4 - Anavi

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Die Frau wurde langsam wach, als Wasser ihre Lippen benetzte. Gierig streckte sie sich entgegen und trank eilig das kühle Nass.
"Du bist wach. Wie schön." Die Stimme schien sich zu nähern. Als stünde sie weit entfernt und würde durch einen Wald zu ihr sprechen. Aber sie konnte nicht antworten. Gerade wollte sie nichts lieber als trinken.
"Nicht so schnell Kind. Du bekommst schon genug." Die Stimme klang freundlich, erleichtert über das Erwachen der jungen Frau, aber auch streng. Die Stimme konnte einen an seine Arbeit erinnern, wenn man träumte.

"Sie ist wach?" Eine zweite Stimme mischte sich ein. Tiefer als die erste. Doch noch etwas schwang in der Stimme mit, in den Worten, die sie sprach.
"Es scheint so. Es ist das erste Mal, dass sie reagiert, wenn ich etwas gebe."
"Dann macht sie Fortschritte." Eine kühle Hand legte sich an ihre Stirn. "Ihr Fieber ist auch gesunken und die Brüche verheilen gut."
"Sie hat auch lang genug geschlafen, nicht wahr?" Der letzte Teil war direkt an sie gerichtet, worauf sie schwach nickte. Zumindest versuchte sie es, doch ihr Kopf schmerzte, wenn sie nur an die Bewegung dachte.

"Nicht so schnell." Wieder die tiefere Stimme, diesmal nur leiser. Sie spürte die Berührung an den Seiten ihres Halses, dann am Nacken. "Sie hat sich lange nicht bewegt, darum schmerzt es.", erklärte die Stimme und strich die Wirbel nach. "Gleich sollte es besser sein."
Wieder versuchte sie zu nicken, diesmal schoss kein Schmerz in ihren Kopf. Sie versuchte die nächste Bewegung, kleiner und öffnete ihre Augen.
Erst war alles noch verschwommen. Die plötzliche Helligkeit ließ sie diese Aktion jedoch sofort wieder abbrechen. Sie schloss die Augen wieder. "Hell." Ihre Stimme war rau, unbenutzt. Wie lange hatte sie geschlafen, wenn die Stimmen so etwas sagten?

"Es ist dir zu hell?" Ein Rascheln dann ein Ziehen von Stoffen. "Die Vorhänge sind zu. Du kannst es nochmal versuchen."
Wieder ein Nicken, dann zwang sie ihre Lider auf. Tatsächlich war es nun wesentlich dunkler, ihr Blick traf eine hölzerne Zimmerdecke, zumindest erkannte sie den Braunton und erschloss es sich aus dem Wort Vorhänge. Schnell blinzelte sie, um ihre Sicht zu klären, dann drehte sie den Kopf vorsichtig nach links.
Das freundliche Gesicht einer Frau schob sich in ihr Blickfeld. Rotes Haar, das sogar im Zwielicht noch zu erkennen war, war zu einem strengen Zopf zurückgebunden, gegensätzlich zu ihrer warmen Ausstrahlung.
"Was für schöne Augen du hast, Kind." Die Frau lächelte und zeigte die ersten Falten und Augen und Mund. Sie schien viel zu lachen. "Sag, weißt du deinen Namen und woher du kommst?"

Ihr Name... Sie blinzelte, nickte und sagte: "Anavi. Mein Name." Es strengte sie an, zu sprechen. Wie lange musste sie nicht mehr gesprochen haben? Wie lange befand sie sich bereits in der Obhut der Frau? "Woher..." Sie schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, woher sie kam. Was geschehen war oder wie sie hierhergekommen war.
"Na, schon gut. Das kommt bestimmt irgendwann zurück. Du möchtest bestimmt wissen, wo du gerade bist. Also kurz..."

"Warte Maia. Ich glaube nicht, dass sie sich schon alles merken kann." Irritiert drehte sie den Kopf. Ein Mann sah sie besorgt an, das schulterlange, dunkle Haar fiel nach vorn, seine Augen schimmerten etwas. "Anavi, folge bitte kurz mit den Augen meinen Bewegungen." Er hielt einen Finger vor ihr Gesicht, bewegte ihn nach rechts, dann nach links, dann auf- und abwärts. "In Ordnung." Sie sah ihn wieder an. "Es wird Zeit, dass du wieder an Kraft gewinnst. Ich bin ein guter Heiler, aber Tote kann ich nicht zurückbringen. Außerdem musst du anfangen dich zu bewegen."

"Wie lange... bin ich hier?", unterbrach sie ihn, verstand jedoch seine Sorge. Sie spürte, wie nur die wenigen Bewegungen und Worte sie müde machten.
"Ich habe dich vor zehn Tagen gefunden. Seitdem bist du hier und wir versorgen dich."

Der verlorene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt