„Joy!", rief Stevens erschrocken aus. Er schien die Situation sofort erfasst zu haben. „Was soll das?", fragte er entsetzt.
„Es tut mir Leid", stieß Joy mit wild pochendem Herzen aus. „Es tut mir wirklich leid", wiederholte sie und entfernte sich wenige Schritte von dem fassungslosen Mann, sodass er die Waffe nicht erreichen konnte, um sie ihr aus der Hand zu nehmen.
„Joy", flehte Stevens sie an und stand langsam auf. „Joy, das ist eine tödliche Waffe, die du da in der Hand hast. Damit ist nicht zu spaßen!"
Vorsichtig kam er auf sie zu. Eindeutig versuchte er, die Situation zu deeskalieren. Er ging nicht davon aus, dass sie schießen würde.
„Verdammt, bleiben Sie stehen!", brüllte Joy und zielte mit der Waffe gegen die Decke. Mit einem lauten Knall, der sie selbst und erst recht Stevens zusammenschrecken ließ, löste sich ein Schuss aus der Waffe. Damit dürfte sie ihren Standpunkt klar gemacht haben, dachte sie und zielte zitternd wieder auf Stevens. Der Schuss hallte immer noch in ihren Ohren nach.
„Ich meins ernst, Stevens. Bleiben Sie stehen."
Sie hoffte, ihr Blick wirkte so ernst, wie er sollte. Ihre Gesichtszüge wollten ihr gerade nicht wirklich gehorchen. Zu aufgewühlt war sie selbst von dem lauten Knall.
Doch Stevens starrte sie zu Tode erschrocken an. Fassungslos stand er da. Offensichtlich versuchte er zu verstehen, was gerade passiert war, doch es war wohl zu verrückt, um es wirklich zu verstehen.
„Geben Sie mir Ihr Handy", bat Joy entschlossen.
„Stop!", stieß sie dann aus, als Stevens bereitwillig näherkam, um es ihr zu geben. Selbstverständlich würde er die Situation nutzen wollen, um ihr die Waffe zu entwenden. „Legen Sie es da auf den Tisch", befahl sie stattdessen.
Unsicher folgte Stevens ihrem Befehl.
„Joy, was soll das?", fragte er noch einmal und Flehen und Unverständnis lagen in seinem Blick. „Was tust du da?"
Joy antwortete nicht. Diese Situation brauchte ihre volle Konzentration.
„Und jetzt nehmen Sie Ihre Handschellen", befahl sie mit einem dicken Kloß im Hals und schluckte schwer. Sie konnte selbst nicht fassen, was sie gerade tat. Ihr Kopf dröhnte von ihrem viel zu schnellen Puls. Der unangenehme Schwindel ihrer Gehirnerschütterung war ebenfalls zurück. Sie befürchtete, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Die Anspannung und Aufregung waren einfach zu groß. Joy musste die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, sonst konnte sie für nichts garantieren.
„Verdammt, jetzt nehmen Sie schon Ihre Handschellen", brüllte sie dem völlig überwältigten Stevens deshalb zu. Das hier dauerte einfach zu lange! Auch Stevens schien zu bemerken, dass die Situation zu eskalieren drohte, wenn er nicht tat, was Joy verlangte. Fassungslos nahm er seine Handschellen vom Gürtel und sah sie fragend an.
„Und was nun, Joy? Was soll denn das alles? Das ist doch verrückt. Lass uns doch –"
„Da!", unterbrach Joy ihn mit tränennassen Augen.
Es war das Schwierigste, was sie in ihrem Leben je getan hatte. Sie bedrohte einen Polizisten mit seiner eigenen Waffe – und das nur, um sich selbst in die Hände eines Mörders zu begeben. Sie war verzweifelt. Wie hatte es nur soweit kommen können? Wieso um alles in der Welt passierte das alles überhaupt? Aber sie hatte im Moment keine Zeit, sich über solche Fragen den Kopf zu zerbrechen. Im Moment musste sie einfach nur handeln. Nachdenken konnte sie auch später noch.
„Fesseln Sie sich an das Balkongeländer", befahl sie dem erschütterten Polizisten und zeigte mit ihrer Waffe in Richtung Balkon.
Das Geländer war die einzige Stange, die sie in ihrer Umgebung finden konnte, von der Stevens ihr nicht folgen und sein Handy nicht erreichen konnte. Stevens schluckte schwer und sah sie noch einmal flehend an.
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Im Strudel der Zeit - Tödliche Geheimnisse
AdventureJoy liebt ihren Vater über alles. Als er eines Tages, kurz nachdem er der Polizei bei den Ermittlungen in einem Mordfall geholfen hat, spurlos verschwindet, geht für sie eine Welt unter. Noch schlimmer wird es, als die Polizei in seiner Vergangenhei...