Marlena hockte auf eben der Lichtung in der Mitte hoch gewachsener Dornenbüsche die ihrem Vater in seiner Jugend als Versteck gedient hatte.
Der gestrige Abend war in der Gesellschaft ihres Onkels Recht kurzweilig verlaufen und eine erholsame Nacht lag hinter der jungen Reiterin. Die frühen Morgenstunden hatte sie damit verbracht gemeinsam mit Svenaja denen Rimgar zu üben, anschließend eine Fechtstunde abzuhalten und gegenwärtig hatte sie Svenaja gebeten sich weiter in der Energiespeicherung zu üben.
Kurz vor der Mittagszeit wollte eine Abordnung aus Carvahall förmlich die jungen Reiter im Tal begrüßen. Roran hatte allerdings versprochen den offiziellen Teil so kurz wie möglich zu halten. In Vorbereitung auf dieses Treffen hatte Marlena sich auf die Lichtung im Wald zurückgezogen, die den Drachen als Rückzugsort diente, um sich frische Kleider aus ihrem Gepäck zu nehmen. Auch wenn die Stimmung in Carvahall gelöst war und das Protokoll nicht so streng gehandhabt wurde sah es die junge Halbling es dennoch als einen gewissen Ausdruck von Höflichkeit an angemessen gekleidet beim Besuch der Abordnung aus der Stadt zu erscheinen.
Eigentlich hatte sie sich wirklich nur kurz umziehen wollen doch inzwischen waren die Minuten verstrichen. Während des Unterricht hatte Marlena das nagende Gefühl in ihr ignorieren können doch jetzt füllte es ihren Geist praktisch völlig aus. Gedankenverloren saß sie neben Alonvys hatte und rieb an einem Schmutzfleck herum der bereits seit einigen Minuten nicht mehr existierte.
-"Du wirst noch ein Loch ins Leder reiben."-
Alonvys Stimme schreckte die junge Drachenreiterin aus ihrer Starre.
- "Entschuldige. Ich hab die Zeit vergessen. Ich ziehe mich nur eben schnell um." -
- "Sitzenbleiben!" - kommandierte Alonvy in einem Tonfall der keinen Widerspruch duldete.
Etwas unsicher blickte Marlena ihre Drachendame an die nun etwas näher an sie heran rückte und ihren Kopf so platzierte, dass ihr goldenes Auge direkt auf die junge Halbling gerichtet war.
- "Was bekümmert dich?" - fragte die junge Drachendame nach einigen Augenblicken der Stille.
- "Alonvy, ich weiß du meinst es gut aber die Abordnung....." -
- ".....kann warten!" - legte die Weiße unnachgiebig fest. - "Diese Begrüßung wird mit Sicherheit nicht ohne uns stattfinden und mir ist schon gestern Abend aufgefallen dass du irgend einen Kummer mit dir herum schleppst. Wir waren alle zu müde um uns gestern noch damit zu beschäftigen aber heute hat es dich offensichtlich wieder eingeholt. Was mir auch aufgefallen ist, dass du die Zügel beim Unterricht etwas straffer angezogen hast? Geht es um Svenaja?" -
-" Ich dachte mir nur, dass es ihr helfen würde wenn ich den Unterricht etwas vorantreibe." - murmelte Marlena in sich hinein und machte den kläglichen Versuch dem bohrenden Blick ihrer Drachendame auszuweichen.
- "Und? Weiter? Willst Du dich von ihr demnächst auch Meisterin nennen lassen?" -
Er Marlena stieg die Mischung aus Verzweiflung und Wut auf die Mann emfand wenn man in die Ecke gedrängt wurde. Alonvys scherzhafte Frage in Bezug auf die förmliche Anrede traf im Grunde genau den wunden Punkt mit dem ihrer Reiterin im Augenblick zu kämpfen hatte.
- "Ich denke einfach, dass sich in letzter Zeit keine gute Lehrerin für sie war. Seit seiner Ismira aufgebrochen sind habe ich sie mehr wie eine Freundin behandelt. Ich hätte mich vielleicht von Anfang an auf den Tietel Meisterin bestehen sollen." -
Obwohl Marlenas Reaktion an Heftigkeit einem kleinen Wutausbruch nahe kam blieb Alonvy die Ruhe selbst.
