Togra

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Togra wusste, dass sie heute den vereinbarten Treffpunkt erreichen würden. Daher folgte sie der Tradition der Gehörnten und überprüfte ihrer Ausrüstung vor der Schlacht. Zufrieden stellte sie fest, dass ihre Rüstung in bestem Zustand war, ebenso wie ihr treues Breitschwert. Wie es Tradition im Orden war hatte die dunkle Klinge früher einem Reiter des alten Ordens gehört.
Als Togra in den Reihen der Drachenreiter berufen wurde waren ihr viele Traditionen fremdartig vorgekommen. Dass die Waffen ehrenvoller Vorgänger jedoch an die nächste Generation weitergegeben wurden hatte sie fast an die Bräuche der Urgalgra erinnert. Auch dort erbten junge Krieger die Ausrüstung ihrer Vorfahren und schworen bei den Gebeinen ihrer Ahnen die Tradition der Waffe würdevoll fortzusetzen.
Die weibliche Gehörnte war zufrieden mit ihrer Ausrüstung und wartete nun, dass ihre Drachendame Aragna von ihrer morgendlichen Jagd zurückkehren würde. Das Gespann aus Drache und Reiterin war von den Meistern Feuerschwert und Sturmklinge ins Reich der Zwerge befolen worden. Dort sollten sie den Reiter Burod und seinen Drachen Beoram unterstützen die Jagd auf eine Gruppe von kleinwüchsigen Hornlosen machte, wie die Tochter von Meister Feuerschwert bedroht hatten.
Zwar gab es noch andere Gründe warum der Orden dieser Gruppe mit Krieg begegnete, doch die Tatsache, dass die junge Marlena bedroht worden war, war der Grund, mit dem Togra sich am besten identifizieren konnte. Als sie zu Reiterin berufen worden war, waren die Drachenreiter für die Gehörnte zu ihrem Blutclan geworden. Es war eines der heiligsten Gesetze der Urgalgra, dass wenn ein Mitglied des Clans bedroht wurde die ganze Gemeinschaft diesen Frevel rächte. Togra bevor eben das zu tun. Sie war gewiss keine einfache Schülerin für Meister Feuerschwert gewesen doch der Krieger, der Galbatorix zu Fall gebracht und den Schatten Durza in Tronjheim nieder streckte, hatte während der Zeit ihrer Ausbildung ihren Respekt gewonnen. Sie verdankte ihm viel, wie jeder Gehörnte und sie hatte nicht vor die Beleidigung von Feuerschwerts Nachwuchs ungesühnt zu lassen.
Togra ließ sich neben dem Fluss wieder an dem sie während der Nacht mit ihrer Drachendame gerastethatte, und betrachtete ihr Spiegelbild. Was sie sah erfüllte sie mit stolz.
Sie sah eine Kriegerin der man ihrer Macht und Erfahrung ansah. Ihre eindrucksvollen Hörner verschmolz praktisch mit dem Schwarz ihrer Haare die zu einem Zopf geflochten über den Rücken der Drachenreiterin fielen. Lediglich wo das Licht ihr tödliches Geweih traf bildeten sich kupferfarbenen der Lichtreflexe. Wie bei jedem Reiter der Urgalgra hatte sich die Farbe ihrer Hörner den Schuppen ihres Seelenpartners angepasst. Dies war ein weiterer Grund warum Togra diese Veränderung an sich schätzte. Ebenso wie das silberne Mal auf ihrer Hand wies sie als die Seelenschwester der mächtigen Drachendame Aragna aus.
Unwillkürlich musste die Reiterin an den Tag der Prüfung denn an dem sie zur Seelenschwester von Aragna berufen worden war. Aufgewachsen war sie in einer der bedeutendsten Urgalssiedlungen im Buckel. Ihre Siedlung war auf dem Land gegründet worden, dass die ehrenwert Nachtjägerin und Königin der Menschen dem Volk der Gehörnten übergeben hatte. Es hatte Togra mit Trauer erfüllt, vom Ableben dieser mächtigen Kriegerin zu erfahren. Sie zweifelte jedoch nicht daran das eine Frau, die sich so auf dem Schlachtfeld verdient gemacht hatte das Wohlwollen der Götter errungen hatte und die Belohnung für ihren ehrenhaften Lebensweg jenseits des großen Vergessens nun auf sie wartete.
Die Prüfung bei der Togra erwählt worden war hatte niemand anderes als Tar, der erste Reiter der Gehörnten abgehalten. Drei Eier hatte man den versammelten Urgalgra vorgestellt. Und ich waren es vier gewesen, doch eines hatte sich bereits einen Reiter gewählt. Einem jungen Menschen der dieselbe dunkle Hautfarbe trug wie die Nachtjägerin.
Die verbliebenen Eier waren silbern und blau gewesen. Ein helleres Blau als das der mächtigen Feuerzunge Saphira aber dennoch recht ansehnlich. Es war jedoch das dritte Ei gewesen, dass sofort Togras Aufmerksamkeit errungen hatte. Das glänzende schwarz und die rötlichen, kupferfarbenen Adern hatten die damals erst 16 Sommer alte Gehörnte sofort in ihren Bann gezogen. Wie sehr dieses Ei sie anzog musste ein anderer wartender Gehörnte auf schmerzvolle Weise erfahren. Er hatte es gewagt sich über das schwarze All lustig zu machen und seine Freunde gefragt, ob dieser Drache zu faul gewesen wäre eine Farbe zu entwickeln. Jugendlicher Übermut hatte diesen Worten inne gewohnt, doch Togra hatten sie so in Rage versetzt, dass sie den ihr unbekannten Urgal angegriffen, und ihm einen Arm gebrochen hatte. Eine wilde Prügelei war die Folge gewesen, da die Freunde des Verletzten ihren Kameraden rächen wollten. Auch sie lernten, dass Togra niemand war mit dem man sich anlegen sollte.
Die ältesten ihres Dorfes waren über diesen Ausbruch nicht begeistert und hatten sogar erwogen, sie, die Urheberin der Gewalt, zur Strafe vor der Reiterprüfung auszuschließen. Sie verdankte es Tar, dass diese Strafe sie nicht getroffen hatte. Er hatte sich die Zeit genommen und sie gefragt warum der Streit entbrannt sei. Als sie ihn beschrieb wie sehr sie das schwarze Ei in seinen Bann zog hatte der erste Reiter der Gehörnten nur gelächelt und einige Worte mit dem Dorfältesten gewechselt. Daraufhin hatte man sie direkt zu den Eiern geführt und sie das Schwarze berühren lassen. Ein Knacken und Risse in der dunklen Schale in Togras Schicksal besiegelt.
Mit allen guten Wünschen ihres Blutclans versehen, war sie in den Osten aufgebrochen um ihre Ausbildung zu beginnen. Die Erinnerungen ließen Togra erneut schmunzeln. Nein, sie war wirklich nicht die einfachste Schülerin gewesen die je bei Meister Feuerschwert und seiner Gefährtin Sturmklinge in die Lehre gegangen war. Besonders Togras aufbrausendes Temperament war etwas gewesen, dass immer wieder zu Unfrieden geführt hatte. Erschwerend kam hinzu, dass Aragna nicht wie bei manchen Seelenpartnern ein Gegengewicht zu dieser Eigenschaft lieferte sondern sich die Seelenschwestern viel mehr gegenseitig angestachelten. Bereits die Reise zur Ostmark, auf der einige Elfen sie als Leibwache begleiteten war alles andere als einfach verlaufen.
Für Togra hatte es nur die Lebensweise der Urgalgra gegeben. Nichts sonst! Sie hatte nicht begriffen warum sie als Kriegerin lernen sollte die absonderlichen Gebräuche anderer Völker zu verstehen. Glücklicherweise war Eragon mit viel Geduld gesegnet gewesen und wann immer das nicht genug war um Togra zu überzeugen hatte die mächtige Saphira eingegriffen. Oh, diese Drachendame war eine strenge Lehrmeisterin und konnte zwei Dinge überhaupt nicht vertragen: Faulheit und Widerspruch. Die ehrwürdige Drachendame hatte Mittel und Wege sich bei "aufmüpfigen Küken "Respekt zu verschaffen und sowohl Aragna als auch Togra waren mehr als einmal von ihr zurecht gestutzt worden.
Erst langsam hatte die junge Gehörnte begriffen, dass ein Drachenreiter nicht nur zum Kämpfer ausgebildet wurde sondern Aufgaben hatte, die nicht den Einsatz der Hörner erforderten sondern des Verstandes der zwischen ihnen thronte. Doch auch über sich selbst hatte Togra während ihrer Ausbildung viel gelernt und war durch diese Einsichten zu einer Stärke gelangt die ihr ganzes Wesen ausfüllte. Eben diese innere Stärke war es, für die sie Meister Feuerschwert am dankbarsten war.
Einmal hatte er seinen Schülern die Aufgabe gestellt, zu ergründen was ihre größte Angst war. Togra hatte darauf reagiert als hätte ihr Lehrer sie beleidigt. Lautstark hatte sie verkündet, dass sie überhaupt nichts fürchten würde. So leidenschaftlich war sie geworden, dass Meisterin Saphira schließlich eingegriffen hatte. Mit einem schnellen Streich ihres Schwanzes hatte die mächtige Flammenzunge die Gehörnte von ihren Füßen holt und sie mit einer ihrer Pranken am Boden festgenagelt. Ein donnerndesbrüllen hatte jeden Widerspruch im Keim erstickt und dann hatte die Drachendame zu ihr gesprochen. Eine mächtige Stimme war durch Togra Gedankeng ehalt und hatte keinen Widerspruch geduldet.
- "Jedes Wesen das atmet fürchtet etwas du vorlautes Küken. Auf zwei Arten gehen Zweibeiner und einige Drachen, denen es an Hirnschmalz fehlt, mit dieser tiefsten Furcht um. Sie ignorieren sie oder sie besiegen sie. Ignorierst du sie, dann zieht sich diese Furcht in den dunkelsten Teil deines Verstandes zurück und dort sitzt sie und wartet. Von dort aus beeinflusst sie dich, flüsternd, so dass Du es kaum bemerkst."-
Flammenzunge hatte daraufhin ihr mächtiges Haupt gesenkt bis ihr eisnlaues Auge Togras Sichtfeld völlig ausgefüllt hatte.
- "Verleugnet eine tiefsten Furcht nur weiter Küken dann wird sie immer etwas sein, das macht über dich hat. All dein Handeln wird vergiftet werden. Willst Du das eine Furcht Macht über dich hat? Willst Du, dass dein Handeln vergiftet und in einem entscheidenden Moment vielleicht ein Versagen die Folge dieser Angst ist?"-
Das hatte Togra selbstverständlich nur verneinen können.
- "Gut Kücken!"-hatte Meisterin Flammenzunge geantwortet und ihre Ausführung damit beendet, dass sie sagte: - "Dann hör auf meinen Reiter anzukläffen wie eine streunende Hündin und sucht den dunkelsten Winkel deines Geistes und deiner Seele auf. Stell dich deiner Furcht und besiege sie! Dann nämlich erhältst du die Macht, die diese Furcht bisher über dich hatte." -
Während dem jungen Menschen Ishaha diese Übung recht leicht fiel brauchte Togra einige Tage um ihren stolz herunter zu schlucken und tatsächlich in sich zu gehen. Sie hatte es zwar nicht gewagt Meisterin Saphira zu widersprechen aber sie glaubte nicht wirklich daran, eine Furcht zu entdecken. Sie hatte erkennen müssen, dass ihre Lehrer wesentlich weiser waren als sie ist ihnen bisher zugebilligt hatte. Es hatte sich erschreckt was sie entdeckte und Togra hatte erkennen müssen, dass Flammenzunge Recht gehabt hatte. Ihre Furcht hatte ihr Verhalten auf mannigfaltige Art und Weise beeinflusst. Die auf brausen des Verhalten und letztlich auch der Aufruhr, bei der Eiprüfung waren Ergebnisse dieser Furcht. Bei der Prüfung mochte ihr Verhalten eine positive Konsequenz gehabt haben doch die Gehörnte musste in ihrer Erinnerung erkennen, dass das nicht immer der Fall gewesen war.
Unschlüssig wie sie mit dem was sie entdeckt hatte umgehen sollte hatte sich Togra an ihrem Lehrmeister Feuerschwert gewandt und ihm gestanden was sie im tiefsten Innern fürchtete.
Sie war eine Urgalgra-Kriegerin und wusste, dass der Tod zum Leben gehörte. Sie fürchtete nicht den Tod, der einen während einer ruhmreichen Schlacht ereilen konnte sondern jene Art von Tod, die sinnlos genannt werden konnte. So war ihr Großvater verschieden. Er war ein großer Krieger und Jäger gewesen aber bei einem rauschenden Fest um seinen Sieg zu feiern war er über einen weggeworfenen Hühnerknochen gestolpert, unglücklich gefallen und hatte sich das Genick gebrochen. Als Togra das als junges Mädchen, dem noch die Hörner wachsen mussten, erfahren hatte war sie erschüttert gewesen. Ein Leben voller Siege, erfolgreicher Kämpfe und Tapferkeit schien durch diesen unwürdigen Tod geradezu verspottet zu werden. Das war ihre Angst! Auch auf eine so unwürdige und sinnlose Weise ihr Ende zu finden. Doch es war nun mal eine Tatsache, dass dies jederzeit passieren konnte. Es fiel ihr schwer sich dies einzugestehen aber sie hatte ihren Lehrer fast verzweifelt gefragt wie man eine solche Furcht besiegen sollte. Was Feuerschwert ihr gesagt hatte war der Grundstein des Respekts, den Togra bis heute vor ihm emfand. Seit jenem Tag hatte Meisterin Flammenzunge nicht mehr eingreifen müssen um mangelnde Demut gegenüber ihrem Reiter zu tadeln.
Eragon hatte sie gefragt ob sie folgendes als einen sinnlosen Tod ansehen würde. Wenn er ihr befehlen würde auf den höchsten Berg der Ostmark zu klettern, allein ohne jede Hilfe um ihm eine Blume von der Spitze dieses Berges zu bringen und die Erschöpfung Togra nach Erfüllung ihrer Aufgabe töten würde, wäre das dann in ihren Augen ein sinnloser Tod?
Togra hatte gestehen müssen dass sie diesen Tod in der Tat als sinnlos ansehen würde. Gewiss, es lag eine gewisse Ehre darin, wenn man sich den Befehlen seines Meisters fügte aber alle ihre Kraft und sogar ihr Leben zu verlieren nur um eine Blume zu pflücken? Nein, das war sinnlos.
Eragon Feuerschwert hatte gelächelt. Offensichtlich war das die Antwort gewesen die erwartete. Er hatte seine Schülerin daraufhin gefragt:
"Und wenn ich dir nun sagen würdet Togra, dass am Fuße des Berges Tausende auf deine Rückkehr warten würden und in dieser Blume ein Zeichen der Götter sehen würden, dass die Zeit gekommen ist sich gegen ein großes Unrecht zu erheben, wäre das dann sinnvoll? Wäre es ehrenwert wenn deine Tat dazu führen würde, dass sich eine mächtige Armee erhebt, eine mörderische Tyrannei besiegt und eine Reich errichtet, dessen Ruhm noch in Jahrhunderten seinen Glanz nicht verlieren wird? Wäre das für dich ein ehrenwerter und sinnvoller Tod?"
Erneut hatte Togra mit einem Ja antworten müssen und Eragon hatte wieder gelacht.
"Aber du hast doch nichts anderes getan als vorher!" sagte Feuerschwert. "Du hast nichts anderes getan als auf einen Berg zu steigen und eine Blume zu pflücken. Was schließen wir daraus? Das was wir tun ist bedeutungslos. Den Dingen wohnt Ehre und Sinn nicht einfach so inne. Wir geben ihnen den Sinn. Was ich dir jetzt sage Togra sage ich dir mit voller Überzeugung: Damit dein Tod, wann auch immer endlich er eilen mag, sind voll und von Ehre geprägt ist musst Du nur eines tun: dafür sorgen, dass der Tod dich er eilt während du mit all deiner Kraft das anstrebt was dein Herz als gut, wahr und richtig ansieht. Wenn du so lebst wird das "wie" deines Ablebens bedeutungslos."
Togra hatte begriffen was ihre Lehrmeister Feuerschwert und Flammenzunge mit dieser Übung bezweckt hatten. Es war ein seltsames Gefühl gewesen als diese mächtige Angst von ihr wich. Eine große Ruhe nahm ihren Platz ein und eine völlig neue Stärke schien durch den Körper der jungen Gehörnten zu fließen bis in die Spitzen ihrer Hörner. Dieser Augenblick war ein Wendepunkt in Togra Leben gewesen. Gern dachte sie an ihn zurück.
Es waren die Flügelschläge ihrer zurückkehrenden Drachendame die die Reiterin in die Realität zurückgeholten. Nun galt es sich einer neuen Herausforderung zu stellen und dies mit ganzer Kraft und ganzem Herzen zu tun. Dann würde sie nach ihrem Ableben in Ehren über den Fluss des Blutes reisen und sich in der Heimstatt der ehrenwerten Vorfahren ein prächtiges Heim für die Ewigkeit aus den Gebeinen ihrer Feinde errichten.

Eragon Buch 7 - Im Wandel der ZeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt