31 - Sorge

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"Ich verstehe." Lorsan sah ihr einen Moment in die Augen. "Interessante Träume. Einige davon wahr, andere möglich."
"Möglich?"
Er wandte den Blick zum Fenster. "Auch Respen behauptet oft, dass ich Frauen fresse. Dabei weiß er, dass ich sie nur aus dem Palast schaffe. Ich korrigiere seine Fehler. Die Unwilligen, erinnerst du dich?"
"Er... betäubt sie. So wie bei mir."
"Richtig. Er hat kein Problem damit die Frau zu bekommen, die er will. Überraschend viele fangen nur deswegen im Palast an. Einige sträuben sich dennoch und das reizt ihn. Er benutzt ein Mittel - ich weiß nicht woher er es hat oder wie es aussieht - das die Frauen wehrlos macht. Wenn er fertig ist torkeln sie durch die Gänge. Jemand findet sie und bringt sie her. Ich helfe ihnen, das Erlebte zu verarbeiten, dann bringe ich sie raus. Sie fangen ein neues Leben abseits der Hauptstadt an."

"Und warum gerade ich?" Schon der Gedanke an den Prinzen ließ sie jetzt erst recht Abneigung empfinden. "Warum sagt auch er, dass du Frauen frisst? Weiß er nichts davon?"
"Doch, tut er. Aber er findet es lustig. Er..." Lorsan schüttelte den Kopf und kämmte sich mit den Fingern durch die Haare. "Nicht heute. Der Tag war schon lang genug. Maia will sich bestimmt auch noch mit dir unterhalten. Ach, und der Schmuck war doch echt." Er lächelte. "Deine Freundin hat es sofort erkannt, aber freundlicherweise mitgespielt."

"Das dachte ich mir. Der Adel war anwesend. Falschen Schmuck hätte man doch sofort erkannt."
"Kluges Kind." Er nickte. "Du bekommst noch die Salbe, dann kannst du gehen. Danke für die Hilfe. Ich habe vielleicht endlich genug, um Lady Mina des Menschenhandels anzuklagen."

Er brachte sie zur Verbindungstür und holte eine kleine Dose aus dem Krankenzimmer. "Einmal täglich auftragen. Wenn es verschwunden ist, kannst du sie behalten. Wer weißt, ob du dir nicht etwas stößt."
"Danke. Sagst du mir, wenn du etwas mit den Träumen anfangen kannst?"
"Versprochen."

Damit betrat Anavi den Gang.
"Den Göttern sei Dank, du bist wach." Maia stürzte auf sie zu und zog sie in eine feste Umarmung. Durch ihre geringe Größe, unterschätzte man ihre Kraft. "Ich dachte schon, der Prinz hätte dich vergiftet. Nur, um Lorsan zu ärgern. Ach Kindchen, was soll ich denn ohne dich hier machen."
"Schon gut. Ich habe nur den Wein unterschätzt. Ich nehme nichts mehr von Prinz Respen an. Versprochen."

"Oh, besser du begegnest ihm nie wieder." Maia löste sich. "Und ich habe dich noch gewarnt, dass er gefährlich ist." Sie schüttelte den Kopf. "Wie kam es überhaupt zu diesem Tanz? Lorsan sollte doch auf dich achtgeben."
"Die Königin war bei uns, als er mich aufgefordert hat. Außerdem ist er der Prinz. Ich konnte schlecht vor ihr ablehnen, oder?" Lorsan hatte sie hilflos angesehen. Auch er hatte nichts tun können.

"Die Königin? Gut, da konnte er nicht viel machen." Sie seufzte. "Ohne die Königin, hätte Lorsan dich vermutlich verteidigt, anstatt ein Glas zu zerdrücken. Die Verletzung hättest du sehen sollen. Am nächsten Morgen, sahen die Schnitte zwar nicht mehr ganz so schlimm aus, aber es geht auch nicht um Tiefe einer Verletzung." Jetzt, da sie es erwähnte, hatte Anavi doch den Handschuh an Lorsan bemerkt. War das etwa das leise Klirren gewesen, bevor der Prinz den Tanz begonnen hatte? "Und was war da mit dem Mittel? Hat er es dir wirklich einfach in den Wein gemischt? Dieser Bengel! Unter den Augen seiner Mutter versucht er dich zu betäuben."
Anavi unterbrach ihre Freundin nicht und folgte ihr in den Salon gegenüber des gemeinsamen Zimmers.

Was sie mehr wunderte, wie er es unter den Augen aller versuchen konnte. Der Prinz war nicht unbekannt und seine Methoden wohl auch nicht. Wenn sie einfach zusammen gebrochen wäre, dann hätte man es doch bemerkt. Oder wollte er sich als Retter aufspielen und die betrunkene Dame zu ihrem Zimmer bringen.
"Ich habe den ganzen Tag nichts geschafft, weil da immer diese Sorgen waren. Sorgen, ob du überhaupt noch aufwachst, Kindchen." Maia schob sie in den Salon und entzündete einen Kerzenleuchter. "Danke den Göttern, dass du noch lebst. Das haben sie verdient."

"Mache ich." Sie lächelte. "Und morgen bin ich auch wieder bei der Arbeit. Dann musst du dir keine Sorgen mehr machen."
"Ach, Kindchen. Kindchen! Das ist alles so aufwühlend. Halte dich einfach vom Prinzen fern, ja? Dann muss ich mir auch keine Sorgen mehr machen."
"Ja, Maia. Ich verlasse den Flügel nur noch zum Wäsche waschen." Anavi lachte. "Außerdem ist Lorsan auch ein Prinz. Soll ich mich von ihm auch fernhalten?"

Die Ältere seufzte. "Ja, davon hat er auch erzählt. Was fällt diesem Bengel eigentlich ein, seinen Bruder so bloß zu stellen? Er bleibt gerne im Schatten, das kann er ihm doch nicht einfach nehmen. Wüsste niemand von ihm, dann wäre er nicht angreifbar."
"Darüber solltest du mit Lorsan sprechen." Anavi sah in die Dunkelheit vor dem Fenster. "Ich wurde mich gerne weiter unterhalten, aber es wird spät. Ich bin müde, obwohl ich nicht gearbeitet habe und will nur noch schlafen." Demonstrativ gähnte sie. Als wüsste ihr Körper, dass der letzte Schlaf nicht der Erholung diente. Sie brauchte die Zeit, um den Alkohol und die Betäubung zu verarbeiten. "Wir sprechen morgen weiter, ja?"

"Hach, na gut." Maia schüttelte den Kopf. "Aber denk nicht, dass du mir entkommst. Ich habe noch viel mehr Fragen."
"Und ich muss mir überlegen, was ich Anmelie erzähle." Anavi stand auf. "Schlaf gut, Maia und bis morgen."

Der verlorene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt