Mac hatte James aus seinen Ketten befreit und ihn dann hinter sich her die Treppe hochgeschleift. An Deck hatte bereits die gesammelte Mannschaft auf sie gewartet und in freudiger Erwartung gebrüllt und gejubelt. Sie hatten Mac und James Platz gemacht, bis Mac neben einem der Masten stehen geblieben war. Er hatte James das Hemd vom Leib gerissen und die Hände mit einem Seil gefesselt. Das Seil hatte er anschließend am Quermast hochgezogen, bis James gerade noch so mit seinen Zehen Halt am Boden fand. Dann hatte Mac das Seil am Mast befestigt.
James' Handgelenke und Schultern schmerzten fürchterlich von der Belastung. Einen Moment versuchte er, sich aus seinen Fesseln zu befreien, auch wenn er wusste, dass es sinnlos war. Mac sah ihm schadenfroh grinsend dabei zu.
James war übel. Als er der Tatsache in die Augen blickte, was ihn in den folgenden Minuten oder Stunden erwarten würde, schien sein Herz stehen zu bleiben. Er fühlte sich, als schwebe er im luftleeren Raum und für einen Moment stand die Zeit einfach still. Die Geräusche um ihn herum verschwammen zu einem Brei, bis sie ganz verstummten.
James blickte in die Runde. Ein paar Männer hatten sich von der umstehenden Mannschaft gelöst und waren näher auf ihn zugetreten. Da war natürlich Mac, der Mann, den James neben Henry schon immer am meisten gehasst hatte. Er hatte immer seine Freude daran gehabt, bei ihren Raubzügen Menschen zu töten. Wenn nötig war er ihnen sogar noch hinterher gerannt, nur um des Tötens Willen. Dabei war er auch vor Frauen und Kindern nicht zurückgeschreckt. James hatte ihn dafür verabscheut.
Neben Mac standen Tyler und Bell. Bell war in einem Glockenturm aufgewachsen, daher der Name. Durch die Glocken war er fast taub, aber dieses Defizit glich er mit übertriebener Brutalität aus, um sich Respekt bei den Männern zu verschaffen. Tyler war da nicht viel besser.
Zwei weitere der Männer, die zum Kreis derer gehörten, die wohl ausgewählt wurden, um James zu verprügeln, kamen James unbekannt vor. Entweder er erkannte sie nach all den Jahren nicht mehr, oder sie waren neu dazugekommen. James konnte sich aber vermutlich darauf verlassen, dass auch sie gut austeilen konnten und mit ziemlicher Sicherheit großen Spaß daran hatten. Vielleicht hatte die Mannschaft auch ausgelost, wem der Spaß zuteilwurde, sich an James zu rächen. Denn eigentlich konnte James sich nicht vorstellen, dass irgendjemand hier freiwillig einem anderen Mann den Vortritt lassen würde. Nicht in dieser Sache. Nicht bei der Rache an James. Viel wahrscheinlicher war es, dass es bereits im Vorfeld Prügeleien gegeben hatte, um die Sache zu klären. Wer gewonnen hatte, durfte nun an der Rache teilhaben. Die anderen mussten sich mit zuschauen begnügen. Denn wenn achtzig Mann gleichzeitig auf einen einzelnen Mann einprügelten, lebte dieser Mann nicht lange. Und das war nicht Sinn und Zweck der Sache. James sollte überleben. Er musste Henry schließlich noch zu dem Schatz führen.
James sah sich weiter um. Hinter den zwei unbekannten Männern bäumte sich Bear auf. Sein Name bezog sich schlicht und ergreifend auf seine angsteinflößende Gestalt. Er konnte jeden Gegner bezwingen, und zwar nicht durch Geschicklichkeit, so wie es bei James der Fall war, sondern durch rohe Kraft und Größe.
James erzitterte bei der Vorstellung, dass sich all diese Männer gleich auf ihn stürzen würden. Da erkannte er noch einen weiteren Mann, der sich etwas im Hintergrund hielt, der aber wohl ebenfalls zu denen gehörte, die ihn verprügeln würden.
James stutzte. Er wollte seinen Augen nicht trauen. War das John? James wollte nicht glauben, was er sah. John war sein einziger Verbündeter auf diesem verdammten Schiff gewesen. Warum hatte er sich dieser Gruppe angeschlossen? War er wirklich hier, um James zu verprügeln? James konnte und wollte es nicht glauben. Er schnaubte, während er langsam wieder in der Realität ankam. Laute Stimmen drangen zu ihm durch und durchbrachen die Mauer der Stille. Es waren Beleidigungen, Beschimpfungen und Gelächter. Von allen Seiten strömte es auf James ein. Das ganze Schiff war erfüllt davon. Und alles galt alleine James.
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Im Strudel der Zeit - Tödliche Geheimnisse
AdventureJoy liebt ihren Vater über alles. Als er eines Tages, kurz nachdem er der Polizei bei den Ermittlungen in einem Mordfall geholfen hat, spurlos verschwindet, geht für sie eine Welt unter. Noch schlimmer wird es, als die Polizei in seiner Vergangenhei...