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...was war hier los?

"Du scheinst ziemlich schlimm geträumt zu haben. Keine schöne erste Nacht" bemitleidete mich Jin und er hatte Recht, ich hatte wirklich einen besseren Schlaf erwartet. Na gut, zum Anfang hin war er auch noch schön. "Hätte ich mir auch besser vorgestellt" gab ich zu und drückte die Handflächen auf meine Augen um meine Gedanken zu ordnen. Von meinem Zimmergenossen kam einfach ein leichtes Lachen "Keine Sorge, das wird besser, du musst dich nur endlichen mit den Geschehnissen auseinander setzen. Du musst endlich akzeptieren wo du jetzt stehst, was alles passiert ist, du musst raus aus der vergangenen Welt und endlich anfangen in der Realen zu leben". Seine Worte ließen mein Herz für kurze Zeit erstarren "Was? Aber ich bin doch vollkommen hier, physisch und mental" protestierte ich gegen seine wahren Worte, denn wie immer konnte ich es nicht wahr haben das andere mehr über mich wussten als ich selbst.

"Nein nein, das kannst du mir doch nicht erzählen und vor allem nicht dir, das glaubst du sicher selbst nicht mal oder?" stellte er mein Gewissen in Frage und ich ermutigte mich ihn an zu sehen "Okay okay, es ist schwer aber ich geb mein bestes. Dieser Traum war jedoch ein Zeichen oder eine kurze Verbindung zwischen den Gedanken meiner liebsten Menschen und mir" gab ich meine Vermutung Preis zu dem wirr-warr welches sich in meinem Kopf momentan ab spielte. "Nein ehrlich, gedankliche Verbindung? Das glaubst du doch wohl selber nicht? Wie soll sowas denn deiner Meinung nach funktionieren?" wollte er wissen und setzte sich auf meine Bettkante, er war bereit mir zu zu hören. "Du bist nicht sonderlich Abergläubig was?", sein Gesicht verzog sich leicht, er schien zu überlegen oder er versuchte meine Aussage zu verstehen. Immerhin klang es als ob ich jeden Mist glauben würde, aber so ist es nicht, eigentlich bin ich ziemlich schwer zu überzeugen was 'Übernatürliche Ereignisse' angeht. "Nicht unbedingt nein. Meine Eltern sind zwar christlichen Glaubens, aber davon ist nichts auf mich über gesprungen. Ich bin ein Atheist, nicht mal die Rede von einem 'Schicksal' was unser Leben bestimmt kann mich begeistern". Ein leises seufzen schlich sich über meine Lippen "Warum willst du es dann wissen?", er zog die Schultern kurz nach oben "Es ist halt eibfach so. Die Worte im Traum kamen mir vor wie eine zweite Realität. Eine Nachricht aus einer anderen Welt, eine andere Dimension. Man spürt selber einfach das es kein Hirngespinst sein kann, verstehst du?" meine Mühen ihm das unbeschreibliche Gefühl zu erklären waren vergeblich. So sehr er sich anstrengte mich verstehen zu können, war es ihm nicht gestattet mein Leid zu teilen. "Nein, tut mir Leid", meine Augen suchten nach seiner Entschuldigung einen neuen Anhaltspunkt. Ich musste meine Gedanken sammeln, an mehr als die unterschiedlichen Stimmen kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war auch nicht wirklich wie eine Erinnerung, eher wie ein Geschehnis das sich in meinen Kopf eingebrannt hat, aber zu dem ich keine Verbindung aufbauen konnte. "Schon okay. Ich möchte auch nicht weiter drüber nachdenken, das bringt nichts" teilte ich ihm meine Entscheidung mit.

Stille besetzte den Raum, aber nicht sonderlich lange "Oh man, schon so spät! Komm Jimin, wir müssen in die Küche, in zwei Stunden gibt es Frühstück" forderte er mich auf mit deutlicher und lauter Stimme die ebenso leicht hektisch klang. Mein Blick flog aus dem Vergitterten Fenster, draußen herrschte noch vollständige Dunkelheit, wir waren ziemlich früh dran, aber ich hatte keine Zeit mehr auf die Uhr zu gucken, denn mein Zimmergnosse scheuchte mich ins Badezimmer. Dort schrubbte ich mir schnell halb das Zeinfleisch weg und spuckte sogar ein Zahnpasta-Blut Gesuch in das Waschbecken, Eckelhaft. Draußen drängelte der Ältere weiter und ich bequemte mich aus der kurzen Privatsphäre zurück in das große Zimmer.
Jin hatte mir bereits Klamotten von ihm hin gelegt, ich hatte ja noch keine eigenen. Eine leichte Skepsis machte sich auf meinem Gesicht breit als ich die Kleidungsstücke genaustens studierte. Währenddessen hörte man ein komisches Geräusch was von unserer Zellentür kam, jemand schien uns bereits aufzuschließen. "Komm Jimin, zieh dich an, nicht so verloren gegen die Tür gucken. Wir haben einen früh aufsteh Bonus, also nicht wundern, das geht jeden Morgen so" erklärte er mir die noch Unbekannte Situation und ich zog mit einem Ruck mein Shirt über den Kopf und schmiss es einfach wild auf mein ebenso wildes Bett. Ordnung war noch nie mein Ding.

Zusammen tanzten wir durch die Gänge zum Treppenhaus. Schnell tippelten wir die Stufen herunter in das gewöhnte moderne Keller/Heizungsgewölbe. Jin Schritt vor mir her und schaltete in der Küche angekommen zuerst das Licht ein, meine Augen brauchten einen Moment damit sie sich an das hellere Licht gewöhnen konnten. "Jiminie, du bereitest die kleinen Schnitten für das Bankett vor. Ich kümmere mich um alles weitere, aber damit bist du gut beschäftigt und du musst mit zählen. Ich mache immer von je 4 verschiedenen Belagmöglichkeiten 30 Stück, nicht mehr und nicht weniger, auf gehts" wies mich der schwarzhaarige kurz ein und ich machte mich sofort daran seine Vorstellungen in den Plan umzusetzen.
Wirklich konzentrieren konnte ich mich jedoch nicht. Meine Gedanken fuhren Karussell in meinem Kopf, immer wieder ploppte der Traum vor meinem geistigen Auge auf, immer wieder kamen verschiedene Szenarien in meine Vorstellungen, denn meine graue Masse versuchte einen Zusammenhang zu den eingebrannt Worten herzustellen. "Erde an Jimin" durchdrang eine laute Stimme meinen Gedanken Kloß und ich schüttelte den Kopf um anschließend mit großen Augen zu meinem Chef zu sehen "hmh?" unterstrich ich meine Verwirrung, aber er strich sich einfach mit dem Daumen und Zeigefinger über die Stirn "Du hast nicht zugehört kann das sein?". Auf frischer Tat ertappt, geschlagen sah ich kurz auf den Boden. Die Fliesen hatten sich an vielen Stellen schon auf Grund ihres Alters gelblich verfärbt. "Nein, tut mir Leid" schnell atmete ich durch und nahm meine Gedanken zusammen um mich vollkommen auf Jin konzentrieren zu können "Wiederholst du es nochmal?" bat ich ihn "Wenn du versprichst gedanklich nun am Ball zu bleiben?" stellte er diese eine Bedingung auf und stemmte kurz beide Hände in die Hüften um zu symbolisieren wie Ernst es ihm war in seinem Hobby-Zimmer. "Ja, versprochen, ich bin jetzt komplett da" stimmte ich seiner Bitte zu und er nickte "Gut, also, wie gesagt, 4 Sorten, je 30 Schnittchen. Ich geb dir gleich die 4 verschiedenen Beläge und zeige dir beim ersten Mal wie du es machst, dann musst du alleine klar kommen. Aber das ist wirklich keine Wissenschaft, das hast du sicher schnell drauf" wiederholte Jin seine vorhin genannten Worte und ich nickte.

Wir stellten uns an eine der Arbeitsplatten und er holte aus einem der 2 Meter hohen Kühlschränke bestimmte Sorten Käse, Wurst und Aufstrich raus. Diese stellte er geordnet zu mir, als nächstes schaffte er Salat, Butter und noch einigen Schnick-Schnack an den ich nicht mal kannte so selten wie ich mich in Küchen aufhielt.
Mittlerweile bereu ich die Tatsache meiner Mutter nicht beim Essen machen geholfen oder wenigstens zu gesehen zu haben, da hätte ich wirklich etwas lernen können. Mit Yoongi zusammen zu leben war schon von Anfang an etwas anderes, denn er beherrschte die Kunst des Kochens enorm gut, ich wette Jin wäre von den Socken wenn er von seinen Qualitäten erfahren würde. Mit Sicherheit kann ich nun nach den drei Jahren auch das ein oder andere Mal übernehmen, wir sollten uns das einteilen, ich möchte ihm nicht wieder alles aufladen. Meiner Meinung nach hat er auch mal eine Pause verdient, ich muss ihn mal so richtig verwöhnen, genauso wie er es verdient.

Die zweite Schnitte übernahm ich nun selbst, und zwar genau nach den Schritten die Jin machte. Groß abzuweichen würde ich mir noch nicht trauen und ich musste auch erstmal meine Schnitt Qualitäten verbessern. Wenn ich auf Jins Hände sehe bin ich immer wieder erstaunt wie leichtfertig er mit den Geräten und Messern umgeht, als wäre all das sein Leben und dann komm ich. Eine Schnecke vom Herrn, obwohl ich denke das selbst eine Schnecke mehr Talent dazu hätte als ich, also so viel ist schonmal sicher.
Bemühen tat ich mich dennoch um Jin eine gute Hilfe zu sein. Es war eine schöne Abwechslung endlich wieder etwas zu tun zu haben, umso sicherer bin ich mir das ich heute Abend tot ins Bett Falle. Ach ja, mein Bett, darauf freute ich mich jetzt schon wieder am meisten, es gab doch keine besseren Ort als diesen, vor allem wenn man ihn mit der Person seines Lebens teilen kann.

Ach ja, was würde ich nicht alles tun um nochmal sein Lächeln sehen zu können oder seine leeren Augen mit diesem kleinen Fernen Licht an Hoffnung welches irgendwo in der dunkel braunen Tiefe schlummerte und nur zum Vorschein kam wenn seine Augen meine trafen. Welch eine grauenhafte Sehnsucht ich doch hegte, wenn es einen Gott gibt, lass ihn das schnell beenden.

Ripped OutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt