Kapitel 69

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Die Stunden vergingen und James hatte immer wieder versucht, irgendein Lebenszeichen von Joy zu erhalten. Vergeblich. Seit dem Geschehnis am Mittag hatte er keinen Laut mehr von ihr gehört. Er war verzweifelt. Was war passiert? Wo hatten sie Joy hingebracht? Annie hatte kein Wort gesagt. Sie hatte wohl einfach nicht gewusst, was sie sagen sollte. Beunruhigt hatte sie ihn beobachtet und war erschrocken zusammengezuckt, jedes Mal, wenn er nach Joy gerufen hatte. Wieder holte James Luft, um nach seiner Tochter zu rufen.

„James?", kam Annie langsam aus ihrer Ecke gekrochen. „Meint Ihr nicht, dass es reicht?"

Traurig sah sie ihn an. Mit ihren dünnen Fingern umklammerte sie das Gitter und steckte ihren Kopf halb hindurch. Mit großen Augen starrte sie ihn an.

„Sie hört Euch nicht", flüsterte sie dann. „Oder sie kann Euch nicht antworten", legte sie dar, was sie dachte.

James wusste, dass sie Recht hatte. Natürlich wusste er es. Er wollte es nur einfach nicht wahrhaben! Müde sah er das Mädchen an.

„Es ist einfach –", stöhnte er verzweifelt, ohne den Rest des Satzes über die Lippen zu bekommen.

„Ich weiß", nickte Annie verständnisvoll. „Ihr macht Euch Sorgen. Ich mache mir auch Sorgen, wisst Ihr?"

Liebevoll sah James Annie an und seufzte.

„Annie, was soll ich nur tun?", wandte er sich fragend an sie, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Eigentlich stellte er die Frage mehr sich selbst.

„Gebt Black Soul, was er will, und rettet damit Eure Tochter", kam unerwartet eine Antwort von Annie.

Überrascht sah James auf. Er stöhnte und blickte Annie kopfschüttelnd an. Diese kindliche Naivität, die sie teilweise ausstrahlte, tat gut. Aber gleichzeitig schmerzte sie auch. Sie schmerzte so sehr. Wenn doch nur alles so einfach wäre!

„Annie, so leicht ist das nicht", seufzte er betreten und mit einem unangenehmen Engegefühl in der Brust.

Er wusste leider, dass Henry niemals vorgehabt hatte, ihn, Joy oder Annie nach der ganzen Sache einfach gehen zu lassen. Das war nicht seine Art. Niemals ließ Henry einen Gefangenen einfach frei. Außerdem hatte James ihm bereits zugesagt, ihn zu dem Schatz zu führen. Doch Henry war seither noch nicht darauf zurückgekommen. Er ließ sich Zeit. Er genoss die Situation viel zu sehr, so wie sie im Moment war. Er schien es bis zum letzten Tropfen auskosten zu wollen.

Wenn es nach James ginge, wären sie schon längst unterwegs und Joy wäre nie auf diesem Schiff angekommen. Doch es ging nicht nach James. Alles lief nach Henrys Regeln. Und seine Regeln waren andere. Seine Regeln waren die der Macht, der Rache und der Vergeltung. Er würde alles ausspielen, was er hatte. Er würde James ausnehmen, bis ihm nichts mehr blieb, als um den Tod zu betteln. Er hatte sein perfides Spiel bereits kunstvoll eingefädelt. Joy war hier. Nachdem er James mit der Prügelattacke seiner Männer jede körperliche Kraft genommen hatte, nahm er ihm damit auch noch seine Seele und quetschte sie langsam und qualvoll aus. Erst wenn er das erreicht hatte, wenn er James vollständig gebrochen hatte, erst dann würde er ihn darum bitten, ihn zu seinem Schatz zu führen. Und dann hätte er alles, was er wollte. Anschließend würde er Joy vor James' Augen foltern und töten, sodass auch James selbst nichts anderes blieb als der Tod, weil das Leben ohne Joy und mit all den drückenden Schuldgefühlen nicht mehr lebenswert war.

Es hatte einfach alles keinen Sinn. Henry hatte die Zügel in der Hand und James hatte kaum eine andere Wahl, als seinen Befehlen zu folgen und wie eine Marionette alles zu tun, was Henry von ihm verlangte. Er wollte kämpfen, selbstverständlich wollte er das, doch wie sollte er das tun, ohne das Leben seiner Tochter zu gefährden? Verzweifelt ließ er den Kopf hängen. Annie sah ihn schwer besorgt an.

Im Strudel der Zeit - Tödliche GeheimnisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt