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...und schon hatte ich Motivation das auch zu lernen und zu können.

"Was hat dich denn aufgehalten? Waren 10 Minuten nicht lange genug oder hast du dich zu oft verlaufen?" scherzte Jin der mir Gegenüber saß fast wie in der Cafeteria einer Schule, nur mit erwachsenen Männern. Kurz lächelnd schüttelte ich den Kopf und betrachtete das super lecker aussehende Stück Kuchen auf meinem Teller. Da lief mir gleich das Wasser im Mund zusammen, es war schon lange her das ich etwas normales zu Essen hatte "Nein, so ist das gar nicht. Ich bin vor der Treppe mit Taeyong zusammen gestoßen, da musste ich ihm noch aufräumen helfen da ein paar Farben die er mit hatte runter gefallen und kaputt gegangen sind. Außerdem haben wir uns etwas verquatscht" erklärte ich die Situation genau und sah dem schwarzhaarigen ins Gesicht "Er hat dein Tattoo gemacht, wirklich ein sehr talentierter Mensch" komplimentierte ich ihn noch insgeheim und Jin lächelte breit. "Und lass mich raten, jetzt willst du auch eins nachdem du seine Arme gesehen hast oder?" fragte er provokant und zog die Augenbrauen amüsiert ein Stück nach oben, aber ich schüttelte nur hastig den Kopf "Niemals, meine Mutter würde mich umbringen" schob ich sie als Grund mein Nein vor.

Jin musterte mich leicht seufzend. Genauso wie ich es tat, mein Ton klang dazu noch leicht enttäuscht. Ich hätte sicher gerne eins, aber ich wüsste nicht mal welches Motiv, ach egal, ich lass es einfach, ansonsten verbannt und enterbt mich Mama gleich. "Jimin-ah, guck dich um wo du dich befindest" begann der schwarzhaarige plötzlich und ich wagte paar Blicke nach links und rechts zu den anderen Insassen die genüsslich aßen und redeten "Du bist im Gefängnis okay? Deine Mutter ist mindestens genauso enttäuscht von dir wie die Familien von den anderen und meine. Was hast du denn noch zu verlieren? Dein Ansehen zu Hause? Deine Ehre in der Familie? Also du kannst das vertrauen gerne wieder versuchen aufzubauen, aber es wird niemals wieder so sein wie früher, da kannst du dir sicher sein. Also ist es auch egal was du hier machst, schlimmer kann es nicht kommen" knallte Jin die harte Wahrheit auf den Tisch und biss mir auf die Unterlippe.

Er hatte Recht, natürlich, aber ich bin noch so fixiert darauf es meiner Mutter in allen Maßen recht zu machen, obwohl ich mich meinem Aufenthalt hier schon alles zerstört habe. "Außerdem bist du wie alt?" fragte er plötzlich und ich hob perplex den Kopf. Für ein paar Sekunden hatte ich mein Alter schon vergessen gehabt "Ehm..21" antwortete ich kurz und er setzte sich aufrecht hin "Siehst du? Du kannst tun und lassen was du willst, du bist über 18 Jahre und wenn das dein Wille ist dann trau dich! Verlass deine Komfort-Zone einmal" ermutigte mich Jin und ich kratzte kurz mit dem Zeigefinger an meiner Schlefe herum.

"Außerdem helfen dir Tattoos auch bei der seelischen Heilung. Wenn du dir zu 100% sicher bist was du haben willst spürst du es auch, dann bringt es dir Zufriedenheit, es ist als würde man ein Kapitelende auf der Haut verewigen. Nimm Abschied von dem was passiert ist und konzentriere dich ausschließlich auf die Zukunft" flüsterte der schwarzhaarige mir zu und ich versank zurück in meinen Gedanken in welche ich mich immer zurück zog um mich von mir selbst beraten zu lassen. Bessere Beratung kann ich mir eben nicht leisten.

Die Vergangenheit zurück lassen...Alles spielte sich nochmal in meinem Kopf ab. Die Flucht, meine ersten Ereignisse mit Yoongi im Wald, das Kennenlernen mit Tae und Kookie, die Wanderung nach Jilin, das eher unangenehme Ereignis zwischen Kookie und mir, die Ankunft in Jilin, das Umstyling mit Shiro und Soia, das Arbeiten in der Bar, wie ich Joonie kennengelernt habe, wie wir 6 Monate untertauchen konnten, mein Fehler mit Hoseoks Schwester, der Verrat, Handschellen, Gitterstäbe überall, das Urteil beim Gericht, der kurze Moment mit meinem Freund und schließlich wie ich hier landete. Am 12.12 um 15:38 Uhr, in einem lockeren Gefängnis außerhalb von Seoul in einer gefühlt ausgestorbenen Umgebung mit nichts anderem als Wäldern, Feldern und Wiesen.

In der Tat hatte ich viel Gutes und Böses erlebt und wie Jin schon indirekt sagte hing ich noch viel zu sehr and dem was passiert war. Ich sollte einen Schlussstrich ziehen, irgendwas sollte all das ein für alle mal beenden. Ich will mich lösen, abschneiden von der Vergangenheit, endlich frei sein mit einem guten Gewissen und offenen Herzen für das was noch passieren wird, ich will mich nicht belagern und herunter ziehen lassen für Sachen die ich nicht mehr Rückgängig machen kann, egal wie sehr ich mich dafür hasse sie getan zu haben. Ich muss mir selber Verzeihen und was könnte einen Schlussstrich eher Symbolisieren als das Wort 'Egal'? Mir wird all das Egal was passiert ist, vollkommen egal, Nervermind eben.

Genau, das ist es, Nevermind..das wäre doch unter Umständen etwas was meine Seele reinigen könnte und ich fühle mich auch gut mit dem Gedanken an das Wort. Der erste der Nachgiebt, aber der letzte der Aufgibt, passt doch irgendwie zu mir oder? Immerhin bewege ich mich gerne in die Höhle des Löwen um zu scheitern. Scheitern, verlieren, all das sind Dinge die ich besonders gut kann, ich hab noch nie das positive in mir Gesehen, immer nur die negativen Seiten und Eigenschaften, vielleicht sollte mir das auch endlich mal egal werden.

"Jimin? Hey, bist du noch anwesend?" brachte mich die Stimme von Jin wieder zurück in die Realität und ich schüttelte den Kopf "Hmh? Was?", er begann zu lachen "Du kannst deine Vergangenheit wohl immer noch nicht loslassen was? Aber das kann ich verstehen, es hat mich auch viel Zeit gekostet und Überwindung sowie Selbstvertrauen. Das schaffst du, immerhin bist du jetzt nicht mehr alleine", mein gedanklicher Wille eins zu haben nahm zu. "Du hast Recht Jin, ich hab keine Lust mehr in diesem ewigen Kreislauf fest zu hängen von Reue und Selbstzweifel. Es wird Zeit das ich wieder Meister über mich selbst werde und einen klaren Kopf bekomme. Außerdem kam mir da schon so eine Idee in den Sinn zum Thema Tattoo" erzählte ich ihm und meine Augen schienen kurz einen hellen Schimmer zu bekommen, denn mein Gegenüber sah mich verwundert und neugierig an. "Hört sich gut an, ich mag deine Einstellung an der ich natürlich zum Großteil beteiligt bin" komplimentierte er sich gleich selbst und hob arrogant den Kopf, ich musste lachen "Natürlich, ich schreib am besten noch drunter 'Inspired by Kim Seokjin'" sagte ich spielerisch und er musste ebenfalls lachen.

"Aber, ich begleite dich ja?" sagte Jin plötzlich und ich sah ihn mit großen Augen an "Echt?" wollte ich nochmal sicher gehen ob er es auch Ernst meinte und er nickte "Natürlich, bei sowas bin ich gerne dabei und außerdem muss man seinen Kumpel doch unterstützen" sagte er zwinkernd und ich lächelte mit meinem berühmten Eye-Smile "Danke Jin, das freut mich echt zu hören", er gab mir einen Daumen nach oben "Kannst auf mich zählen" versicherte er mir und ich wusste mein Glück gar nicht zu schätzen bis eben. Erneut habe ich es geschafft eine gute Freundschaft aufzubauen und in den nächsten Jahren werden wir uns sicher mehr als perfekt verstehen, ich sehe es schon kommen und ich freue mich darauf.

Endlich konnte ich auch anfangen zu Essen. Eine halbe Stunde später machten sich Jin und ich daran das ganze Geschirr abzuwaschen und die Küche noch auf Vordermann zu bringen damit wir zum Abendessen dann nur halb so viel Stress hatten. Gerade als wir über dem Räumen waren kam jemand in die Küche den ich vorhin schonmal gesehen hatte, es war der Betreuer der mich in Empfang nahm und herum führte. "Jimin? Kommst du kurz her?" verlangte er und ich legte das Küchentuch zur Seite um ihm in die Ecke der Küche zu folgen. "Und? Wie sind deine ersten Stunden hier verlaufen?" erkundigte er sich "Super, danke, bis jetzt ist es gar nicht so schlimm wie ich dachte" gab ich zu und er lächelte "Immer wieder gut zu hören, aber ich hab da eine andere Sache die ich besprechen wollte. Wir müssen täglich ein Bericht über die Entwicklung der Insassen dem Gericht zukommen lassen also wunder dich nicht wenn du von ein paar Betreuern mal verfolgt oder befragt wirst zu bestimmten Sachen, es kommt dir nichts zu Schaden, also keine Sorge" informierte er mich und ich nickte langsam.

"Klar, ist doch keine große Sache, ich stelle mich darauf ein, danke" bestätigte ich und er nickte "Dann halte ich euch mal nicht weiter auf und wünsche jetzt schonmal eine angenehme erste Nacht", ohne groß auf mein danke zu warten verschwand er wieder in dem Kellerartigen Gang. Ich stieß zurück zu Jin welcher gerade noch die Hände komplett im Spülbecken hatte und sich schon wieder einiges Geschirr angesammelte hatte welches ich abtrocknen muss. "Was wollte er denn?" fragte Jin sofort und ich machte mich zurück an die Arbeit "Mich nur informieren wegen dem Protokoll Dings was sie täglich ans Gericht geben mussten wegen Führung der Insassen und so, ich denke das kennst du schon" erklärte ich und er nickte "Ohja, manchmal fühlt man sich echt verfolgt von einigen Betreuern, aber man gewöhnt sich dran" sprach er mir gut zu und ich schenkte ihm gedanklich meinen Glauben bevor wir still unsere Arbeit beendeten.

Ripped OutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt