Kapitel 70

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Kaum hatte er sie abgestellt, packte Black Soul Joy fest mit seiner rechten Hand am Kragen. Hätte er das nicht getan, wäre Joy vermutlich einfach vornüber gefallen. All das überforderte sie komplett und ihr Kreislauf kam beim besten Willen nicht mit, nachdem sie den ganzen Tag reglos der prallen Sonne ausgeliefert gewesen war. Ihr Herz pumpte, ihr Schädel dröhnte. Und unter ihr blickte ihr eine Masse perverser gewaltliebender Männer entgegen. Sie hatte Mühe, nicht vor Schwindel und nervöser Angst das Bewusstsein zu verlieren.

„Nach sechzehn Jahren", legte Black Soul nun wieder los und ließ Joy damit zusammenzucken. Seine lauten Worte schmerzten in ihren Ohren. „Nach sechzehn Jahren hat unsere Suche endlich ein Ende!", rief er mit einem übermäßig zufriedenen Gesichtsausdruck. Man konnte seine Freude aus jeder Pore tropfen sehen.

„Aye!", brüllten die Männer von unten jubelnd.

Joy atmete schwerer und ihr Herz raste. Tausende Gedanken schossen ihr durch den Kopf, während Black Souls Worte langsam bei ihr ankamen.

Sechzehn Jahre?

Vor sechzehn Jahren war sie geboren.
Vor sechzehn Jahren war ihre Mutter gestorben.
Vor sechzehn Jahren hatten sie Perth verlassen.

Hatte ihr Dad Black Soul in Perth getroffen? Hatten sie sich gekannt, bevor Joy zur Welt gekommen war? Aber wie war denn das alles möglich? Das hier waren verdammte Piraten! So sehr ihr Verstand versuchte, ihr etwas anderes einzureden, die Eindrücke hier auf diesem Schiff sprachen für sich. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was hier vor sich ging und mit Logik schien hier sowieso überhaupt nichts mehr erklärbar zu sein. Aber sie konnte einfach nicht anders, als diese Männer als echte Piraten anzusehen. Das waren doch nicht nur Verkleidungen! Das war doch nicht alles nur gespielt! Diese Männer waren brutal, skrupellos und angsteinflößend. Und Black Soul übertraf sie alle in jeder dieser Eigenschaften. Joys Gedanken spielten verrückt und schafften einfach nicht, dem allem einen Sinn zu geben. Verzweifelt starrte sie in die bunte Mannschaft, die aufgeregt Black Souls Worten lauschte. Was sollte das alles nur?

„Endlich, hier und heute, haben wir Grund zum Feiern!", erhob Black Soul wieder seine Stimme. „Wir haben James und heute hat sich auch noch seine Tochter zu uns gesellt!"

Joy erstarrte und jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich an, als Black Soul sie unter dem Jubel der Männer einen Tick nach oben hob, um sie ihnen zu präsentieren. Ihr Magen zog sich zusammen und ihr Herz raste. Gleichzeitig stieg eine unglaubliche Wut in ihr auf. Sie konnte nicht fassen, dass diese Männer ihr Unglück feierten! Sie fühlte sich so verraten und verkauft, am liebsten wäre sie einfach im Boden versunken.

„Endlich bekommen wir, was uns gehört!", fuhr Black Soul feierlich mit seiner Rede fort.

„Aye!", grölte der versammelte Chor ihm begeistert entgegen.

„Und jetzt lasst uns feiern, bis der Morgen graut! Hebt eure Becher und stoßt darauf an!"

„Aye!", brüllten die Männer noch einmal und hoben mit Freuden ihre Becher.

Schnaubend beobachtete Joy die Szene. Es war grauenhaft!

„Auf James, auf Joy und auf unseren Schatz!", brüllte Black Soul, dass sich die Balken bogen und Joy erschrocken zusammenzuckte.

„Aye!", lachten die Männer an Deck und stießen wie wild ihre Becher aneinander, bevor sie gierig daraus tranken.

Auch Black Soul hatte inzwischen einen Becher in der linken Hand und kippte ihn mit einem Schluck in sich hinein. Ein lauter Rülpser folgte, bevor er den Becher mit einem Krachen auf das Geländer vor ihm knallte.

„Na dann feiert und dröhnt euch die Birne weg! Ihr habt es euch verdient!", brüllte er lachend in die Menge und die Männer jubelten aus voller Kehle.

Im Strudel der Zeit - Tödliche GeheimnisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt