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...wieso nicht einfach geradeaus?

Ungeduldig tippte ich mit meinem Zeigefinger auf dem Geländer der Treppe herum und wartete auf eine Antwort. Mit jeder Sekunde die er mich warten ließ spannte es den Faden meiner Nerven immer mehr, damit stand er kurz vorm Zerreißen.

"Damals, vor 12 Jahren hab ich ein neues Leben begonnen-".
"Hör auf erneut davon zu erzählen!" platzte meine Geduld und ich schrie wortwörtlich die Stufen vor mir an. Meine Finger verkrampften sich und ich zog die Schultern kurz zu weit nach oben wie es ging bevor ich mich wieder beruhigen konnte und dann nach vorne sah auf den halb im dunkeln liegenden Flur.
Da oben gab es keine Fenster, deshalb war es ein stätig dunkler Raum in den ich mich jetzt liebend gerne zurückziehen würde.
"Hör mir doch bitte einfach zu!" rief mein Vater plötzlich zurück in dem selben Tonfall wie ich ihn eben zum Schweigen gebracht hatte.
Das ließ mich den Kopf heben und ich weitete kurz die Augen ohne zu bemerken das zwei Tränen links und rechts über meine Wangen nach unten liefen.

"Um ein neues Leben zu beginnen habe ich studiert und zwar Jura. Ich bin Anwalt und habe mir in Seoul ein neues Leben aufgebaut. Vor 4 einhalb Jahren dann erfuhr ich das du in Schwierigkeiten steckst, da begannen die ganzen Artikel über euch und ich hab alles erfahren.
Als sie dich und ihn hatten gab es für mich einen neuen Fall, Yoongi wurde unter meine Fittige gesetzt und ich führte seine Verurteilung durch-".
"Und..." begann ich und drehte mich langsam um "Was hat das mit mir zu tun?" Zwang ich ihn unterschwellig dazu zum Punkt zu kommen, also senkte er etwas den Blick "Ich wusste ungefähr anhand der Taten wie lange du bekommst. Ich hab seine Strafe an deine angepasst und damit fast meinen Job verloren, er ist draußen. Gestern war seine Entlassung...ich hab es für dich getan, weil ich dich Liebe und er alles für dich ist" erklärte er mir den Punkt und ich wusste nicht was ich sagen sollte.
Mir fehlte die Luft zum Atmen, es fühlte sich an als ob ich ersticken würde und musste sofort hier weg. Ich brauchte meine Ruhe, unverzüglich also nahm ich die Beine in die Hand und stolperte die letzten Stufen nach oben, ging in mein Zimmer und schlug hinter mir die Tür zu.

Sofort stürzte ich zum Fenster und stützte meine Hände auf dem Fensterbrett ab um nach draußen sehen zu können in die dünn besiedelteten Straßen vom Außenring meiner Heimatstadt.
Meine Gedanken sprangen wild von einer Ecke in meinem Kopf in die andere, ich wusste nicht was passiert. Mein Herz hämmerte in der Brust und ich konnte nicht unterscheiden ob es die Anstrengung vom Sprint hier hoch war oder die Tatsache das Yoongi frei war und hier sein könnte, vielleicht haben mir die anderen deshalb so viel vor gemacht und vielleicht hat mein Vater mir das deshalb auch erzählt.
"Das kann doch nicht stimmen oder? Wieso sollte er sich so um mich Sorgen?" murmelte ich zu mir selbst um alles zu begreifen, aber das einzige was sich im Moment Real an fühlte waren die Kopfschmerzen die sich langsam bemerkbar machten.
Mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger begann ich die Stelle an meiner Stirn zu massieren. Irgendwo hab ich mal gelesen dass das helfen soll, jedoch fühlte es sich eher wie Verzweiflung an als alles andere.

Draußen war der Himmel blau, keine einzige Wolke trieb sich am Horizont herum und die Sonne warf ihre warmen Strahlen auf unsere Erde und auch auf mein Gesicht.
Zu dieser Zeit hatte ich meist für zwei Stunden die Sonne in meinem Zimmer und besonders jetzt badete ich mich in ihrem warmen Licht welches die dunklen Gedanken, Sorgen und Gefühle in meinem Inneren vertrieben. Zumindest für den kurzen Moment.
Die Stille in meinem Zimmer fühlte sich an wie Musik in meinen Ohren und ließ das alles erstmal sacken, für den Rest des Tages brauchten die anderen nicht mehr mit mir zu rechnen, so viel steht fest.
Nach ein paar Minuten Entspannung klopfte es an meine Tür und sofort besetzten mich die negativen Gedanken wieder "Geh weg! Ich will alleine sein!" rief ich um die unbekannte Person hinter meiner Tür gleich wieder zu vertreiben, aber mein sechster Sinn teilte mir mit das die Person nicht daran dachte zu gehen. "Ich weiß das du noch da bist! Ich will jetzt nicht reden.." wiederholte ich meine Bitte, aber die Türklinke meldete sich zu Wort und mit einem leisen knarren ging die Tür auf.
Ein kühler Windstoß kam bei mir an, aber trotzdem drehte ich mich nicht um.

Ripped OutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt