Schmerzen an ihrem Hals weckten sie. Irritiert sah sie über sich, zu einer Gestalt in Schatten. "Adi..." Lorsans Stimme drang aus ihrem Mund, eine Hand presste er auf die Wunde. "Adi... Warum?"
Adi schüttelte den Kopf. Die Schatten stoben zu den Seiten, als sie die silberne Klinge erneut anhob. "Vielleicht... eines Tages..." Ihre Stimme hallte. Es war nicht ihre, denn Anavi hatte sie noch nie gehört. "Verzeihst du mir... Aber jetzt... Ich kann nicht..."
"Adi..." Lorsan schloss die Augen, unter dem Kissen schloss sich seine Hand um den kühlen Griff des Dolches. "Verzeih mir..."
Anavi riss den Dolch hervor, gerade als der Adi-Schatten den seinen erhob. Lorsan war schneller. Die Klinge versenkte sich in ihrer Brust. Überrascht stolperte sie zurück, riss ihn sich aus der Brust und sah auf das Blut, das von der Spitze tropfte. "Was... bist du... Lorsan..."
Die Schatten zerrissen und die Szene verschwand.Es wurde schon hell, als Anavi erwachte, umgeben von Flieder und eng umschlungen mit Lorsan. Sie sollte glücklich sein, doch der Traum beschäftigte sie zu sehr. Es war auch der einzige in dieser Nacht. Vielleicht war sie zu kurz. Vielleicht...
Anavi strich dem Heiler eine Haarsträhne zurück. Die Narbe am Hals war kaum zu sehen, aber es war sicher die, die Adi ihm zugefügt hatte."Ein Traum?" Lorsan sah sie besorgt an. Auch er schien nicht so glücklich, wie er sollte.
Sie nickte, strich über den Rest des Verrats. "Von Adi. Und dir. Von... der hier."
"So plötzlich?" Er verzog das Gesicht. "Wenn ich so schlecht war, dann sag es einfach. Vielleicht wird es beim vierten Mal besser."
"Ich glaube nicht, dass es dadurch ausgelöst wurde." Sie tippte an seine Stirn. "Viertes Mal?"
"Hm. Du bist die zweite Frau in meinem Leben, was erwartest du?" Er lächelte wieder und strich seinerseits eine ihrer Haarsträhnen zurück. "Außer du willst mich nicht mehr.""Doch. Nur..." Sie rollte sich auf den Rücken und löste sich dabei von ihm. "Ich weiß jetzt, was der Verrat war. Erzählst du mir doch mehr von ihr?"
"Ich... muss mir erst überlegen wie. Aber da du das Wichtigste schon weißt, ist es überflüssig sie jetzt noch zu verschweigen."
"Lass das Ende dann einfach weg. Es ist schon schwer genug für dich, zu töten. Und dann auch noch..."
"Oh, sie ist nicht tot."
Überrascht sah sie zurück. "Magierin?"
Der Heiler schüttelte den Kopf. "Nur schlecht getroffen. Ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen.""Was..." Ihr kamen die Worte der Frau in den Sinn. "Was bist du, Lorsan? Das hat sie gefragt. Was meinte sie damit?"
"Die Frage musst du ihr stellen." Er seufzte. "Gestern hätte ich noch gesagt, bevor ich sie endgültig umbringe. Aber jetzt... wenn Respen an allem Schuld war... Vielleicht sollte ich sie suchen, damit sie sich erklären kann."
"Nicht an sie denken." Anavi schloss die Augen. "Darüber denken wir nach, wenn wir deine Familie gefunden haben. Das ist doch der Grund für die Reise."
"Und die Flucht vor Respen. Gut, dass der König die Suche weiter blockiert."
Sie nickte, hob den Arm und schob ihn unter ihr Kissen. Kaltes Metall berührte ihre Finger, doch der Traum hatte sie darauf vorbereitet. Natürlich hatte der Heiler nicht plötzlich aufgehört, immer einen Dolch in Griffweite zu haben. Wie es wohl angefangen hatte? "Warum liegt da ein Messer?" Sie sah zu ihn, Lorsan reagierte jedoch nicht sofort. "Heiler. Warum der Dolch?" Sie stupste ihn an, was auch ihn dazu brachte ihren Blick zu erwidern.Er lächelte. "Vorsorge. Falls mich jemand umbringen will."
"Jemand der neben dir liegt?"
"Am Anfang nicht." Er drehte sich, stütze sich neben ihrem Kopf ab und zog ihre Hand von der Klinge weg. "Später wurde es gefährlicher."
"Du willst jetzt nicht sagen, dass du seit frühester Kindheit ein Messer unter dem Kopfkissen hast?"
"Doch. Leider. Habe ich Respen zu verdanken." Lorsan lachte. "Er hat sich heimlich in mein Zimmer geschlichen, die Zwillinge an seiner Seite und haben mich aus dem Bett geworfen. Ich habe vor Schreck laut geschrien, was die Königin auf ihrem Weg zu Respens Zimmer gehört hat. Sie hat sich aufgeregt, man glaubt nicht, dass ein so gütiger Mensch so schreien kann. Ein paar Tage später hat Rosalie mir den ersten Dolch geschenkt und gemeint, ich solle ihn immer in meiner Nähe haben."Als hätte sie gelauscht klopfte es kurz an die Tur und Rosalie steckte den Kopf ins Zimmer. "Anavi, wir hatten doch ein Training ausgemacht."
"Ist es Zufall, dass du sie hier suchst?" Lorsan rollte sich zurück auf seine Hälfte des Bettes, stützte sich jedoch mit Blick auf die Tür auf.
"Ich habe erst nebenan geklopft, danach hier." Rosalie grinste. "Hätte ich mir aber denken können. Ihr habt euch beim Abendessen schon sehr auffällige Blicke zugeworfen."
"Entschuldige. Ich bin gleich unten." Anavi setzte sich auf und hielt sich die Decke vor den Körper. Eigentlich war das überflüssig. Beide hatten sie schon ausgiebig angestarrt.
"Ach, vergiss es. Du hast heute frei." Die Blonde schüttelte den Kopf, trat zum Bett und ließ sich auf die Kante sinken. "Ist schön zu sehen, das mein kleiner Bruder wieder normal wird. Nach dieser Sache, war das nicht sicher.""Adi..." Anavi sah unsicher zur Seite. Lorsan hatte die Augen geschlossen. "Ich... weiß, was passiert ist. Heute Nacht, habe ich davon geträumt."
"Oh." Rosalie sagte nichts weiter dazu. Musste sie auch nicht. Selbst in den Augen der starken Generalin war der Schmerz nicht zu übersehen. Die Wut.
Adi hat mehr Menschen verletzt, als es ursprünglich schien, hassen konnte Anavi die Fremde jedoch nicht. Nicht, wenn der Prinz etwas mit ihrem Verrat zu tun hatte.
"Ich weiß immer noch nicht mehr über sie. Wie... war Adi denn?"
"Eine schöne, junge Frau. Freundlich, hilfsbereit. Am Anfang zumindest." Rosalie seufzte. "Dann hat sie nicht mehr den Heiler in Lorsan gesehen, sondern den Prinzen. Sie hat sich verändert, hat sich eigenes Personal abstellen lassen. Es mussten immer noch schönere Kleider und teurerer Schmuck sein. Größere Räume. Und Lorsan..."
"Ich habe ihre Wünsche erfüllt. Ohne zu zögern hat sie alles bekommen, genommen ohne sich dankbar zu zeigen. Aber ich war verliebt. Ich hätte einen Thronanspruch erhoben, wenn sie es gefordert hätte. Ich war... blind und dumm, mich auf sie einzulassen.""Du warst verliebt. Das ist normal. Ihr Verrat war auch nicht abzusehen. Sie war hochnäsig und egoistisch, ja, aber nie gefährlich." Rosalie schüttelte den Kopf.
"Aber... Respen hat sie zu dem Verrat gezwungen. Glaube ich." Anavi griff nach der Hand des Heilers. "Er... hat sie vielleicht mit etwas erpresst. Oder sie bedroht..."
"Respen..." Rosalies Blick wurde dunkel. "Noch ein Grund, mir den Thron zu holen. Ich sollte mal mit ein paar meiner Soldaten sprechen. Und wenn Mida erobert ist, werde ich mich als erstes um den Strohkopf kümmern." Sie blinzelte schnell und beendete das Thema. "Aber nicht heute. Er soll sich sicher fühlen. Und ihr... solltet über etwas anderes sprechen als die Vergangenheit." Rosalie lächelte. "Ich gebe weiter, dass eure Zimmer heute keine Besuche brauchen. Zum Essen zweimal klopfen?"
"In Ordnung. Wir bleiben hier." Lorsan zog Anavi wieder an sich, vergrub das Gesicht in ihrem Haar und murmelte: "Aber nur heute."
"Eure Entscheidung." Rosalie stand auf und verließ kichernd das Zimmer.
Anavi hoffte stumm, dass sie nicht gleich eine Hochzeit organisierte...
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Der verlorene Prinz
FantasyAls Anavi ohne Erinnerung an ihr früheres Leben in der Obhut des Heilers Lorsan erwacht, ahnt sie noch nichts von den Verflechtungen, in die sie geraten ist. Zufälle, die sich häufen. Fremde, die behaupten sie und ihre Vergangenheit zu kennen. Träum...