„Was? Sie hat sich gemeldet? Und es ist auch sicher, dass sie es war?"
Hansson konnte nicht fassen, was er da hörte.
„Wir sehen keinen Grund, etwas anderes anzunehmen."
„Alles klar. Schickt einen Krankenwagen hin. Sie soll unbedingt durchgecheckt werden. Und dann bringt sie in mein Büro. Bringt sie auf keinen Fall ins Krankenhaus, verstanden? Nur zu mir."
„Alles klar Detective, verstanden", erwiderte der Mann am Hörer und legte auf.
Hansson ließ sein Handy auf den Schreibtisch fallen und warf seinen Kopf in den Nacken, während er voller Erleichterung durchatmete. Endlich mal eine gute Nachricht! Eine sehr gute Nachricht sogar. Eine Sorge weniger. Nun war es nur noch eine Frage von Minuten, bis er das Mädchen endlich in Sicherheit wusste und sie außerdem sogar zu ihren Entführern befragen konnte. Eine bessere Nachricht hätte er nicht kriegen können. Sofort nahm er den Hörer wieder zur Hand und rief im Krankenhaus an. Er hatte keine Ahnung, in welchem Zustand sich das Mädchen befinden würde. Aber er vermutete, dass es ihr nach allem, was geschehen war, nicht besonders gut ging. Und dieses Mal würde Hansson behutsamer vorgehen müssen. Sonst riskierte er, überhaupt nichts mehr von Joy zu erfahren. Da war es sicher besser, wenn ihr Arzt dabei sein würde.
~
Die Sekunden kamen ihr vor wie Minuten und Minuten wie Stunden, obwohl sie nicht einmal wusste, ob überhaupt schon Minuten vergangen waren. Aufmerksam beobachtete Joy ihre Umgebung. Sie hatte bemerkt, wie die Frau von der Bank vorbeigelaufen war und sie heimlich beobachtet hatte, bis sie sich ertappt gefühlt hatte. Die Touristengruppe hatte inzwischen ihre Tickets erstanden und ging aufgeregt in das Gebäude. Sie schienen ins Madame Tussauds zu gehen. Joy war einmal mit Amy dort gewesen, vor zwei Jahren, nur zum Spaß. Sie hatten als Ferienjob eine Weile in einem Kaffee gearbeitet und sich danach einige Ausflüge gegönnt. Das Madame Tussauds war einer davon gewesen. Bei der Erinnerung an den Tag, an dem sie so viel Spaß dabei gehabt hatten, sich mit all den steifen Promis in den verrücktesten Posen zu fotografieren, wurde es Joy ganz warm ums Herz und für einen Moment vergaß sie ihre erdrückenden Sorgen. Die Erinnerung entführte sie in eine andere Welt. Eine Welt voller Freude. Eine Welt, in der alles gut war.
Joys Miene verdunkelte sich wieder. Ja, eine Welt, in der alles gut war. Betonung auf war. Was war nur seither geschehen? Warum hatte sich alles geändert?
Inzwischen hatte Joy sich außen am Ticketschalter auf den Boden gesetzt und an die Wand gelehnt. Sie war einfach zu müde zum Stehen und ihr Fuß schmerzte zu sehr. Außerdem war sie auf diese Weise schön klein und unauffällig und niemand konnte sich ihr von hinten nähern. Die Säuselmusik, die vom Ticketschalter aus an ihr Ohr drang und die Touristen anlocken sollte, machte Joy ganz kribbelig. Wenn sie sie noch viel länger würde ertragen müssen, würde sie durchdrehen. Sie versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, als sie plötzlich ihren Namen hörte, ganz leise, aber sie hörte ihn. Besser gesagt ihren Nachnamen. Den Namen ihres Vaters.
Aufgeregt spitzte sie die Ohren. Sie sah keinen Polizisten vor sich stehen. Wer hatte ihren Namen gesagt? Den Namen ihres Vaters? Verwundert sah sie sich um. Es musste wohl von dem Kaffee nebenan gekommen sein. Dort liefen die Nachrichten. Blitzartig schoss Joy nach oben und rannte in das Restaurant.
„Der Professor wird seit gestern Abend vermisst. Bisher ist nicht klar, ob sein Verschwinden mit dem Mord am Vortag zu tun hat. Es wird jedoch über einen Zusammenhang spekuliert. Inzwischen soll es auch einen Versuch gegeben haben, die Tochter des Professors zu entführen. Sie konnte jedoch mit Hilfe der Polizei entkommen und befindet sich derzeit in ärztlicher Behandlung."
Joys Herz blieb für einen Moment stehen. Es war also wahr! Sie hatte entführt werden sollen. Sie war tatsächlich in Gefahr! Und ihr Vater war tatsächlich entführt worden und wurde nach wie vor vermisst. Eine Träne der Verzweiflung lief ihr über die Wange und sie atmete einmal tief durch. Unauffällig sah sie sich zu allen Seiten um und versuchte, die Fassung zu bewahren. Jeden Moment würde ein Polizeibeamter kommen und sie abholen. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln. Oder nicht?
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Im Strudel der Zeit - Tödliche Geheimnisse
AdventureJoy liebt ihren Vater über alles. Als er eines Tages, kurz nachdem er der Polizei bei den Ermittlungen in einem Mordfall geholfen hat, spurlos verschwindet, geht für sie eine Welt unter. Noch schlimmer wird es, als die Polizei in seiner Vergangenhei...