Kapitel 81

328 42 94
                                    

Das bisher längste Kapitel dieses Buches und eines meiner früheren Lieblingskapitel (hab das Buch ja schon vor ein paar Jahren geschrieben) ;-)

Viel Spaß beim Lesen <3

----------------------------------------------

Joy hatte die Augen geschlossen. Die Sonne blendete sie. Wieder war sie ihr schutzlos ausgeliefert und das seit Stunden. Ihr Schädel dröhnte noch immer unerträglich von den wiederholten Schlägen ins Gesicht und die Sonne machte das nicht besser. Joy verging schier und sie hatte keine Möglichkeit, irgendetwas an ihrer Situation zu ändern. Sie war dazu verdammt, ganz genau hier an Ort und Stelle sitzen zu bleiben und sich von der Sonne brutzeln zu lassen. Es war kaum zu ertragen! Sie war am Verdursten!

Da schob sich plötzlich ein Schatten vor ihr Gesicht. Erleichtert, aber gleichzeitig ängstlich – ein Schatten konnte fast nur Schlechtes bedeuten – öffnete sie die Augen, um sofort erschrocken zusammenzuzucken. Es war John! Panisch starrte sie ihn an. Was wollte er hier? Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so sehr in einem Menschen getäuscht. Wirklich nie. Ihr Herz schlug höher. John stand schweigend vor ihr und betrachtete sie nachdenklich.

„Joy", sagte er dann langsam und sie atmete schneller.

Entsetzt starrte sie dem Mann, der sie so gequält hatte, ins Gesicht.

„Ngng!", schluchzte sie verzweifelt.

Verschwinde hier! Hau ab! Was willst du hier, du hast genug angerichtet!, flehte sie innerlich. Doch dann blieb sie schon wieder irritiert an seinen Augen haften. War das Traurigkeit, was sie da sah? Wieder etwas, was sie bei keinem der anderen Männer je gesehen hatte. Was hatte es mit diesem John nur auf sich?

„Joy, es tut mir Leid, dass ich so fest zuschlagen musste", meinte er dann mit gedrückter Stimme.

Seine Worte hörten sich aufrichtig an. Doch konnte sie dem wirklich vertrauen? Fassungslos starrte sie ihn an.

„Glaube mir, ich habe das nicht gerne getan."

Eindringlich blickte sie ihm in die Augen. Gerne vielleicht nicht. Aber er hatte es getan. Joy fiel es im Moment leider schwer, einfach darüber hinwegzusehen. Was wollte dieser Mann von ihr? Wieso war er hier? Wollte er ihre Vergebung, um sein Gewissen zu beruhigen? Soweit war sie beim besten Willen noch nicht. Nicht, solange sie noch jeden einzelnen Schlag bildlich vor Augen sah und die Schmerzen spürte, die diese Schläge verursacht hatten.

„Henry hat mich gefragt, Joy. Da sagt man nicht Nein", erklärte John trocken. „Ich habe versucht, es wenigstens schonend ausfallen zu lassen."

Schmerzlich dachte Joy an die ersten Schläge zurück, dann an die letzten. Es war tatsächlich ein himmelweiter Unterschied gewesen, das konnte sie nicht leugnen. Hatte John sich wirklich anfangs zurück gehalten? Für sie?

Unverändert starrte sie ihn an. Sie wusste noch immer nicht so recht, was sie von ihm halten sollte. Sie konnte ihn einfach nirgends richtig einordnen.

„Glaube nicht, dass ich auch nur einen Moment alles gegeben habe", sprach er dann weiter und Joy zog ungläubig die Augen zusammen.

Die letzten Schläge hatten es in sich gehabt. Sie hatten sich sehr wohl nach allem angefühlt. Nach allem und viel mehr. Eindeutig hatte er all seine Kraft hineingelegt. Noch immer spürte sie ihren Hinterkopf, mit dem sie an den Mast geknallt war. Jeden einzelnen Schlag spürte sie. Da war keine Zurückhaltung mehr gewesen. Ganz sicher nicht. Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.

„Joy, du weißt nicht, wozu ich fähig bin, wenn ich will", sah John sie traurig an. Er schien ihre Gedanken erraten zu haben.

Joy schluckte. So verrückt das vielleicht klingen mochte, aber sie glaubte ihm. Seine Worte klangen ehrlich und sein Blick war aufrichtig. Joy hatte schon immer ein gutes Gespür für die Gedanken und Gefühle anderer Menschen gehabt. Und dieser Mann schien die Wahrheit zu sagen, so verwirrend das auch war. Hatte er ernsthaft nicht alles gegeben? Aber wozu war dieser Mann dann fähig? Was für Kräfte steckten nur in ihm? Plötzlich kniete er sich zu ihr und sie zog erschrocken ihren Kopf zurück. Unsicher starrte sie ihn an.

Im Strudel der Zeit - Tödliche GeheimnisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt