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...lass ihn das schnell beenden.

Jedes Mal fing ich von neuen an die ganzen kleinen Schnittchen zu zählen. Die Arbeit machte mich müde, ungemein müde, jede Sekunde verschwamm mein Arbeitsfeld vor mir und dann passierte es. Ein stehender Schmerz zog durch meinen Zeigefinger und ich ließ schlagartig das Messer fallen welches klirrend auf den Fliesen landete.
Blut lief meinen Finger herunter und an der Messerschneide klebte auch welches. Ebenso trafen ein paar Tropfen den weißen Boden "Jimin!" rief Jin und kam zu mir gerannt. Sofort nahm er meine Hand und betrachtete die Wunde die sich seitlich über meinen ganzen Finger zog. Ständig quoll mehr Blut raus sobald ein Tropfen auf die Arbeitsplatte gefallen war. "Das ist eine ziemlich tiefe Wunde" stellte er fest und ich hob den Kopf um ihm ins Gesicht sehen zu können, er ließ auch die Augen ab von meinem Finger "Ist halb so wild, ehrlich, das geht schon so" handelte ich die Sache runter, aber Jin stempelte es nicht als 'okay' ab "Nein, das muss behandelt werden, komm mit" beschloss er und zog mich an der Hand hinter ihm her zu einem Verbandskasten der an einer Stützsäule für die Decke hing. "Wirklich Jin, das passt schon, gib mir einfach ein Pflaster und ich klatsch das da irgendwie drauf", "Erste Hilfe scheint nie dein Fachgebiet gewesen zu sein. Ich desinfiziere die Wunde, wisch das Blut ab und dann bekommst du ein Pflaster. Da darf auf keinen Fall schmutz rein kommen, sowas kann zu einer Blutvergiftung auch Sepsis genannt führen" unterrichtete er mich gleich in Heilmittelkunde und Folgen von ungereigneten Wunden. "Sicher das du nicht mal Arzt warst?" scherzte ich amüsiert und beobachtete wie er die wichtigen Utensilien bereit stellte ohne meine Hand auch nur einmal los zu lassen. "Sicher, ich hab einfach einiges gelernt durch meine Kochausbildung, da passieren gerne mal blutige Unfälle" erzählte er und ich beobachtete wie seine zarten, aber männlichen Finger über meine kleinere Hand fuhren.

"Das klingt sehr beruhigend.." der Sarkasmus in meiner Stimme war deutlich zu hören, damit zog ich Jins Blick auf mich "Also nicht oft, sowas passiert eben, jeder Beruf ist mit Risiken behaftet" erläuterte er mir seine Aussage genauer und nun ging mir ein Licht auf welches eigentlich schon viel früher hätte aufgehen müssen. Immerhin weiß eigentlich jedes Kind das Berufe gefährlich sein können, außer ich, mit sowas konnte ich mich nie auseinander setzen.

Jin fuhr mit seiner Arbeit fort, desinfizierte die Wunde, wischte das Blut von meiner Haut ab und Band ein Pflaster um den betroffenen Finger. "Fertig", ich prüfte die Beweglichkeit meines Fingers und senkte dann die Hand "Danke dir, ohne dich wäre ich sicher gestorben" scherzte ich leicht lachend während mein Chef das Zeug wieder an Ort und Stelle packte damit es für den nächsten Notfall griffbereit war.

"Immer gerne, aber lass uns erstmal das restliche Blut entfernen, dann können wir weiter arbeiten bis zum geplanten Frühstück" erklärte er die weiteren Schritte und ich nickte bestätigend. Meine Wunde hat uns zeitlich ziemlich weit nach hinten geworfen, aber wir konnten es dennoch rechtzeitig schaffen, dem war ich mir sicher.
Wie geplant wurde das Essen zur geplanten Zeit fertig und wir hatten sogar noch etwas Luft um das Mittagessen vorzubereiten. An diesem einen Tag brachte Jin mir so viel bei und half mir so enorm gut das ich mich nicht mehr vollständig wie ein verlorener Anfänger fühlte.
5 Minuten vor dem gemeinsamen Frühstück füllte sich die Mensa langsam. Ich stand im Türrahmen und beobachtete die einzelnen Männer wo ich mich bei manchen fragte was sie getan hatten um hier zu landen. Mein Zimmergenosse stellte sich neben mich "Hast du gut gemacht heute, dein Geld hast du dir mehr als verdient" lobte er meine Arbeit und ich drehte den Blick zu ihm "Aber noch haben wir eine Menge zu tun, Mittag ist halb eins, das bedeutet wir haben nur 3 Stunden Pause bis zum nächsten Einsatz hier unten" erklärte ich, aber er verschränkte die Arme vor der Brust "Vielleicht merkst du es nicht, aber du bist ziemlich strapazierfähig, das sind nicht viele angehende Köche. Die meisten brechen unter dem Druck zusammen oder sind schon am Anfang enorm gestresst" begründete er schließlich seine Aussage und ich wendete den Blick wieder ab um die Menschen weiter zu beobachten. "Freut mich echt zu hören, aber lass uns auch endlich Platz nehmen. Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich habe Hunger", der Thema Wechsel kam gut an. Er nickte und wir beide suchten uns einen Platz unter den anderen Häftlingen.

Später stieß noch T zu uns und fragte mir Löcher in den Bauch wegen dem Tattoo.
Wir hatten eine Menge Spaß am Tisch und ließens uns Zeit, erst um 9 Uhr packten auch wir unsere 7 Sachen und zogen uns auf die Zimmer zurück wovon meine Hälfte noch traurig leer und kahl aussah. Gefallen tat es mir nicht, aber ich brauchte einige Zeit um alles so einrichten zu können wie es mir lieb war.

Plötzlich besuchte uns ein Wärter "Guten Morgen die Herren" begrüßte er uns und wir neigten gleichzeitig die Köpfe "Guten Morgen, was führt sie her?" fragte Jin, ich wollte mich gerade setzen als seine Worte mich davon abhielten "Ich bin wegen Herr Park hier". Nun sperrte ich die Lauscher weiter auf und beendete mein Vorhaben "Wieso wegen mir?" wollte ich neugierig und leicht besorgt wissen. "Eine Frau ist gekommen, sie möchte sie besuchen. Ihr Name ist Tzuyu und sie sagt sie sei ihre beste Freundin" überbrachte er mir die guten Neuheiten die mich aufatmen ließen. "Ein Glück..es geht ihr gut, die scheint wieder genesen zu sein" dachte ich laut und hielt mir die Hand aufs Herz.
Zu der unbändigen Freude mischte sich auch eine Gewisse Sorge, ich hatte keine Ahnung wie sie reagiert, was sie alles nach dem Besuch meiner Mutter erfahren hat oder ob sie überhaupt hier ist um freiwillig mit mir zu reden. Ich wusste jedoch das wir mussten, es gab viele Missverständnisse zu klären, diese wollte ich nicht ejbfach ungelöst im Raum stehen lassen.

"Das sind doch super Neuigkeiten" sprach mir Jin gut zu und lächelte mir breit zu, aber der Mann räusperte sich "Ich möchte sie nur ungern unterbrechen, aber sie müssen mir sagen ob sie die junge Frau in Empfang nehmen wollen oder nicht", damit stellte er mir eine leicht zu beantwortente Frage "Natürlich möchte ich sie sehen, das ist meine oberste Priorität" sagte ich entschlossen und er nickte.
Jin wünschte mir noch viel Glück bevor ich mit dem blonden Wächter zusammen das Zimmer verließ und er mich zur Besucherzelle begleitete.

Mein Herz sprang bis zum Mond. Ich war nur selten in meinem Leben so enorm nervös es machte mich nahezu verrückt. Mein Gehirn zeigte mir mit vollem Vergnügen alle möglichen Szenarien die sich abspielen könnten und das machte die ganze Situation nicht unbedingt entspannter oder besser. Insgeheim blieb mir nichts anderes übrig als zu hoffen, auf unsere Freundschaft zu setzen das sie der Grund war das mir Tzuyu verzeihen konnte, ansonsten muss ich nach meiner Entlassung auswandern und ein komplett neues Leben anfangen ohne meine Familie jemals wieder sehen zu können. Ich hab nun schon meinen Vater verloren, jetzt sollte ich auch noch alle anderen verlieren die ich liebte? Nein, niemals, ich bitte das Schicksal um erbarmen. Es kann mir zum Ausgleich gerne eine tödliche Krankheit geben, aber ich möchte auf keinen Fall als Enttäuschung meiner Familie enden, das war nicht meine Bestimmung.

Mit verkrampften Fingern lief ich im Schatten des Mannes vor mir her und bete zu dem Gott an den ich vorher nie glaubte. Unmöglich das er meine Gebete plötzlich er hören wird, dafür hab ich nicht lang genug an seine Existenz geglaubt, keine Ahnung ob ich das jetzt tue oder einfach nur aus Hoffnung bete.
Mein größter Wunsch war es das sich alles normalisiert und dafür sorge ich auch.

Ripped OutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt