30. Zwischen Freude und Schmerz

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Das unverkennbare Geräusch einer Drachenlandung war es, dass Selenas Söhne schließlich dazu veranlasste ins Freie zu treten.
Eragon kam einmal mehr nicht umhin die Weitsicht zu bewundern, durch die sich Nasuada stets ausgezeichnet hatte. Der verstorbene Königin hatte zu ihren Lebzeiten den Innenhof der Kaserne nicht nur durch das Aussehen von Gras in einen bequemen Lagerplatz für die Drachen verwandelt sondern den Hof auch ausgebaut.
Ein Umstand der sich nun bezahlt machte. Neben Arya und ihrem smaragdgrünen Begleiter war noch ein weiterer Drache gelandet. Von seinem Rücken kletterten gerade zwei Zwerge hinunter, die Eragon nur zu gut bekannt waren.
Während Burod und Beoram in Oberhaupt ihres Ordens mit dem gebotenen Respekt begegneten fiel die Begrüßung zwischen Eragon und seinem Clanbruder Orik untypisch herzlich aus. Untypisch wenn man bedachte, dass der Zwerg immerhin König seines Volkes war.
Nachdem sich die beiden alten Kampfgefährten aus einer herzlichen Umarmungen lösten richtete sich Oriks Blick auf Murtagh. Das Verhältnis von Galbatorix ehemaligen Sklaven zum Volk der Zwerge hatte sich zwar entspannt, doch völlig unbeschwert würden sich Orik und Eragons Halbruder nie begegnen können. Saphiras Reiter hatte dafür durchaus Verständnis. Horthgar hatte Orik seinerzeit ein Heim und eine Zukunft gegeben und sein Tod durch Murtaghs Hand hatte den heutigen König der Zwerge schwer getroffen.
Aufgrund dieser bedauerlichen Tatsache emfand Eragon es als ein Zeichen echter Größe als Orik Murtagh die Hand reichte und sagte:
"Die Vergangenheit spielt heute keine Rolle zwischen uns. Die Frau der wir die Ehre erweisen wurde von uns beiden geschätzt und geachtet und das ist alles was im Augenblick zählt."
Murtagh bestätigte dies mit einem dankbaren Nicken.
Im Anschluss begrüßten sich Orik und Arya. Die Elfe war inzwischen in ihren Gefährten getreten. Auch Burod gesellte sich nun zu der Gruppe nachdem er seinem Drachen den Sattel abgenommen hatte und ein längliches, in Leinentücher gehülltes Paket in sichere Verwahrung genommen hatte.
Dieser geheimnisvolle Gegenstand war es, der schließlich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zog.
Auf Eragons Nachfrage hin erklärte Orik:
"Das ist ein Stück eines Baumes aus dem steinernen Wald. Du wirst dich daran erinnern Eragon. Wir haben ihn vor meiner Krönung gemeinsam besucht."
"Allerdings erinnere ich mich." bestätigte der Drachenreiter. "Ich weiß auch wie viel dieser Wald dem Volk der Knurlan bedeutet. Wie kommt es dass du ein Teil mit dir führst."
Orik Blick für einige Sekunden skeptisch zu Arya, dann begann er zu erklären:
"Es stimmt, dass uns dieser Wald heilig ist. Viele unserer Priester sehen in seinen Bäumen die Bestätigung für die heilige Natur des Steins. Jedes Stück wird praktisch als solide gewordener Ausdruck von Helzvogs (Zwergen- Gott des Steins) willen gesehen. Es hat mich in der kleinen Versammlung einiges an Überzeugungsarbeit gekostet aber schließlich habe ich mich durchsetzen können. Nasuada hat sich zu ihren Lebzeiten ein Begräbnis gewünscht, welches ihren Respekt und ihre Verbundenheit zu allen Völkern ausdrückt. Dieses Stück des steinernen Waldes ist eine Grabbeigaben für sie das ich im Namen des Volkes der Knurlan überreiche."
"Eine sehr ehrenwerte und noble Geste Grimstnzborith Orik." sagte Arya und die Tatsache, dass sie Orik Titel in der Sprache der Zwerge verwendete verlieren Worten besondere Bedeutung. "Eure Religion mag mir manchmal fremd erscheinen aber ich wäre eine Näherin nicht zu erkennen welche Ehre ihr Nasuada hiermit zuteil werden lässt."
Orik nickte der Elfe dankbar zu und erklärte dann: "nach den Trauerfeierlichkeiten werden wir natürlich nach Thron scheint zurückkehren und die Ermittlungen wieder aufnehmen mit den Burod und Beoram betraut hast Eragon. Ich hoffe allerdings immer noch, dass sich die Situation als nicht so kritisch herausstellt wie einige meines Volkes befürchten."
"Das hoffen wir wohl beide Orik." bekräftigte Eragon und blickte sich dann auf dem Hof um. "Wo ist eigentlich Marlena?"
Während er die Frage stellte blickte der Anführer der Reiter seine Gefährtin an und erkannte, dass Arya sanft lächelte.
"Eigentlich müsste die Antwort jeden Augenblick in Sichtweite kommen."
Nur Augenblicke später erkannte Eragon worauf seine Gefährtin hinaus wollte. Das unverkennbare Geräusch von Flügelschlägen verkündete die Ankunft eines weiteren Drachen. Der Neuankömmling trug ebenfalls ein Reiter und seine Schuppen glänzten wie ein lupenreiner Rubin während goldene Lichtreflexe über das tiefe Schwarz seines Hornwerk wanderten.
Grüßend hob Eragon die Hand und erkannte, dass der Gatte seiner Nichte die Geste vom Rücken seines Drachens aus erwiderte.
Saphiras Reiter war klar, dass wenn Cale Ilirea erreicht hatte auch Ismira nicht fern sein konnte. Vermutlich hatten die beiden Cousinen, die in der Ostmark stets unzertrennlich gewesen waren, beschlossen erst ein Unterhaltungs im kleinen Kreis zu führen.
"Die Unzertrennlichen sind also wieder vereint?" erkundigte sich Eragon bei seiner Gefährtin die daraufhin einmal mehr lächelte und nickte.






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Marlena und ihre Mutter hatten eigentlich gemeinsam zum Quartier der Drachenreiter fliegen wollen aber als die jüngere der beiden Reiterinnen die beiden Drachen entdeckte, die sich aus Richtung des Palancartals der Hauptstadt näherten war sie, mit Erlaubnis ihrer Mutter, den beiden entgegengeflogen. Bald schon erkannte sie, dass es sich wirklich um die Reiter handelte mit denen sie rechnete. Ismiras Drachendame Anarie hatte ihre Seelenschwester gerade genug Zeit gegeben ihrer Cousine zuzuwinken bevor sie ihrem Flug beschleunigte und auf Alonvy zu schoss. Wie ihrer Reiterinen verstanden sich auch die beiden Drachendamen hervorragend und jagten sich, verspielt wie Schlüpflinge, schon Augenblicke später über den Himmel. In weiser Voraussicht hatte Cale offenbar beschlossen, den beiden Cousinen einen privaten Moment zu gönnen und hatte den Flug nach Ilirea fortgesetzt.
In den folgenden Minuten hatte für Marlena die Welt jegliche Kontur verloren. Inhalt des verbrecherischen Manövern schossen die beiden Drachendamen immer wieder aufeinander zu und bald schon war es völlig unmöglich für die Reiterin der Weißen oben von unten zu unterscheiden.
Als die beiden Drachen schließlich genug von ihrem wilden Spiel hatten und landeten war ihren Reiterinnen, trotz der Erfahrungen die sie bereits gesammelt hatten, ein wenig flau im Magen. Es hielt jedoch keine der beiden davon ab auf die jeweils andere zu zu stürmen und in einer herzlichen Umarmungen zu versinken.
"Es freut mich so dich mal wieder zu sehen Mirie." lachte Marlena nachdem sich die beiden Frauen wieder voneinander lösten. Das breite grinsen ihrer Cousine verriet der jungen Halbling, dass diese genauso dachte.
Ismira hatte seit Marlenas frühester Kindheit fest zu ihrer Familie gehört. Sie war mehr eine große Schwester für die junge Drachenreiterin als eine Cousine. Schon früh hatten die beiden bemerkt, dass sie sich vom Wesen her recht ähnlich waren und als Marlena älter wurde hatten die beiden gemeinsam des Öfteren die Ostmark unsicher gemacht. Gut erinnerte sich die junge Halbling auch noch an die Hochzeit ihrer "Schwester". Es hatte Marlenas Mutter von etwas geschockt, als ihre Tochter bekundet hatte eines Tages vielleicht auch heiraten zu wollen. Normalerweise fühlte sich die junge Reiterin näher an den Traditionen des Volkes der Elfen und Arya war erst beruhigt gewesen, als sie erkannte, dass die Begeisterung ihrer Tochter für die Ehe eher von der Bewunderung über Ismiras herrliches Brautkleid herrührte.
"Es ist doch schön dich mal wieder zu sehen Lenchen!"
Marlena verschränkte schmollend die Arme vor der Brust.
"Ich habe nie verstanden warum das dein Spitzname für mich ist. Lenchen ist doch im Grunde kein bisschen kürzer als Marlena."
"Stimmt." kicherte die Ältere. "Aber er ärgert dich so schön."
Augenblicke später brach eine kurze Rangelei zwischen den Cousinen aus aber der spielerische Kampf wurde von beiden nicht bis zum Ende ausgefochten. Amen am gegen die beiden schließlich gemeinsam mit ihren Drachendame Richtung Hauptstadt.
"Ich wusste gar nicht das ihr herkommt!"
"Wir mussten kommen." erklärte Ismira ihrer Cousine und Marlena entging nicht, dass nun ein ernster Unterton in der Stimme der anderen Drachenreiterin lag. "Cale und ich haben uns bereit erklärt Onkel Murtagh zu vertreten während er in Ruhe die Vergangenheit aufgearbeitet. Außerdem habe ich zwar den Titel Gräfin schon vor einiger Zeit aufgegeben aber ich bin immer noch die Tochter des Grafen Roran Hammerfaust des Palancartals. Mein Vater und meine Mutter sind inzwischen zu alt um noch eine so weite Reise zu machen ich vertrete sie also praktisch."
Der Ernst der Situation holte nun auch Marlena schlagartig wieder ein. In der Freude des Wiedersehens hatte die junge Frau völlig vergessen, welche traurige Anlass ist im Grunde war der dieses Wiedersehen vorantrieb.
Sie hatte Ismira vermisst als diese gemeinsam mit Cale einen neuen Außenposten der Drachenreiter im bekannten Alagaesia erbauen wollte. Natürlich hatte sie verstanden, dass Ismira als Reiterin Pflichten hatte aber trotzdem fehlte ihr ihre beste Freundin.
Ein weiterer Gedanke ergriff plötzlich von Marlena besitzt und führte dazu, dass sich ein eiskalter Stein in ihrem Magen bildete.
"Geht es eigentlich Onkel Roran und Tante Katrina?"
Ein leicht melancholischer Zug legte sich auf Ismiras Gesicht. Ohne weitere Worte auszutauschen Begriff die ältere Drachenreiterin deswegen die jüngere diese Frage nun stellte.
"Den Beiden geht es soweit gut. Mein Vater ist fest entschlossen der erste Mensch zu werden über 100 Sommer sieht. Natürlich kann das Arrangement welches ich mit meinen Eltern getroffen habe nicht die Tatsache ab ändern, dass mehr Tage hinter ihnen liegen als vor ihnen."
Marlena Begriff, worauf ihre Cousine anspielte. Auch Ismira hatte schon vor einigen Jahren erkennen müssen, dass sie als Drachenreiterin ihre Lieben überdauern würde. Anders als Murtagh war es ihr aber von jeher falsch vorgekommen das Leben ihrer Eltern künstlich der Unsterblichkeit nahe zubringen. Sie hatte daraufhin mit ihren Eltern gesprochen und eine Vereinbarung mit ihnen getroffen. Ismiras Magie sorgte dafür, dass Roran und Katrina zu gesund und kräftig waren wie ist ihr derzeitiges Alter zuließ. Ihre Tochter befreite die beiden von altersbedingten Krankheiten Kurzsichtigkeit oder Rheuma sie stattete sie aber nicht mit zusätzlicher Lebensenergie aus. Ismira sorgte nur dafür, dass ihre Eltern die Zeit die ihnen gegeben war in vollen Zügen genießen konnten. Dabei unterstützten sie natürlich auch ihre beiden Söhne und das vierte Kind welches die Liebe der beiden Grafenleute hervorgebracht hatte. Besonders Ismiras jüngere Schwester Selena kümmerte sich Aufopferungsvoll um ihre inzwischen greisen Eltern.
Eine Weile gegen die beiden Cousinen und schweigend nebeneinander her. Beide waren von einer gewissen Traurigkeit ergriffen worden die sich nicht mehr einfach so abschütteln ließ.
"Und? Wie ist es mit dir und Cale?" Marlena machte den Versuch die Situation wieder aufzulockern. "Immer noch kein Nachwuchs in Sicht?"
Marlena wusste, dass sich Ismira durchaus eigene Kinder wünschte aber bisher noch nicht mit Cale über diesen Wunsch gesprochen hatte. Ein Umstand, den die junge Halbling als ungewöhnlich einstufte. Immerhin kann sich die beiden schon fast 40 Sommer lang, ihre Gefühle gingen tief und verheiratet waren die beiden inzwischen auch.
"Cale und ich haben darüber geredet." begann Ismira zu erklären. "Wir haben uns geeinigt noch zu warten mit Kindern. Weißt du Lenchen, für uns ist es nicht so einfach. Ein Kind von mir und Cale wäre ein normales, sterbliches Menschenkind. Er und ich, wir begreifen grade erst was es bedeutet ein unsterblicher Reiter zu sein. Im Augenblick ist es mir ein unerträglicher Gedanke mein eigenes Kind zu überleben. Vielleicht werden wir irgendwann an einen Punkt kommen, wo wir den Wunsch haben einen Fußabdruck im Flussbett des Lebens zu hinterlassen und damit zufrieden sind, dass sich unser Erbe in Enkel und Urenkeln fortgesetzt aber ich spüre einfach, dass ich im Moment noch nicht........"
"Hör auf Mirie bitte hör auf!"
Im Marlenas Inneren brach mit einem mal ein Damm und sie konnte nicht verhindern, dass sich Tränen den Weg über ihr Gesicht bahnten. Sie versuchte es zu verstecken in dem sich ein paar Schritte von ihrer Cousine entfernte.
Nach einigen Sekunden jedoch drehte Ismira ihre jüngere Verwandte mit sanfter Gewalt zu sich herum. Marlena konnte den gütigen Blick der älteren Reiterin fast spüren und es bedurfte keiner Worte von Ismira Seite um eine Erklärung aus der junge Halbling heraus platzen zu lassen.
"Es tut mir leid." schniefte die Jüngere immer noch um Fassung bemüht. "Ich weiß selbst nicht was mit mir los ist. Ich hätte mir meine Reise so ganz anders vorgestellt. Ich wollte Neues entdecken. Mich dem Leben zuwenden über das sich bisher nur in Büchern gelesen habe. Jetzt stürmt von allen Seiten nur noch der Tod auf mich ein und wie schwierig es ist das Leben zu genießen. Ich habe doch so viel über das Volk der Menschen gelernt und gerade bei dir lege ich meinen Finger in eine offene Wunde nach der anderen. Erst deine Eltern, dann die Frage nach Kindern...!"
Ismira brachte ihre Cousine jetzt zum Schweigen indem sie einen Finger auf ihre Lippen legte.
"Sehe ich aus als ob du mich beleidigt hast?"
Da der Zeigefinger der älteren Drachenreiterin immer noch ihre Lippen verschlossen brachte Marlena neuen Kopfschütteln zu Stande.
"Gut, dass hast Du nämlich auch nicht. Ich kann aber verstehen warum ist die im Moment einfach alles ein bisschen zu viel wird. Der bist hier her gekommen um die fröhlichen Völkerspiele zu genießen und wurde in einer und endlich schwierige und auch traurige Situation hinein geworfen. Pass auf, sobald wir Nasuada angemessen die Ehre erwiesen haben kann Cale erst einmal alleine zur Akademie der Magier fliegen. Wir beide gönnen uns ein paar Tage im Palancartal! Und dann sollst du mal sehen Cousinchen, dass das Leben durchaus auch noch Farbe zu bieten hat."

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt