kollegen wohl zu stimmen das sie einen Polizisten im Besucherraum attackiert haben" fügte er noch hinzu, aber ich rührte immer noch keinen Muskel, weder noch sagte ich ein Wort dazu. "Nicht sehr Gesprächig was? Das wird sich schon ändern, lassen sie mich zu ihm" forderte er den Wachmann neben meiner Tür auf und zwei bekannte Stimmen meldeten sich wieder "Sind sie sicher Sir? Er sieht vielleicht nicht so aus aber-" "Mr. Won, Mr. Lee, wir haben hier meistens noch gefährlichere Insassen, also machen sie sich zurück an ihre Arbeit und ich mache hier meine" unterbrach Mr. Neunmal Klug den einen und schon schienen sie abzuziehen während meine Zelle aufgeschlossen wurde und der Mann in Uniform herein kam.

"Ich möchte ihnen nichts tun, keine Sorge" begann er gleich mit der alten Floskel und ich verdrehte einfach die Augen "Ich hab keine Angst vor ihnen, weder noch vor irgendjemand anderem hier, also sparen sie sich die netten Worte" kam meine schnippische Art wieder zum Vorschein und er begann kurz zu Lachen, drehte sich den Stuhl der für Klamotten geeignet war zu mir herum und setzte sich darauf. Ich bewegte mich immer noch keinen Zentimeter "Der Kollege hat mich gebeten Anzeige gegen sie zu stellen wegen versuchten Mordes" informierte er mich und meine Augen wurden immer größer "Was? Wie bitte? Ich hab doch nicht versucht ihn umzubringen" rechtfertigte ich mich sofort, aber er zuckte einfach mit den Schultern "Die Kameraaufnahmen und Zeugenaussagen sprechen da von etwas anderem, außerdem würde eine Körperverletzung sie auch nicht mehr vor ihrem Schicksal bewahren. Wenn sie Glück haben bekommen sie die Gunst der Richter trotz ihres dreckigen Verhaltens hier. Immerhin haben sie sich bis jetzt nie etwas zukommen lassen, unglaublich wie normale Leute manchmal auf den falschen Weg gelangen können" hielt er mir einen Vortrag über Gerechtigkeit, aber ich schüttelte einfach ungläubig den Kopf. "Ich kann mir mehr Jahre im Knast nicht leisten!", sein Kopf hob sich etwas an, als würde er auf Abschaum hinab sehen "Das hätten sie sich überlegen sollen bevor sie den Kollegen fast erwürgt hätten" sprach er die Wahrheit aus und ich mied den Blickkontakt, mir fehlten dazu noch die Worte um auf Gegenangriff zu gehen. "Der Vorfall wird nachträglich dem Gericht unterbreitet, bis dahin kannst du dir schonmal eine gute Rede überlegen wie du die Geschworenen vielleicht etwas weich kochen kannst, ansonsten musst du wohl ein paar Jährchen mehr absitzen, das wird jedoch keine große Sache sein, wie ich gehört habe ist selbst ihre Mutter vor ihnen geflohen. Hach, tragisches Schicksal für einen jungen Mann, da schadet dir das Gefängnis auch nicht mehr".

Feindselig sah ich ihn an. Was bildet er sich ein wer er ist? Bringt einfach das private Gespräch zwischen mir und meiner Mutter mit rein als wäre das alles nicht schon schlimm genug. Dieser Mann ist definitiv eine Schlange "Reden sie nicht so abgeneigt über mich, bis auf meine ach so bösen Taten kennen sie mich doch gar nicht! Also lassen sie ihre Vorträge sein und zischen sie lieber schnell wieder ab bevor-" "Bevor was?" unterbrach er mich amüsiert und ich biss mir auf die Zähne, innerlich hielt ich mich gerade zurück ihn nicht gleich anzuspringen. "Willst du dir noch was anhängen?" fragte er herausfordernd und beugte sich nach vorne "Ich könnte ganz einfach dafür sorgen das du im Gefängnis verrottest, aber ich drück ein Augen zu weil du noch so viel Leben vor dir hast. Überlege dir gut wie weit du gehst" drohte er mir etwas leiser und stand auf damit er den Stuhl wieder an seinen Ursprungsort stellen konnte. Meine Augen verfolgten ihn nur "Es stimmt was man sagt. Menschen verändern einen. Mr. Min hat sie wohl ganz schön aggressiv gemacht oder sie sind einfach nur verzweifelt das er nicht da ist was sich durch Aggressionen äußert" mit den Worten ließ er mich wieder alleine, ohne sich nochmal nach mir umzudrehen.

Unglaublich welche guten Menschenkenntnisse der Mann hatte und ich musste es mir selbst auch eingestehen. Ich vermisse ihn, bin frustriert was sich durch Aggressionen zu äußern schien. Die Verzweiflung und Verwirrung in mir brachte ich einfach nicht mehr unter Kontrolle, es fühlte sich an wie ein ewiges Katz- und Mausspiel welches ich als Katze definitiv verlieren werde. Jetzt erstmal musste ich wirklich eine gute Rede vorbereiten um mich zu retten vor einer längeren Strafe, noch mehr Jahre wegen versuchten Mordes brauche ich echt nicht obwohl es nicht mal einer war. Ich hab spontan gehandelt, ich hatte mich in dem Moment absolut nicht unter Kontrolle, das muss man doch verstehen wenn einem das ganze Haus über dem Kopf zusammen fällt und man gar nicht mehr weiß wohin mit sich.

Seufzend rutschte ich auf dem Bett Richtung Wand und lehnte mich dagegen um aus dem einen Fenster nach draußen sehen zu können. In der ganzen Aufregung hatte ich gar nicht gemerkt das die Sonne schon langsam unter ging. Mein Zeitgefühl hatte sich durch die ganze Aufregung pulverisiert, aber wenigstens konnte ich mich so etwas beruhigen. Die Natur ließ mich meine Gedanken ordnen und ich hatte endlich für einen Moment wieder einen klaren Gedanken den ich fassen konnte und der war ein versprechen an meinen Freund. "Ganz egal wie weit wir voneinander weg sind und wie lange es dauert, ich werde auf dich warten, das ist ein versprechen" murmelte ich leise nach draußen in den Himmel und spürte wie wenigstens meine Worte durch die Freiheit fliegen konnten zu meinem Ein- und Alles, zu meiner einzigen Stütze, meinem einzigen Vertrauten der mir noch übrig blieb nachdem ich alle anderen verloren habe. Es tut gut zu wissen das da jemand ist, irgendwo draußen unter dem selben Himmel wie ich, wenn er auch nach draußen sieht sehen wir wenigstens das gleiche blau, egal ob hell oder dunkel, mit Sternen oder ohne, wir sehen dasselbe.

Ein leichtes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich verlor mich in den endlosen Farben der langsam unter gehenden Sonne, was ein wunderschöner Anblick.

Ripped OutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt