Eragon Buch 7 - Im Wandel der Zeiten

Taufe

Marlena trat nach ihrem Gespräch mit Keanai in dem Teil der Höhle ein, den Lenjara ihr zuhause nannte. Der junge Bewohner des Nordens hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen und wollte bereits einige Dinge zurecht legen, die der bei seiner baldigen Abreise mitnehmen wollte.
Da der Termin seiner Abreise noch nicht feststand ließ der Gedanke Marlena nicht los, dass Keanais nur ein erneutes aufeinandertreffen mit Narna vermeiden wollte. Allerdings konnte sie dies dem anderen Reiter nun wirklich nicht zum Vorwurf machen.
Marlena brauchte nicht lange um Svenaja und ihre Angehörigen zu entdecken. Die neue erwählten Drachenreiterin stand mit ihrer Großmutter, ihren Eltern und Ajescha am Höhleneingang vor dem sich Dorn, Lenjara und Alonvy niedergelassen hatten. Unter den gütigen Blicken der ausgewachsenen Drachen tollten Irucan und Svenajas noch namenloses Drachenmädchen über die Wiese.
Nun der die Anspannung aus der Situation gewichen war nahm sich Marlena zum ersten Mal die Zeit um den jungen Sculblaka genau in Augenschein zu nehmen. Die horizontal verlaufende Wirbelsäule hatte bereits das Geschlecht des Schlüpflings preisgegeben. Ein Weibchen.
Die Schuppen der kleinen Drachendame streiten im Sonnenlicht feinstes Weißgold. Einen scharfen Kontrast dazu bildeten die glänzenden, schwarzen Hörner die sich bereits bei dem jungen Drachenfräulein deutlich ankündigten.
Zweifellos, so vermutete Marlena, war die Welt um eine äußerst elegante Drachendame reicher.
"Marlena!"
Der einladende Ruf stammte von Svenaja. Die junge Frau hatte die andere Reiterin im Schatten der Höhle entdeckt und winkte sie zur Gruppe heran. Gerne trat Marlena in den Kreis derer, die das ausgelassene Spiel der beiden Drachenkinder verfolgten.
Als die junge Halbling direkt neben Svenaja trat legte ihr diese die Hand auf die Schulter.
"Ich hoffe du bist mir nicht böse. Ich denke einfach nur, dass Keanais Vorschlag wirklich eine gute Lösung ist. Das tut mir aber leid, dass ihr euch jetzt erst einmal trennen müsst."
Marlena schüttelte beschwichtigend den Kopf.
"Das ist schon in Ordnung. Selbst wenn er bleiben würde könnten wir nicht einfach dort weitermachen wo wir aufgehört haben. Etwas Zeit und Abstand wird uns beiden gut tun und dann werden wir sehen was das Schicksal für Pläne hat."
Svenaja antwortete nicht sondern lächelte nur und nickte.
"In jedem Fall sind wir euch nun doppelt dankbar, dass ihr darauf bestanden habt, dass unsere Tochter an der Prüfung teilnehmen darf." Äußerte sich Svenajas Vater Larsan.
"Allerdings." Bestätigte Klein seine Partnerin Svana.
"Dann wirst du mich jetzt wohl gemeinsam mit deiner Drachendame ausbilden." vermutete Svenaja und fragte: "Muss ich euch denn jetzt mit Meisterin ansprechen?"
- "Mich auf jeden Fall." - ließ Alonvy übermitteln und Marlena hatte den Verdacht, dass ihre Seelenschwester sich bereits sehr darauf rollte so respektvoll angesprochen zu werden. Bei der jungen Halbling sah das etwas anders aus. Zwar hatte sie bereits mehr Sommer gesehen als Svenaja aber von ihrer charakterlichen Entwicklung her entsprachen sich die beiden jungen Frauen. Die Vorstellung von so jemandem mit Meister angesprochen zu werden hatte für Marlena etwas unbehagliches.
"Ich denke zwischen uns bleibt es beim Vornamen Svenaja nur wenn ihr zwei Dummheiten macht werde ich das tadeln Meisterin Alonvy überlassen."
Während allgemeine Heiterkeit Einzug in der versammelten Runde hielt schnaubte Alonvy etwas beleidigt eine Rauchwolke aus ihren Nüstern. Glücklicherweise kannte Marlena ihre Begleiterin gut genug und zu wissen, dass sie nicht lange schmollen würde.
"Ich denke heute solltest du dich erst einmal nur mit deiner kleinen Drachendame beschäftigen." legte Marlena sachlich fest. "Wenn deine Eltern und deine Großmutter nichts dagegen haben werde ich morgen mal bei dir vorbeikommen und wir überprüfen welchen Kenntnisstand du bereits hast. Dann sehen wir weiter wie wir die erste Phase deiner Ausbildung aufbauen. Vornehmlich geht es für einen Schüler des Ordens zunächst einmal darum seinem Sculblaka durch die Schlüpflings- Zeit zu helfen. Alles anspruchsvollere kommt erst dann."
"Nun einstweilige schon über den Ausbildungsstand meiner Enkelin verraten Mädchen." Narna ergriff nun das Wort. "Sie weiß alles was ich über die Sprache der Magie weiß. Hier im Norden haben wir nicht viel was wir unseren Kindern und Kindeskindern mit auf den Weg geben können. Wissen gehört aber dazu."
"Beherrschte den auch schon die Magie?"
Marlena war angenehm überrascht. Sie glaubte sich aber zu erinnern, dass gesagt worden war, dass Narna derzeit die einzige Magiebegabte außer Ajeschas war.
"Nein leider nicht." räumte Svenaja ein. "In der Dorfgemeinschaft geben wir nur alles Wissen weiter auch wenn man selbst nicht so viel damit anfangen kann. Es ist wichtig das zu bewahren, was wir haben."
"Nun stell aber mal dein Licht nicht unter den Scheffel." unterbrach Narna ihre Enkelin. "Eine Fähigkeit besitzt du."
Wohlwollend, doch etwas peinlich berührt nickte Svenaja und Augenblicke später fühlte Marlena einen leichten Druck gegen ihren Geist. Die fremde Präsenz zog sich allerdings sofort wieder zurück.
"Das was du oder?" vermutete die junge Halbling augenblicklich.
"Ja. Auch wenn ich nie einen Zauber wirken konnte habe ich doch etwas von Talent meiner Großmutter geerbt. Ich kann andere Wesen im Geist berühren und spüre wenn jemand mich auf diese Weise ansprechen möchte."
"Ich habe meiner Enkelin auch beigebracht wie Sie Ihren Geist verschließen kann." fügte Narna noch an.
"Sehr gut. Wie gesagt, das werden wir uns morgen genauer ansehen." Marlena war angenehm überrascht.
"Eine Frage hätte ich aber schon heute." sagte Svenaja. "Woher wusstest Du auf einen Blick, dass meine kleine eine Drachendame ist. Woran genau erkennt man das?"
Marlena lächelte und begann zu erklären. Der deutlichste Faktor, gerade bei so jungen Drachen, war natürlich die Ausformung der Wirbelsäule. Leicht ansteigend bei Männchen, horizontal bei Weibchen. Die junge Halbling dies aber auch nicht die feineren Unterschiede aus die es gab. Etwas schräger stehenden Nüstern, ein etwas leichterer Körperbau, all dies waren Merkmale in denen Drachendame sich von Männchen unterschieden.
Svenaja hörte interessiert zu und es blieb bei weitem nicht bei dieser einen Frage. Der junge Frau interessierte sich dafür, wie häufig sie ihrem Schützling etwas zu fressen anbieten musste und was Drachenkücken bevorzugten.
Nur allzu gern gab Marlena Auskunft und fühlte sich dabei stets an die Monate erinnert in denen sie den kleinen weißen Wirbelwind großgezogen hatte, der heute den Namen Alonvy trug.
Schließlich war es das kleine goldene Drachenfräulein, dass die angeregte Unterhaltung der beiden Reiterin unterbrach. Sehnsüchtig blickte sie zu Svenaja hinauf und stieß einen Laut aus, der bei einem Menschenkind wohl ein "Bitte bitte" gewesen wäre.
Svenaja öffnete sich ihrer jungen Seelenschwester und nach einigen Augenblicken musste sich schmunzeln.
"Sie möchte endlich einen Namen." sagte die junge Frau zu Marlena und blickte sie dabei fragend an.
Die junge Halbling verstand auch ohne Worte und begann verschiedene Drachennamen aus Geschichten und Legenden aufzuzählen. Svenaja hatte ihr Drachenmädchen auf den Arm genommen und lauschte ebenso gespannt wie die kleine Goldene. Einige Namen zog der Schlüpfling zumindest in Betracht aber letztlich wurden sie doch verworfen. So ging es weiter bis selbst Marlena, die sich stets in Heldensagen über den alten Orden vergraben hatte ins Stocken geriet. Selbst ihr gingen allmählich die Vorschläge aus. Nachdenklich ließ sie ihren Blick über die versammelten Erwachsenendrachen schweifen und als ihr Blick bei Dorn hängen blieb fiel ihr noch einen Vorschlag ein.
"Wie wäre es mit Kyra. Sie war eine stolze wilde Drachendame und eine Bewahrerin des Wissens ihres Volkes."
Aus dem sicheren Nest Fonds Lenjaras Armen blickte das junge Drachenmädchen seine Reiterin aufgeregt an. Sowohl Drache als auch Reiter schien viel von den Namen zu halten und schließlich signalisierte die neuste Schülerin des Ordens, dass gerade eine Traufe stattgefunden hatte. Stolz schmiegte sich Kyra noch etwas enger an ihrer Reiterin.
Dorn hatte inzwischen interessiert den Kopf gehoben und schwang diesen herum bis sein Auge direkt vor Svenaja und der kleinen Kyra schwebte.
"Es erfreut mich, das der Name meiner Mutter wieder einen Träger gefunden hat." Der Rote beugte sich noch etwas näher zu dem goldenen Drachenkind und stubste die Kleine zärtlich mit der Schnauze an. "Gib gut auf mich acht kleinen Kyra und auf deine Reiterin. Dann wirst du diesen stolzen Namen alle Ehre machen."