Kapitel 117

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„Henry!", brüllte eine Stimme und Joy blieb das Herz stehen. Die Stimme hörte sich enthusiastisch an, euphorisch, glücklich. Es konnte nur das eine bedeuten: der Schatz. Sie hatten den Schatz gefunden! Joy begann unvermittelt zu zittern. Das war nicht gut. Gar nicht gut. Die Zeit schien plötzlich wie Sand durch ihre Finger zu rinnen. Nicht mehr lange und ihre Zeit war abgelaufen.

„Der Schatz!" brüllte dieselbe Stimme und bestätigte damit Joys schlimmsten Befürchtungen. „Wir haben ihn!"

Tosender Jubel folgte, während Joys Herz raste.

Es war ihr Todesurteil.

Das Grauen packte sie mit eiserner Hand. Die Schmerzen ignorierend wand sie verzweifelt ihre Hände in den Fesseln bei dem hilflosen Versuch, irgendwie freizukommen. Ihre Panik war überwältigend! Wie eine Lawine drohte sie sie zu überrollen und unter sich zu begraben. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Was sie in diesem Moment durchlebte, war reinste Todesangst. Sie wusste mit hundertprozentiger Gewissheit, dass sie sterben würde. Und das schon sehr bald!

Joys Verstand hörte auf, zu arbeiten. Verzweifelt strampelte sie mit den Füßen, als könnte sie damit irgendetwas erreichen. Weiterhin kämpfte sie mit den Fesseln um ihre Handgelenke, obwohl das Seil sich schmerzhaft in ihre offenen Wunden schnitt. Joy war übel. Ihre Augen starrten panisch in jede Richtung. Von ihren gefesselten Händen und Füßen, die sie einfach nicht befreien konnte, auf die durchlöcherte und umgegrabene Lichtung vor ihr, nach links und nach rechts. Jeden Moment würde Black Soul vor ihr auftauchen, seine überschwängliche Freude mit ihr teilen und ihr anschließend seine Waffe an den Kopf setzen. Verzweifelt schluchzte sie. Wieso konnte sie sich nur nicht befreien! Wieso hatte Bear die Fesseln so fest verschnürt! Mit aller Kraft presste sie sich gegen den Baum, als hätte sie eine Chance, ihn aus dem Boden zu reißen und so zu entkommen. Sie atmete viel zu schnell und zu flach. Irgendwo in ihren wirren Gedanken begriff sie, dass sie gerade eine Panikattacke erlitt. Das Jubelgeschrei hinter ihr verschwamm zu einem Brei. Bald war es so weit, bald war es so weit, jeden Moment konnte er auftauchen!

„Verdammt, bitte, überleg es dir anders!", flehte sie verzweifelt in sich hinein. „Du musst das nicht tun! Bitte, lass mich einfach laufen!"

Angsterfüllt sah sie weiter nach rechts und links. Und da plötzlich – da stand er! Joy zuckte erschrocken zusammen, dann erstarrte sie zu Eis. Die Welt schien aufzuhören, sich zu drehen. Mit einem breiten Grinsen starrte der Pirat sie an. Ihr Herz setzte aus und alles um sie herum verschwamm. Nur Black Soul schälte sich gestochen scharf aus der trüben Umgebung heraus. Black Soul und seine Waffe.

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„Schscht!", mit dem rechten Zeigefinger über dem Mund drehte James sich um und sah ernst in Richtung Polizisten.

Erschrocken blieben die Männer stehen und sahen ihn ihrerseits fragend an. Hansson zog neugierig die Augenbrauen nach oben. Doch dann schien auch er es zu hören. Männergeschrei. Im nächsten Moment wurde es bereits lauter und mehrere Männer schienen mit einzustimmen. James konnte es nicht fassen. Er wollte es nicht fassen. Henry hatte den Schatz gefunden! Es war die einzige Erklärung für die offensichtlichen Freudenschreie. Unruhe machte sich in James breit. Dass die Piraten den Schatz gefunden hatten, bedeutete, dass Joy nicht mehr viel Zeit blieb. Bei den Göttern, sie mussten sich beeilen! Sie mussten Joy retten, bevor es zu spät war! Zum Glück waren sie nicht mehr weit entfernt, doch jeder Meter war ein Meter zu viel. James wollte genau in diesem Moment bereits auf der Lichtung sein. Er wollte seine Joy in die Arme nehmen und er wollte sie vor dem sicheren Tod bewahren.

„Hansson, denken Sie an meine Worte", wandte James sich noch einmal warnend an den Detective. Es durfte beim besten Willen nichts schief gehen.

Resigniert schüttelte Hansson den Kopf und stöhnte.

Im Strudel der Zeit - Tödliche GeheimnisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt