Kapitel 76 - Erlösung

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Beunruhigt sah er sie an. Immer wieder neigte er den Kopf hin und her um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Es war nutzlos.  Wie immer saß sie da und starrte ins Nichts, als würde sie irgendwo eine Tiefere Bedeutung ihres Seins suchen. Der Dunkle Schleier der über ihren Augen lag, hatte ihre hellblaue Iris in ein Mattes, fahles Blau verwandelt. Daryl presste seine Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen. Drei Wochen war es nun her. Allen ging es gut, die ganze Gruppe hatte nun den Impfstoff bekommen und waren Immun. Tyreese und Sasha stellten sich als gute Mitglieder heraus, sie waren eine Bereicherung. Alle schienen so, als würden sie sich ganz langsam erholen.

Nur Leo nicht. Schon zum gefühltesten hundertsten Mal war sie einfach verschwunden. Wie immer begab er sich auf die Suche nach ihr, doch er fand sie immer am Selben Ort. Auf dem Flugzeugflügel.

Wie immer saß er nun da, fand keine Worte um ihr Gemüt zu heben und die Hilflosigkeit drängte ihn schon an den Wahnsinn. Wenn es hoch kam, hatte sie vielleicht vier Sätze gesprochen in den letzten Wochen. Jede Nacht lag er neben ihr, sie weinte sich jede Nacht in den Schlaf, sagte aber kein Wort. Irgendwann musste das aufhören!

„Leonie, wir sitzen schon seit Stunden hier.“ Brummte er mit Nachdruck. Er legte leicht den Kopf schief um ihren Blick auf zu fangen, doch sie atmete nur hörbar aus und starrte weiter ins Nichts.

„Rede mit mir, bitte.“ Jammerte er, es glich aber mehr einem Flehen. Er hatte alles versucht, was sollte er bitte noch machen? Traurig musterte er sie.

Ihre Haare hingen matt in Strähnen herunter, ihr Gesicht war eingefallen und blass und ihr Körper zehrte schon an den letzten Resten. Essen oder Trinken, tat sie fast nie und wenn er sie nicht bald aus sich raus holen konnte, würde sie sterben. Das war ihm mehr als bewusst.

Doch wie immer reagierte sie nicht auf ihn. Schwer seufzend stand er auf, wollte gehen, blieb aber doch noch einmal stehen und sah zu ihr hinab.

„Ich habe keine Ahnung, was du durchmachst...“ er knurrte, „aber du bist egoistisch.“

Leo drehte sich unendlich langsam zu ihm und reckte den Kopf in die Höhe. Es sah so aus, als würde alleine diese kleine Bewegung, ihr unglaubliche Kraft kosten. Ihre Augen sahen ihn an, zumindest glaubte er das. Es wirkte so, als würde sie einfach durch ihn hindurch sehen, ohne erkennen ohne auch nur eine Emotion zu zeigen.

„Du stirbst, wenn du so weiter machst. Willst du uns das allen noch einmal antun?“ knurrte er und zuckte hilflos mit den Schultern.

„Wenn du mit mir nicht reden willst, dann rede mit jemand anderen, Julia, Maggie...mit einem Baum es ist mir gänzlich egal, nur ich will meine Leonie wieder zurück haben. Das wollen wir alle.“

Hoffnungsvoll sah er sie an, doch sie drehte sich nur langsam wieder zurück und sah wieder auf einen Punkte, den es scheinbar nicht gab.

Gestresst fuhr er durch sein Gesicht und schüttelte den Kopf.

„Daryl?!“ rief eine Männliche Stimme von unten zu ihm hoch. Er sah über den Rand des Flugzeuges und sah Tyreese unten stehen.

„Pack sie ein, es ist so weit.“ Rief er und nickte deutend.

Leo war natürlich nicht taub, sie hatte gehört was Ty zu Daryl sagte. Doch sie wollte nirgendwo hin. Eigentlich wollte sie gar nichts mehr. Bei jeder Bewegung die sie tat, sah sie keinen Sinn und bei jedem Wort, welches sie aussprach, hatte sie Angst vor den Konsequenzen. Ihr Geist war gefangen und eingesperrt, sie hatte alle ihre Emotionen gebannt und weg gesperrt. Hunger oder Durst verspürte sie schon lange nicht mehr. Warum sie in diesen Zustand gefallen war, hatte viele Gründe, doch wusste sie nicht wie sie dagegen wirken sollte. Ihr fehlte auch offen gesagt die Stärke dazu. Niemand wusste wie es in ihr aussah, auch sie nicht.  Innerlich hatte sie eine mauer gebaut um sich von all den Emotionalen Mist abzusondern. Zu viel war passiert. Einen Gedanken darüber zu verlieren riskierte sie erst gar nicht. Alles war dumpf und farblos. Sie sah in nichts mehr einen Sinn und wollte einfach nur hier sitzen und in die Ferne sehen. Leonie war in einem bodenlosen Loch gefangen und niemand konnte es schaffen ein Rettungsseil zu ihr runter zu lassen. Sie würde auch nicht danach greifen.

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