- "Warum?" -
- "Weil es sich ebenso gehört. Ich hätte einfach früher bemerken müssen dass es Svenaja schlecht geht und sie sich von den vielen neuen Eindrücken überfordert fühlt. Manchmal ist es leichter sich einem Lehrer anzuvertrauen als einer Freundin. Ich mag einfach nur die Anrede Meister nicht. Es klingt wie eine Unterwerfung wenn man jemanden so nennt. Ich habe es schon während einer Ausbildung nicht gemocht jemanden so ansprechen zu müssen und auch die Vorstellung selbst so bezeichnet zu werden ist mir unangenehm. Ich weiß, dass der Titel Meister einen Schüler nicht zum Sklaven degradiert sondern nur bedeutet, dass jemand in der Kunst die ein Schüler zu erlernen wünscht Meisterschaft erreicht hat. Trotzdem...... Ich dachte ich tue Svenaja damit einen Gefallen wenn ich nicht auf diese Anrede bestehe. Vor allem war ich so froh, dass wir überhaupt so ungezwungen miteinander umgehen konnten nach dieser Sache mit Keanai." -
- "Nun mal langsam kleine Halbling." - unterbrach Alonvy sanft. - "Gut, vielleicht hast Du in der Aufregung über unsere Mission nach Vroengard wirklich den Unterricht etwas schleifen lassen aber das macht mich noch nicht zu einer schlechten Lehrerin. Genauso wenig wie die Tatsache, dass du Svenaja nicht dazu gezwungen hast dich ehrfürchtig mit Meisterin anzusprechen. Es ist keineswegs sicher, dass das dazu geführt hätte, dass sie dich eher ins Vertrauen gezogen hätte. Vielleicht hätte es sogar das genaue Gegenteil bewirkt. Vielleicht konnte sie selbst bis gestern Abend nicht wirklich benennen was ihr auf der Seele liegt und der Vorfall mit ihrem Schwert war der Tropfen der das Fass zum überlaufen gebracht hat. Vergiss nicht das ist das erste Mal ist das wir beide Schüler unterweisen. Gehen wir mal so weit und sagen du hast tatsächlich einen Fehler gemacht. Es wird nicht der letzte sein und es war auch nicht der erste. Ich habe aber das Gespräch dass ihr gestern mit Svenaja geführt habt in deinen Gedanken gesehen und du hast gut reagiert. Ich verstehe nicht wieso Du dich deshalb jetzt so quälst." -
- "Es wäre meine Pflicht gewesen zu erkennen, dass Svenaja überfordert war." - beharrte Marlena obwohl ihre Schuldgefühle bereits zu bröckeln begannen.
Unterdessen kicherte Alonvy heißer.
"- Jetzt bist du die Tochter deiner Mutter!" -
Aus irgend einem Grund brachte diese Anspielung Marlena zum Lachen. Alonvy unterdessen sprach weiter: - "Ihr Pflichtgefühl bei dir auch so manchen schmerzhaften Moment beschert. Außerdem, glaubst du denn das ihr nie ein Fehler unterlaufen ist gerade bei ihren ersten Gehversuchen als Lehrerin im Orden der Reiter?" -
Während sich Marlena beruhigte Alonvy den Kopf und begann mit Hingabe eine ihrer Krallen sauber zu lecken.
- "Oder denk mal an den Drachenreiter der deinen Vater ausgebildet hat. Oromis. Er hat der Welt den Reiter hinterlassen, der Galbatorix besiegt hat und war auch der Mentor von Brom. Er war aber auch der Lehrmeister von Morzan. Meister Glaedr hat mir mal erzählt, dass sein Reiter Morzan als seinen größten Fehler ansah." -
Alonvy unterbrach ihrer Krallenpflege und schnaubte ungnädig ein dunkles Wölkchen aus ihren Nüstern.
- "Ich finde sowieso, dass ihr Zweibeiner viel zu schnell von Fehlern sprecht. Wir Drachen sind da anders." -
- "Du meinst ihr sprecht nicht gerne über eure Fehler." - gluckste Marlena.
- "Nun mal nicht frech werden." - knurrte Alonvy und fixierte ihrer Reiterin. - "So einfach ist das nicht. Wir Drachen definieren Fehler anders als ihr Zweibeiner. Wir sind der Meinung, dass nur dann ein Fehler vorliegt wenn ein Individuum wider besseren Wissens etwas getan hat was negative Konsequenzen hatte. Die Sprache von euch Zweibeinern ist so unpräzise. Das was dir unterlaufen ist würden wir gar nicht erst als einen Fehler bezeichnen. Weißt du, wir wissen, dass jede Handlung eine Reaktion hervorruft. Uns ist aber auch bewusst, dass wir nicht immer die gewünschte Reaktion erzielen. Geschieht das sprechen wir nicht von einem Fehler" -
Alonvy wiegte ihren Kopf von einer Seite auf die andere und schien nach den richtigen Worten zu suchen um ihrer Seelenschwester zu erklären was sie meinte.
- "Lass mich dir ein Beispiel geben." - sagte die Drachendame schließlich. - "Bleiben wir mal beim Reiter von Meister Glaedr und seinem Schüler Morzan. Glaedr-Eldunari hat mir vor einer Weile mal erzählt, dass sich Oromis den charakterlichen Unzulänglichkeiten von Morzan durchaus bewusst war. Er hatte zusammen mit seinem Drachen entschieden, dass sie mit diesem Novizen geduldig sein wollten. Die Last der Verantwortung würde früher oder später im Morzans Bewusstsein gelangen und dann wäre die perfekte Situation ihn dabei zu unterstützen gewisse Makel an seinem Wesen aus zu merzen. Wieso? Meiner selbst die Notwendigkeit erkannt hätte zu wachsen. Es ist wesentlich leichter jemanden zu unterstützen eine Änderung zu vollziehen die gewünscht ist als einen uneinsichtigen Gesellen von der Notwendigkeit der Veränderung zu überzeugen. Was hältst du von dieser Einschätzung?" -
Marlena ließ sich das gehörte ein Augenblick durch den Kopf gehen, zog die Beine an den Körper und bettete ihr Kinn auf ihre Knie.
- "Ich denke, dass das ein guter Ansatz ist. Ich würde vielleicht genauso handeln." -
- "So, würdest Du das? Dann verrate ich dir jetzt mal etwas. Etwa einen Monat nach dem der Elf Oromis diese Entscheidung getroffen hatte traf Morzan auf Galbatorix und schloss sich ihm an. Würdest sagen, dass diese Entwicklung Oromis Fehler war?" -
- "Nein! Das konnte der alte Meister doch nicht wissen." - ereiferte sich Marlena.
- "Aber seine Entscheidung begünstigte eine unglückliche Entwicklung." - beharrte Alonvy.
- "Trotzdem kann man das nicht als einen Fehler von Oromis bezeichnen." -
Alonvy senkte nun ihren Kopf bis ihr Auge wieder direkt vor Marlenas Gesicht schwebte.
- "Richtig kleine Halbling. Deshalb sage ich das ihr Zweibeiner viel zu schnell bereits seit etwas als einen Fehler zu bezeichnen. Es ist wie ich sagte auf jeder Aktion erfolgt eine Reaktion. Manchmal ist es nicht die Reaktion den wir erhofft haben. Manchmal ändert eine Variable die wir überhaupt nicht kennen den Lauf der Dinge. Für uns Drachen gibt es das Wort "Fehler" in diesem Sinne gar nicht. Für uns ist ein Fehler nur das wofür wir die alleinige Schuld tragen. Ihr Zweibeiner fast diesen Begriff viel zu weit. Ihr benehmt die Verantwortung für Dinge die er nicht voraussehen konnte oder die ihr überhaupt nicht beeinflussen konntet. Am Ende brächte jedoch unter der Last dessen was ihr euch aufladen zusammen." -
- "Deshalb entschuldigt ihr Drachen euch so ungern." - folgerte Marlena plötzlich. - "Es ist nicht, dass ihr euch weigert den Teil der Verantwortung zu übernehmen den ihr rechtmäßig tragt. Wir weigert euch nur etwas um Verzeihung zu bitten was ihr überhaupt nicht beeinflussen konntet." -
Alonvy summte zufrieden.
- "Gut! Nun hast Du etwas über das Wesen von uns Drachen gelernt und gestern hast du etwas über das Unterrichten gelernt. Nämlich das schülerständige Aufmerksamkeit brauchen. Deine Mutter hat einmal gesagt, der beste Schüler ist der, bei dem auch der Lehrer etwas lernt. Lernen bedeutet sich weiterzuentwickeln. Wenn man das so sieht ist Svenaja also eine hervorragende Schülerin. Warum sitzt du also hier herum und blässt Trübsal? Akzeptiert die Lehren die das Leben dir zuteil werden ließ und zieh weiter. Und jetzt legen endlich den Sattel auf! all zu lange sollten wir diese Abordnung aus Carvahall auch nicht warten lassen." -
Lächeln gehorchte Marlena den Wünschen ihrer Drachendame und als sie gerade die letzten Riemen des Sattels schloss stieß sie noch einmal Alonvys Geist an.
- "Danke meine Große." -
- "Jederzeit." - summte die weiße Drachendame und zwinkerte ihrer Reiterin zutraulich zu.
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Eragon Buch 7 - Im Wandel der Zeiten
FanfictionEragons Tochter bricht auf um die wundersame Welt von Alagaesia zu erkunden. Diese Geschichte Gehört nicht mir. Sie Gehört dem Account Traeumer von FF.de. Ich habe die Erlaubniss diese Geschichte, in seinem Namen, hier auf Wattpad zu Veröffentliche...