Vorsichtig öffnete Hansson die Tür. Sein Atem stockte, als er Lockwood erblickte. Das Gesicht des Mannes sah wirklich übel zugerichtet aus. Seine Augen, seine Lippen, seine Wangen, alles war geschwollen. Eine Wunde auf der Brust war von einem großen Pflaster verdeckt, eine lange Schnittwunde war offensichtlich genäht worden. Auch im Gesicht hatte er eine versorgte Schnittwunde. Lockwoods linker Arm lag in einer Schlinge, vermutlich wegen der gebrochenen Rippen. Sein Oberkörper war übersät von grünen, roten und blauen Flecken, großen und kleinen Blutergüssen.
Hansson schluckte. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was dieser Mann durchgemacht hatte. Wie viele Schläge hatte er einstecken müssen, dass sein Körper ein solches Bild abgab? Langsam trat Hansson einen Schritt ins Zimmer. Es war ein seltsames Gefühl, Lockwood zu sehen. Als er ihm das letzte Mal begegnet war, war er noch ein normaler Mann gewesen, ein Professor, der ihnen bei einem Fall aushalf. Nun lag da ein Mann aus der Vergangenheit. Ein Zeitreisender. Ein Mann mit einer überaus erstaunlichen Geschichte. Hansson konnte nicht anders, als ihn fassungslos anzustarren. Da hatte Lockwood ihn bemerkt.
„Ah, Detective Hansson", begrüßte er ihn, als er seinen Kopf drehte. Seine Stimme klang schwach.
„Hallo Professor Lockwood", entgegnete Hansson die Begrüßung. „Sie haben nach mir gefragt?"
Lockwood nickte. Hansson kam näher auf sein Bett zu.
„Ich weiß, wo Henry ist", kam der Professor direkt auf den Punkt und sah Hansson dabei ernst in die Augen.
Hansson war völlig perplex. Er hatte vorerst mit ein wenig Smalltalk gerechnet und befürchtet, dass er Lockwood womöglich zu einer Aussage würde zwingen müssen. Dass Lockwood sofort Hanssons größten Wunsch erfüllte, hatte er ganz bestimmt nicht erwartet.
„Aber ich habe eine Bedingung", fügte Lockwood dann hinzu.
Fragend blickte Hansson ihn an.
„Ich komme mit", verkündete Lockwood und seine Worte klangen nicht so, als würde er irgendeine Widerrede dulden.
Erstaunt sah Hansson ihn an. Er konnte nicht fassen, was er da hörte.
„Aber Professor Lockwood –", versuchte er es mit einer Erwiderung.
„Ich komme mit, oder wir lassen es bleiben", unterbrach Lockwood ihn forsch.
Hansson war fassungslos. Wie stellte Lockwood sich denn das vor? Er brauchte ärztliche Hilfe, er war ganz offensichtlich schwer verletzt. Die Ärzte waren noch nicht einmal durch mit ihren Untersuchungen. Hansson glaubte kaum, dass sie Lockwood würden gehen lassen.
„Ich weiß nicht, ob das möglich ist", drückte Hansson seine Bedenken aus. Er wusste nicht so recht, was er sonst sagen sollte.
„Dann sorgen Sie dafür, dass es das ist."
Fordernd sah Lockwood ihn an. Hansson erkannte den Schrecken der letzten Tage in Lockwoods Augen, in seinem ganzen Wesen. Da war etwas in seinem Blick, das Hansson das Blut in den Adern gefrieren ließ. Für Lockwood war die Geschichte noch lange nicht vorbei, nur weil er das Schiff verlassen hatte. Er wollte es zu Ende bringen. Er wollte Black Soul folgen und er wollte seine Tochter retten. Vorher würde er nicht kürzertreten. Hansson hatte vermutlich keine Chance, ihn von seinem Wunsch abzubringen. Der Mann hatte so viel durchgemacht, hatte vermutlich auch für Joy einiges eingesteckt und nun kam es für ihn nicht in Frage, die Rettung seiner Tochter blind in die Hände der Polizei zu legen. Hansson stöhnte.
„Ich sehe, was ich machen kann", knickte er widerwillig ein. Er glaubte tatsächlich nicht, dass er eine andere Wahl hatte. Lockwood würde sich vermutlich nicht umstimmen lassen.
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Im Strudel der Zeit - Tödliche Geheimnisse
AdventureJoy liebt ihren Vater über alles. Als er eines Tages, kurz nachdem er der Polizei bei den Ermittlungen in einem Mordfall geholfen hat, spurlos verschwindet, geht für sie eine Welt unter. Noch schlimmer wird es, als die Polizei in seiner Vergangenhei...