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...bevor wir still unsere Arbeit beendeten.

Den restlichen Nachmittag begaben wir uns zurück nach oben in unsere vier Wände. Dort betrachtete ich erneut Jins beeindruckende Sammlung an Erinnerungen "Durftest du all das mit nehmen was hier steht?" fragte ich neugierig ohne meine Augen von den Bildern abzuwenden. Eines faszinierte mich besonders, darauf war eine Landschaft abgebildet die ich noch nie gesehen hatte, er scheint ein Freund des Auslands zu sein. "Nein, paar Sachen wir die Bilder von den Landschaften habe ich mir gekauft. Den Rest habe ich mir von Angehörigen zu schicken lassen" antwortete er und setzte sich neben mich auf sein Bett um meine Blicke zu verfolgen.

Ich dachte in dem Moment nur an meine Familie und die Bilder die wir zu Hause stehen hatten. Auch eines von meiner Mutter und von meinem Vater als er noch lebte, es schmerzt immer noch daran zu denken, aber ich konnte die Bilder nicht her holen, das würde Mama niemals machen nachdem sie so plötzlich die Flucht ergriffen hatte als sie mich besuchte und ich ihr die Umstände nur Erklären wollte. "Meine Familie..." murmelte ich tief in Gedanken. Innerlich hatte ich das Gefühl das Tzuyu mich vielleicht nochmal besuchen kommt, wenigstens um mir zu sagen ob es Mama gut geht, ob sie klar kommt, ob sie viel weint wegen mir.

Ich hatte niemals vor ihre Herzen so zu brechen, aber wer gewinnen will muss auch Opfer bringen. Ich kann es nicht allen in meiner Umgebung recht machen, aber trotzdem fühle ich mich schuldig im Sinne der Anklage und es war zum verzweifeln, manchmal will ich mich selber dafür schlagen. "Jimin? Alles gut? Denkst du an deine Familie? Hast das eben vor sich hin gemurmelt" brachte mich Jin wieder zurück in die Realität und ich senkte den Blick. "Ja, ich denke schon. Wer denkt bitte nicht an seine Familie? Ich hoffe das wird besser mit den nächsten Jahren die ich hier bin" teilte ich ihm meine Hoffnung mit und spürte eine Hand an meinem unteren Rücken "Keine Sorge, wird es, lass dich nur nicht so von deinen Gedanken einnehmen" schlug er mir vor und nahm die Hand wieder weg.

Trüb nickte ich und fuhr mir langsam mit der Hand durch die Haare "Hast Recht, wird schon alles werden" stimmte ich ihm zu und lächelte leicht, er tat es mir gleich und ich ging zurück in meine Hälfte des Zimmers. "Wie sieht es eigentlich aus mit deiner Familie?" begann Jin ein neues Thema und ich drehte mich verwundert um "Wie meinst du das?", er setzte sich aufrecht hin "Du hast anscheinend einen tiefen Draht zu deiner Mutter, du redest nur von ihr, verstehst du dich mit deinem Vater etwa nicht?" sprach er nun ein ganz sensibles Thema und und ich setzte mich hin. "Ich sehr an meine Mutter gebunden und ich hätte sicher ein besseres Verhältnis mit meinem Vater wenn er nicht gestorben wäre" sprach ich es direkt aus und Jin fror plötzlich ein. "Entschuldigung, ich wollte das nicht so direkt ansprechen. Ich weiß wie schwer es ist jemand wichtigen zu verlieren" entschuldigte er sich sofort wieder, aber ich seufzte nur "Keine Sorge, es ist lange her, ich kann mich nicht mal mehr wirklich an ihn erinnern. Kenne ihn nur von dem Hochzeitsfoto mit meiner Mutter, mehr gibt es von ihm nicht und das hält sie auch sehr in ehren" versuchte ich meine Trauer unter Wert zu verkaufen und mein Gegenüber nickte mehrmals. "Es ist trotzdem nicht leicht. Der Tod eines Familienmitgliedes ist niemals leicht", ich hob den Kopf und schlug ein Bein über das andere "Stimmt, aber er ist jetzt an einem besseren Ort. Ist vielleicht auch der Grund warum ich nicht so viele männliche Qualitäten habe. Wenn man nur mit einer Mutter aufwächst als Junge lernt man nicht die typisch männlichen Sachen. Ist andersherum genauso, Mädchen die ihre Mütter früh verlieren und nur mit dem Vater aufwachsen lernen natürlich nicht die typischen Rollen für ihr Geschlecht. Deshalb bin ich so verwundert das du Koch bist, ist ja nicht gerade eine typische Männer Rolle" erklärte ich und er lachte kurz "Du wirst dich umsehen. Die meisten Chefköche und Konditoren sind Männer, während die Frauen nur Assistentinnen sind oder normale Köche sowie Konditoren" belehrte mich Jin eines besseren und ich neigte kurz Respektvoll den Kopf. "Das ist etwas neues für mich, aber gut zu wissen, das ist wirklich unglaublich" gab ich zu.

"Du scheinst echt sehr altmodisch erzogen wurden zu sein oder?" stellte er mir eine Frage über die ich noch nicht nachgedacht hatte. Irgendwie musste ich ihm Recht geben, denn auch wenn wir in einer modernen Welt leben hat mir meine Mutter nie so wirklich gesagt 'Liebe wen du willst' oder 'Werde was du willst' nichts, es hieß meist immer 'Wenn du gut bist wirst du Arzt, denke an deine Zukunft, Frauen mögen schlaue und gebildete Männer mit einem festen Einkommen', aber das bin ich nie geworden, ich hab ja nicht mal eine Ausbildung da ich für sie da sein wollte und musste, es ist meine Pflicht für meine Familie stehts da zu sein und meine Bedürfnisse nach hinten zu stellen. "Ja, meine Mutter hat mich nach den alten Standarts erzogen, aber das ist nicht schlimm, ich bin damit noch nie negativ aufgefallen und es hat mir nie an etwas gefehlt. Ich habe gelernt das zu schätzen was ich habe und wurde niemals gierig. Anders als mein Freund anscheinend, vielleicht sind wir deshalb füreinander bestimmt" bestätigte ich seinen Verdacht und Jin musste grinsen.

"Deshalb seid ihr füreinander bestimmt? Du bist die erste Person die ich kenne die sich freiwillig dazu entschieden hat einen Mann zu nehmen der eine kriminelle Vergangenheit hat. Das bewundere ich, es ist nicht sonderlich üblich und viele können auch dafür veurteilt werden, aber du glaubst wohl an das Gute im Menschen" lobte er meine Entscheidungen und ich nickte etwas stolz "Es war mehr oder weniger freiwillig, aber ja, ich stimme dir vollkommen zu" sagte ich grinsend und er legte den Kopf schief "Wie mehr oder weniger freiwillig?" fragte er nach und ich schluckte kurz. Sofort wurde mir bei dem Gedanken daran ganz warm "Naja..also...erstmal wusste ich am Anfang nicht das er so eine Vergangenheit hatte. Ich musste es selbst heraus finden und als das passierte..naja, hat er plötzlich angefangen sich stärker an mich anzunähern, er hat keine Gelegenheit aus gelassen mich anfassen zu können und sagte er müsste mich nun bei ihm behalten da ich seine Identität herausgefunden habe. Ich hätte ihn ja verraten können bei der Polizei und durch sein Verhalten hab ich letztendlich irgendwie gefallen daran gefunden und Gefühle entwickelt. Anfangs habe ich mich stark dagegen gewährt, aber letztendlich bin ich froh das er nicht aufgegeben hat." erzählte ich einen besonderen Teil meiner Geschichte und bei Jins Anblick musste ich kurz lachen. Fing mich aber schnell wieder auch wenn sein Gesichtsausdruck wirklich sehr lustig aussah "Wow, das habe ich wirklich noch nie gehört. Und das fandest du wirklich anziehend dieses Verhalten?" versuchte er das zu verstehen und ich nickte leicht nervös "Irgendwie schon" gab ich zu und er begann mehrmals zu blinzeln, dazu rieb er seine Handflächen paar Mal über seine Oberschenkel.

Jins Reaktion nach zu urteilen scheint es nicht üblich zu sein entweder sowas anziehend zu finden oder sich sowas überhaupt hin zu geben. Irgendwie auch verständlich, manchmal fühlte ich mich auch wie krank. Ich wusste nicht das sowas überhaupt möglich sei und wollte es auch nicht glauben, das waren die unglaublichsten Tage meines Lebens in denen ich so viel gelernt habe. Kurz gesagt bin ich sehr dankbar dafür auch wenn all das viele Opfer brachte. "Hast du irgendeine Person die dir außer deiner Mutter noch nah steht?" fragte Jin und ich hob den Kopf um mit ihm Blickkontakt aufzunehmen bevor ich nickte "Meine beste Freundin. Sie heißt Tzuyu und wir sind Sandkastenfreunde, kennen uns schon seit Ewigkeiten" beantwortete ich seine Frage "Also vermisst du wirklich mehr als nur eine Person" stellte mein Zimmer Genosse fest und ich nickte etwas betrübt "Stimmt genau, aber bei ihr ist es denke ich dasselbe wie bei meiner Mutter. Sie wird enttäuscht von mir sein, mir nicht mehr verzeihen und besuchen kommt sie mich denke auch nicht" legte ich mehr von meinen zweifeln offen.

Jin seufzte "Keine Sorge, es renkt sich alles wieder ein. Sie kommt schon wieder zur Vernunft, immerhin bist du ihr einziger Sohn", damit begann er sich anderen Sachen zu widmen wie das aufräumen seiner Zimmer Hälfte.
Er hatte Recht, trotzdem kann ich einfach nicht drüber hinweg kommen.

Ripped OutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt