Eine der Älteste Teil 1

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Nachdenklich blickte Marlena sich um. Ihr Gespräch mit dem Elfenkönig Maranus hatte sie und ihre Reisebegleiter an einen Ort geführt den die junge Halbling nicht aus eigenem Antrieb aufgesucht hätte. Sie befanden sich auf dem Gebiet wo einst die Elfenstadt Osilon gewesen war. Natürlich kannte sie die Geschichte warum diese Stadt aufgegeben worden war. Die Erde hatte zu viel Blut getrunken. Shruikan-Eldunari und seiner Ra zac waren über die nichts ahnende Stadt hergefallen und schrecklich gewütet. Die Überlebenden dieses dunklen Tages hatten sich entschlossen, sich ein neues Leben an einem neuen Ort aufzubauen. Sie waren nach Süden gegangen und hatten die Stadt Emfielion gegründet.
Alle waren aufgebrochen auf die eine Elfe, die Marlena, Svenaja und ihre beiden Drachendamen nun suchten.
Es handelte sich dabei um die ältere Schwester des ehemaligen Botschafters der Elfen im Tronjheim. Nach den Auskünften die sie erhalten hatten lautete ihr Name Mulenarí.
Die berechtigte Frage warum diese Frau alleine in einer aufgegebenen Stadt zurück blieb hatte Svenaja gestellt. Marlena musste bei der Erinnerung daran schmunzeln. Es war fast das einzige Mal gewesen, dass ihre junge Wegbegleiterin es gewagt hatte das Wort an das erhabene Herrscherpaar von Ellesméra zu richten. Diese berechtigte Frage jedoch war einfach aus ihr heraus geplatzt.
König Maranus hatte seinen Gästen erklärt, dass es sich bei dieser ehrwürdigen Dame um eine der ältesten lebenden Vertreterinnen des schönen Volk handelte. Damit schien für den König alles entscheidende gesagt zu sein. Marlena wusste nur, dass man über die Ältesten des Volkes ihrer Mutter nur hinter vorgehaltener Hand sprach. Sie wollte jedoch nicht riskieren aus Unwissenheit einen Fehler zu begehen und hatte bei ihrer Mutter Arya Rat gesucht.
Nach dem Bericht ihrer Tochter war Arya zunächst in Schweigen verfallen. Sie hatte die Fingerspitzen aneinander gelegt und ihr Blick war ins Leere gewandert. Marlena kannte dieses Verhalten von ihrer Mutter. So sammelte sie ihre Gedanken und würde mit ihren Erklärungen beginnen wenn sie bereit war. Während sie geduldig ab wartete wurde ihr jedoch auch bewusst, dass sie eine ernste Frage gestellt hatte. Wenn Elfen gründlich über ihre Antwort nachdachten waren sich darüber im klaren, dass die Antwort bedeutungsvoll sein würde und man daher sorgfältig abwägen musste welche Informationen man zu welchem Zeitpunkt in die Erklärung einbrachte um den richtigen Effekt auf den Zuhörer zu erzielen.
Schließlich hatte das Abbild von Arya aus dem Spiegel heraus erklärt, dass die Ältesten des Volkes der Elfen meist das Interesse an den täglichen Abläufen in den Städten oder in der Politik verloren. In gewisser Weise änderten sie damit alten Drachen, die sich, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht hatten, in einen tranceartigen Zustand zurückzogen. Sie durcheilten dann mit ihren Gedanken die Welt wie sie es sonst nur auf ihren Schwingen getan hatten. Da sich Herzschlag und Atmung dieser Drachen so sehr verlangsamten benötigten sie auch nur noch sehr selten Nahrung und verbrachten ihre Tage in ihrem Unterschlupf.
Bei Elfen die ein sehr hohes Alter erreicht hatten lief das ganze etwas anders ab. Auch sie zogen sich vom " Markt des Lebens " zurück und suchten Orte wo sie allein sein konnten. Dort gaben sie sich ganz der Meditation hin und studierten das Lied des Lebens bis in die kleinsten Details. Mehr und mehr entfernte sich ihr Geist von der körperlichen Hülle und es wurde immer schwieriger noch mit diesen alten Vertretern des Volkes zu sprechen. Oft musste man tagelang warten um eine einzelne Frage zu stellen. Selbst für das schöne Volk, das den Wert der Geduld kannte war es unmöglich auf dieser Ebene ein Gespräch zu führen. Oft gelang es nur den so genannten Yahan ' islet noch wirklich Auskünfte von den Ältesten zu bekommen. Die Yahan' islet waren speziell ausgebildete Magier der Elfen die ihr ganzes Leben dem Schutz und der Betreuung der Ältesten widmeten. Längst nicht jeder Älteste gestattete eine solche Betreuung. Jedoch waren diese Hüter und Beschützer am ehesten über die Aufenthaltsorte der Mitglieder ihres Volkes die sich zurückgezogen hatten informiert. Von Zeit zu Zeit suchten die Yahan'islet ihre Schutzbefohlenen auf und es geschah, dass sie die sterbliche Hülle eines Ältesten tot vorfanden. Der Geist des betreffenden Elfen hatte sich so weit von seiner körperlichen Form entfernt, dass Dinge wie Herzschlag, Atmung oder andere Bedürfnisse einfach keine Rolle mehr spielten. Sie wurden schlichtweg eins mit dem Lied des Lebens. Diese Art des dahin scheidens kam im Volk der Elfen dem am nächsten, was man unter sterblichen einen natürlichen Tod nannte.
Nicht jeder Elf jedoch erreichte den Status eines Ältesten. Oft sorgten Krankheit oder Verletzung für ein vorzeitiges Ableben oder die Seele des Betreffenden entwickelte sich schlicht nicht in die Richtung, Marlenas Patentante Runön beispielsweise hatte längst das Alter erreicht indem sich manche Elfen in die Einsamkeit der Wälder zurückgezogen aber sie hatte schlichtweg noch nicht das Interesse am Leben verloren und ging nach wie vor in ihrer Arbeit auf. Daher bezeichnete das schöne Volk das eins werden mit dem Lied des Lebens als eine Annäherung an einen natürlichen Tod aber sah es nicht gänzlich als einen solchen. Der Tod eines Menschen der ein hohes Alter erreicht hatte war ein Gesetz der Natur. Was mit einem Elfen im hohen Alter geschah war nicht in Stein gemeißelt sondern lediglich eine Möglichkeit.
Arya hat ihrer Tochter den Rat gegeben die Gegend um Osilon aufzusuchen und in der alten Sprache lautet zu verkünden weshalb sie diesen Ort aufgesucht hatten. Die Tiere die diesen Teil des Waldes bewohnten würden die Worte aufnehmen und so würde sich auch Mulenarí der Anwesenheit der beiden Drachenreiterrinnen bewusst werden. Wenn sie es für angemessen hielt würde sie die beiden aufzusuchen und zu ihnen sprechen. Arya empfahl etwa drei Tage zu warten. Wenn bis dahin keine Erwiderung erfolgt war konnte man im allgemeinen davon ausgehen, dass die Älteste schlicht an der Frage der beiden Reiterinnen kein Interesse hatte. Unbedingt hatte sie ihre Tochter darauf hingewiesen, dass sie das zu akzeptieren hätte. Es war praktisch unmöglich einen Ältesten zu einem Gespräch zu zwingen. Unter dem schönen Volk galt der versuch als eine grobe Unhöflichkeit die nur selten verziehen wurde.
Marlena hatte ihrer Mutter versichert, dass sie die Vorgaben einhalten würde die diese ihn gesetzt hatte und die beiden Reiterinnen waren in Richtung Osilon aufgebrochen. Marlena hatte etwas ähnliches erwartet wie die Stadt der Toten Junturheim. Verwaiste Gebäude, leer stehende Geschäfte und Ähnliches. Hinweise eben, dass hier einmal eine Siedlung gewesen war. Diese Erwartung der beiden Reiterinnen wurde jedoch enttäuscht. Als sie sich im Anflug befunden hatten deutete zunächst nichts darauf hin, dass hier einmal eine Stadt gewesen war. Alonvy und Kyra beharrten jedoch, dass sie am richtigen Ort waren. Svenajas goldene Seelenschwester mochte noch jung sein aber dem Orientierungs Sinn ihrer eigenen Drachendame vertraute Marlena blind. Der Dollar landete also und erst als sie am Boden waren zeigten sich bei näherem hinsehen einige Spuren die darauf hindeuteten, dass hier wirklich einmal Elfen gelebt hatten. Einige umgestürzte Baumstämme zeigten Spuren, dass zu ihnen gesungen worden war um sie in die Form von Häuser wachsen zu lassen. Einige Baumstumpf offenbarten bei genauerem hinsehen auch, dass hier vor langer Zeit einmal Feuer gewütet haben mussten. Doch nur ein geschultes Auge war in der Lage diese Spuren noch zu erkennen.
Marlena enden nahm hieraus eine neue Erkenntnis über das Wesen des Volkes ihrer Mutter. Die Elfen bemühten sich niemals mehr zu nehmen als sie gaben. Als sie Osilon Aufgaben entließen sie die Bäume die einmal Häuser gewesen waren wieder in ihre natürliche Form. Sie führten den Wald in dem Zustand zurück, indem er gewesen war bevor sie sich hier niederließen. Lediglich Dinge die bei dem Angriff auf die Stadt zerstört worden waren hatten sie wohl unberührt gelassen. Auch dahinter stand offenbar der Gedanke, den natürlichen Verlauf des Lebens seinen willen zu lassen. Der Wald würde diese zerstörten Stellen auf seine eigene Art zurückfordern. Auch hielten die Elfen offenbar nichts davon den Lauf des Lebens durch Gedenkstätten oder Mahnmale zu behindern. Eine solche Stätte gab es zwar in Emfielion aber nicht an diesem Ort, den sie aufgegeben hatten. Das schöne Volk betrachtete sich offenbar als Gast in der Natur und in den Wäldern und ergriff nicht wie es andere Völker taten Besitz von dem Land dass sie besiedelten.
Nach einigem Suchen hatten die beiden Drachenreiterin schließlich einen geeigneten Lagerplatz gefunden der unweit des ehemaligen Stadtzentrums gelegen war. Dort hatte Marlena mit lauter Stimme ihre Bitte vorgetragen. Die anfängliche Aufregung war schnell einer gewissen Resignation gewichen. Denn nichts geschah!
Die Reisegruppe war übereingekommen dass sie nun warten mussten. Dem folgt der Elfen und ganz besonders seinen ältesten Mitgliedern musste man nach ihren Regeln begegnen.

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt