Dies war nicht der Ausgang in Lorsans Flügel. Missmutig sah sich Anavi zu beiden Seiten um, doch die Wände waren zu prunkvoll geschmückt. Gold, Gemälde und teure Vasen säumten den Gang. Irgendwo musste sie falsch abgebogen sein. Dabei könnte sie schwören, dass sie den gleichen Weg wie immer aus der Küche genommen hatte.
Sie seufzte und drehte sich zurück zu dem Eingang. Der Vorhang hing nur halb davor, das war aber schon so, als sie ihn verlassen hatte. Sollte sie zurückgehen? Die Gefahr, dass sie sich weiter verlief bestand, andererseits konnte sie auch jemanden treffen und nach dem Weg fragen. Sina hatte ihr auch geholfen, die Küche zu finden."Ein Gast?" Sie schreckte auf und drehte sich zur Stimme. Diese hatte sie seit dem Ball nicht mehr gehört und war froh darüber. Nun kam der Prinz genau auf sie zu, die Zwillinge versetzt hinter ihm.
Ihr Blick huschte zum Dienstbotengang. Wenn sie ihn betrat folgte er ihr wahrscheinlich nicht.Soweit kam es nicht, denn der Prinz war zu schnell bei ihr. Er griff nach ihrem Arm und zog sie weg vom rettenden Eingang. Angst kroch in ihren Körper, der Traum in der Nacht des Balls wurde präsent. Die kalten Berührungen des Prinzen.
"Oh, so ängstlich? Keine Sorge. Ich möchte mich nur unterhalten." Er strich ihr mit den Fingern über die Wange. "Kein Gast. Ein Dienstmädchen." Er grinste. "Du bist neu hier, nicht wahr? Hast du dich verlaufen?"
Vielleicht... "Ja, Majestät, ich fürchte schon. Ich suche die Küche und bin wohl falsch abgebogen." Sie setzte ein unschuldiges Lächeln auf. "Könntet Ihr mit vielleicht helfen? Wenn Ihr keine Zeit habt...""Pah! Zeit habe ich immer. Ich werde ja nicht erwartet."
"Nein, Majestät.", antwortete eine der Frauen. "Für Hilfe ist immer Zeit."
"Hörst du? Die Küche also. Komm, ich führe dich." Der Prinz lachte und zog sie mit sich. Anavi hoffte, dass er ihr das Spiel abkaufte und das Interesse verlor. Laut Anmelie hatte er auch sie nur gegrüßt.Ihre Hoffnung zerbrach jedoch, als der Prinz vor einer reich verzierten Tür hielt. "Bitte, die Dame. Hier hinein."
Die Zwillinge teilten sich auf. Eine öffnete die Tür, die andere hielt sich hinter ihnen. Anavi war es unmöglich, die beiden zu unterscheiden.
Sie ließ sich in den Raum führen, im Wissen, dass es gefährlich wurde, wenn sie sich sträubte. "Herr, ist dies wirklich der Weg zur Küche?" Sie sah sich um. Es war ein großer, aber gewöhnlicher Schlafraum. Nahe der Tür stand ein Tisch und zwei Stühle."Ach, die Küche? Nein, die ist hier nicht." Eine der Frauen schloss die Tür. Sie schloss sogar ab und positionierte sich neben ihrer Schwester.
Anavis Angst stieg höher. "Wenn ich zu spät zu meinem Dienst komme..."
"Lass den Unsinn!" Der Prinz stieß sie von sich und rückwärts stieß sie gegen den Tisch. "Du arbeitest nicht hier. Ich kenne jede, die neu angestellt wird. Dich habe ich noch nie gesehen." Drohend baute er sich vor ihr auf. "Sag schon, was du willst, oder du wirst es den Zwillingen sagen. Aber die sind nicht so sanft wie ich. Bist du ein Spion?""Nein, ich arbeite hier. Fragt Martha, die Köchin. Sie erwartet mich."
Der Prinz zog die Stirn kraus, dann packte er wieder ihren Arm, wirbelte sie herum und presste sie an die Wand. Die Panik musste er ihr doch ansehen.
"Sie mich an. Sieh mich an!", knurrte er und drückte ihr Kinn nach oben, sodass sie in seine Augen sehen musste. Sie leuchteten golden. Gleichzeit fühlte sie, wie ein Speer tief in ihre Gedanken drang. Anavi schrie auf und wollte den Kopf zur Seite drehen, doch dem Griff des Prinzen konnte sie sich nicht entwinden. Nicht einmal die Augen konnte sie schließen.Eine ganze Weile hielt er sie so, ließ seine Magie fließen und quälte sie, grinste dabei. Dann endlich ließ er sie los, der Schmerz verschwand sofort und sie fiel schluchzend auf den Boden.
"Anavi... Lorsans kleine Begleitung. Doch nicht aus Sora, was? Nein, natürlich nicht. Du hättest dich sonst nicht gewehrt. Ich kenne Frauen aus Sora. Sie kennen kein Halten. Ich bezahle manchmal viel dafür, dass sie unter mir liegen. Aber du... du bist nicht so. Viel zu schüchtern." Er ging in die Hocke, überragte sie jedoch weiter. Grob griff er in ihr Haar und zwang sie wieder ihn anzusehen. "Ich dachte wirklich, mein Bruder hätte dich gefressen. Du hattest wohl Glück. Oder Pech." Er zerrte sie wieder hoch, stieß sie zu den Zwillingen, die sie an den Armen aufrecht hielten. "Davon hat Lorsan sicher schon erzählt." Er öffnete die Hand vor ihr. Glänzendes, feines Pulver befand sich darauf. Mit einem Finger der anderen Hand nahm er ein wenig davon auf. "Auf dem Ball brauchte es nicht viel, und du bist fast in meinen Armen gelegen. Ich habe dich nur zurück gebracht, weil meine Mutter uns gesehen hat." Mit dem Pulver strich er ihr über die Nase. Es kribbelte, dann verlor sie das Gefühl. "Ich habe auch eines, dass das Opfer empfindlich macht. Möchtest du es ausprobieren?""Bitte... lasst mich gehen..." Anavi schluchzte, doch der Prinz schüttelte nur belustigt den Kopf.
"Nein, noch nicht. Ich bin der Prinz dieses Landes, der zukünftige König. Auch du wirst mir eines Tages gehören, wie alles, in diesem Reich. Doch davor musst du lernen, dass man seinen König nicht belügt. Und je mehr du dich wehrst, um so schmerzhafter wird es." Er zeigte ihr einen verschlossenen Beutel und trat zur Seite. Die Zwillinge zerrten sie zu dem Tisch und drückten sie dagegen. Mit je einer Hand zerrissen sie ihr Kleid in der Mitte, entblößten sie und auch die halblangen Ärmel entfernten sie grob. Der Prinz zerrieb dabei das Pulver zwischen seinen Händen."Bitte... ich sage es keinem..." Anavi weinte. Die Angst riet ihr zur Flucht, doch die Zwillinge ließen sie nicht los. Stumm hielten sie sie fest, während der Prinz vor sie trat.
"Du wirst es niemandem sagen. Oder ich hole dich wieder zu mir. Und wieder. Und wieder. Bis nichts mehr von dir bleibt." Er berührte ihre Schultern, strich das Pulver über ihre Arme, sodass sie den Dienst versagten. Verzweifelt schloss sie die Augen, wollte den Prinzen nicht ansehen, während er sich unter dem Blick seiner Leibwachen an ihr verging.
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Der verlorene Prinz
FantasyAls Anavi ohne Erinnerung an ihr früheres Leben in der Obhut des Heilers Lorsan erwacht, ahnt sie noch nichts von den Verflechtungen, in die sie geraten ist. Zufälle, die sich häufen. Fremde, die behaupten sie und ihre Vergangenheit zu kennen. Träum...