Im Strudel der Zeit - Tödliche Geheimnisse

Kapitel 84

„Joy, erinnerst du dich an unseren Ausflug in die Blue Mountains? Der dreitägige Wanderausflug?"

Starr blickte Joy ihren Dad an. War das jetzt wirklich sein Ernst? War er wirklich dabei, ihr zu erzählen, wo er einen Schatz versteckt hatte? Hatte er ernsthaft diesen Schatz?

„Joy, bitte nicke oder schüttle den Kopf."

Ihr Dad sah sie eindringlich an, auch wenn sie sah, wie schwer es ihm fiel, sie darum zu bitten. Aber er schien es ernst zu meinen. Ganz langsam nickte sie. Natürlich erinnerte sie sich. Vor vier Jahren waren sie in den Sommerferien für drei Tage in die Blue Mountains gefahren und hatten sich fernab der offiziellen Wanderwege durchs Dickicht geschlagen und weniger bekannte Orte des Waldes erkundet. Es war magisch gewesen. Sie hatte es geliebt.

„Joy, erinnerst du dich auch noch an die erste Nacht? Der Baum, unter dem wir unser Zelt aufgestellt haben? Erinnerst du dich?"

Unsicher nickte Joy. Ja, sie erinnerte sich daran, aber sie fand es unheimlich, unter diesem Gesichtspunkt darüber zu sprechen. Es war eine schöne Erinnerung, sie wollte sie nicht zerstören. Sie wollte nicht, dass diese Entführung und dieser Schatz ihr eine Erinnerung kaputtmachen würden, die sie immer geliebt hatte und an die sie immer wieder glückselig zurückdachte. Ihr Puls raste und ihr Atem war unregelmäßig. Sie wollte einfach nicht hören, was ihr Vater zu sagen hatte! Sie wollte weg von hier, wollte das alles ausblenden und für immer vergessen. Sie wollte, dass alles wieder normal war, dass alles, was in den letzten Tagen passiert war, nie passiert wäre. Sie wollte es alles ausradieren. Und vor allem wollte sie jetzt sofort aussteigen. Sie wollte das ganze Spiel einfach hier abbrechen. Wieso gab es keinen Stopp-Schalter? Wieso konnte sie nicht einfach von hier verschwinden?

„Und du würdest diesen Ort wiederfinden?", unterbrach ihr Dad ihren Gedankengang. Verdammt, sie war wieder abgedriftet. Verzweifelt kramte sie seine Worte aus dem akustischen Gedächtnis hervor und wiederholte sie im Stillen. „Ganz sicher? Das ist wirklich wichtig, Joy."

Joy musste gar nicht lange darüber nachdenken. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. Woher sollte sie denn wissen, ob sie diesen Ort wiederfinden könnte? Das war vier Jahre her! Natürlich erinnerte sie sich. Aber würde sie ihn wirklich wiederfinden? Einen Baum in einem Wald voller Bäume? Joys Verzweiflung war grenzenlos.

„Joy", hakte ihr Dad noch einmal besorgt nach. „Verdammt, Henry, nimm ihr das Tuch aus dem Mund. Ich muss mit ihr reden können!", wandte ihr Dad sich wieder wütend an Black Soul, doch dieser schüttelte nur schmunzelnd den Kopf.

„Sie muss nur zuhören. Das reicht", wiederholte er seine Worte von vorhin.

Joy schnaubte verzweifelt. Ihre Kehle schnürte sich zu. Ihr Leben schien von dem abzuhängen, was ihr Dad ihr erzählte. Sie konnte noch immer nicht glauben, wie ernst die Lage war. Ihr Dad musste so unfassbar verzweifelt sein. Schließlich war er es, der ihr erklären musste, wo er angeblich einen Schatz versteckt hatte. Und er musste es ihr so erklären, dass er sich zu hundert Prozent sicher sein konnte, dass sie den Schatz finden würde. Denn andernfalls würde er seine Tochter verlieren. Verdammt, Joy musste sich mehr konzentrieren. Sie musste sich anstrengen. Sie musste ihren Dad beruhigen, soweit es irgendwie möglich war. Sie musste ihn wissen lassen, dass sie es schaffen konnte.

„Verdammt, Joy, erinnere dich!", ermahnte sie sich selbst. „Findest du den Baum wieder?", grübelte sie und wühlte in ihren Erinnerungen.

Weil sie sich einfach nicht genug konzentrieren konnte, während ihr Dad schwerverletzt vor ihr saß und sie mit vor Verzweiflung geweiteten Augen anstarrte, schloss sie für einen Moment ihre Augen und versuchte den Weg zu diesem Baum vor ihrem inneren Auge nachzugehen. Erst, als sie sich wenigstens einigermaßen sicher war, öffnete sie wieder ihre Lider und nickte langsam und unsicher. Hatte sie denn eine andere Wahl? Selbst wenn sie den Kopf schütteln würde, würde Black Soul sie trotzdem mitnehmen. Er würde nicht von seinem Plan abweichen. Wenn sie den Schatz nicht finden könnte, würde er sie einfach töten und doch ihren Dad mitnehmen, sobald es ihm wieder besser ging. Dann würde er zwar noch eine Weile warten müssen, bis ihr Dad wieder so weit zu Kräften gekommen war, dass er die Strapazen einer Schatzsuche auf sich nehmen könnte. Aber so oder so würde Black Soul bekommen, was er wollte.