Kapitel 12

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„Was gibt es denn, Bryan?", fragte Hansson neugierig, während er sich in der Küche umsah.

„Es ist da ein Notruf eingegangen, vor etwa einer Stunde."

Bryan sah den Detective verheißungsvoll an, dessen Blick einen Moment erstarrt war.

„Die Handynummer konnte als die des Professors identifiziert werden. Der Notruf selbst war wohl etwas verwirrend. Die Frau hat gemeint, wir sollten uns das mal anhören. Aber Detective, es hat ganz den Anschein, dass Joy Recht hat. Dem Professor scheint tatsächlich etwas zugestoßen zu sein."

~

Joy saß draußen und hatte Schwierigkeiten, zu atmen. Vor ihr hatte sich ein riesiger Abgrund aufgetan und mit jeder Sekunde kam sie ihm näher und drohte darin abzustürzen. Sie wusste einfach nicht mehr, was sie denken sollte. Was sollten denn diese Fragen des Detectives?

Stocksteif saß Joy auf dem Sofa, das Kissen immer noch im Schoß, und wusste einfach nicht weiter. Sie war so wütend und gleichzeitig verwirrt, entsetzt und zerbrechlich. Sie konnte überhaupt nicht verarbeiten, was sie da gerade alles gehört hatte. Es war unfassbar und geradezu unerträglich, wie diese Männer über ihren Dad redeten. Sie taten ja fast so, als wäre er ein Schwerverbrecher, der irgendetwas Schlimmes getan hatte, sodass er im Jahr 2003 ein neues Leben hatte beginnen müssen und jetzt aufgrund dessen wieder hatte verschwinden müssen.

Aber das stimmte nicht!

Ihr Dad war kein Verbrecher und er würde Joy niemals alleine zurücklassen. Das würde er nicht tun. Es gab sicherlich für alles eine Erklärung! Die musste es geben – obwohl sie selbst langsam daran zu zweifeln begann. Und das machte ihr Angst.

Sie musste hier weg!

Joy wollte sich nicht noch mehr Anschuldigungen von diesen Männern anhören. Sie wollte nicht beginnen, an ihrem eigenen Dad zu zweifeln, der aus tiefstem Herzen ein guter Mensch war. Was diese Polizisten erzählten, machte alles keinen Sinn. Ihre Informationen waren falsch. Und Joy wusste, wo sie sich die richtigen Informationen holen konnte. Ohne zu zögern schoss sie aus dem Sofa hoch und flitzte so leise es ging mit wild pochendem Herzen zur Tür. Dort versicherte sie sich, dass niemand sie sehen konnte, schnappte sich im Flur ihre Jacke und verschwand unbemerkt und mit einem tiefen Atemzug nach draußen.

~

„Tut mir Leid, Joy", kam Hansson mit Bryan aus der Küche zurück. „Wir müssen –" Schockiert blickte er sich im Zimmer um. „Joy? Joy!"

Nur wenige Augenblicke später stürzte bereits Amys Mutter zur Tür herein.

„Ist alles in Ordnung?", erkundigte sie sich besorgt. „Huch, wo ist denn Joy?"

„Na das fragen wir uns auch. Haben Sie sie nicht gesehen?"

„Nein, ich dachte, sie ist bei Ihnen."

„Das war sie auch bis gerade eben. Verdammt! Was soll denn das?", schnaubte Hansson ungläubig und ließ seinen Blick noch einmal durchs Zimmer schweifen.

„Ist sie einfach verschwunden? Moment, ich schaue mal bei Amy nach. Oder vielleicht ist sie ins Bad. Warten Sie einen Moment."

Hansson nickte, auch wenn ihm ein dumpfes Gefühl zuflüsterte, dass die besorgte Frau Joy hier im Haus nicht finden würde. Aber er versuchte trotzdem, einen kleinen Funken der Hoffnung zuzulassen. Vielleicht würde Joy ja doch gleich die Treppe herunterkommen?

Doch sein Gefühl hatte Hansson nicht betrogen. Das tat es selten. Die Frau kam ohne Joy zurück.

„Es tut mir leid, ich konnte sie nicht finden. Amy hat sie auch nicht gesehen. Das ist mir ein Rätsel. Wo ist sie denn hin? Ist sie einfach gegangen? Das ist so gar nicht ihre Art. Aber Sie müssen das verstehen, nach allem, was seit heute Morgen passiert ist."

Im Strudel der Zeit - Tödliche GeheimnisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt