"Die Kristallbrücke." Wirklich eindrucksvoll war die Brücke aus grauem Stein die sich über den Grenzfluss spannte nicht. Dafür gut besucht. Händler mit Karren und Reisende wechselten die Seiten, nachdem sie mit den Männern in zwei kleinen Häuschen gesprochen hatten. "Unglaublich, dass wir schon hier sind." Anavi hielt Hylias Zügel locker, während sie neben Donner wartete. Ihre Stute war gut erzogen und brach nicht schnell aus, wenn etwas plötzlich auftauchte.
"Ja, ich hatte auch früher die Flugblätter erwartet." Lorsan lachte und strich einem der Wölfe über den Kopf. Nach einer Woche Reise konnte sie Sun und Sur, die sich kurz nach Verlassen der Stadt zu ihnen gesellt hatten, nicht auseinanderhalten. Feder hatte es sich bereits auf einem der Häuschen gemütlich gemacht."Flugblätter nicht, aber Heimweh." Anavi sah zurück, doch nur Wälder lagen hinter ihnen und andere Reisende, die ungeduldig auf die Weiterreise warteten. "Dürfen wir die Wölfe eigentlich mitnehmen? Sie sind doch immer noch wilde Tiere."
"Natürlich. Ich muss nur ein Formular ausfüllen und die beiden markieren. Dafür bekommen sie Halsbänder." Er nickte seitlich nach vorn, wo unter einem Unterstand Bänke und Tische standen, an denen schon einige Leute fleißig schrieben. Auf der Brücke konnte sie sogar ebenfalls Wölfe erkennen. Bunte Bänder hingen um ihren Hals und folgsam trotteten sie neben den Menschen.
"Also käme ich nicht allein über die Grenze? Wenn ich nicht schreiben und lesen kann."
"Doch schon. Es gibt hier auch Helfer, die die Reisenden unterstützen. Sie werden aus der Kasse der umliegenden Dörfer unterstützt und arbeiten zum Teil auch dort."Anavi nickte und die Schlange setze sich wieder in Bewegung. Nicht weit, aber zumindest waren sie dem Häuschen und der Brücke ein Stück näher. "Wenn das so bleibt, dann sind wir nicht vor dem Abend durch."
"Das schaffen wir schon." Er deutete nach hinten, wo von Soldaten gerade einige Pfahle in den Boden gesteckt wurden. "Ab einem bestimmten Punkt werden die Reisenden gewarnt, dass die Brücke schließt, bevor sie nach vorn kommen. Ming ist beim Grenzübertritt sehr streng. Wer vor dem Sonnenuntergang nicht im Land oder außerhalb ist, der kann die Grenze bei Nacht auch nicht überschreiten."
Anavi sah sich um. Es hatte sich nichts verändert und auch der Grenzfluss schien ohne Brücke nicht zu überqueren. "Ist das der einzige Weg nach Ming?"
"Nein. Alle Tagesreisen gibt es eine der Brücken über die Flüsse. Das ist in jedem Land so." Lorsan zog sie weiter nach vorn, folgte denen vor ihnen. "Und bevor du fragst, ob ich schon in anderen Ländern war: nein. Ich habe lediglich davon gelesen und Karten gesehen."
"Du hast Mida noch nie verlassen?" Sie war überrascht. Von einem Prinzen erwartete sie eigentlich, dass er auch reiste. Nur, dann hätten wohl schon mehr Leute von ihm gewusst.
"Nein. Aber das hole ich jetzt nach." Er lächelte und trat zu dem Häuschen."Guten Tag. Meine Begleitung und ich möchten einreisen. Die Namen sind Lorsan und Anavi. Wir haben zwei Wölfe und zwei Pferde bei uns, keine Handelswaren." Dabei schob er dem Mann einige Blätter Papier hin. "Die Anträge für die Wölfe."
Der Grenzwächter nickte, sah auf die Papiere, dann zu den Reisenden und Wölfen. Artig saßen Sun und Sur an Lorsans Seite und hoben die Köpfe. "Das Formular ist vollständig." Er holte unter seinem Tisch zwei dicke bunte Kordeln hervor und legte sie vor den Heiler. "Die Kennzeichen für gezähmte Tiere. Was ist der Grund für die Einreise?"
"Durchreise. Wir besuchen meine Schwester in Ming und reisen nach dem Winter weiter nach Jona zur Familie."
"In Ordnung." Als nächstes wanderten zwei Schriftstücke und kleine rotmetallene Abzeichen über den Tisch. "Ihre Reiseerlaubnis. Beim Übergang nach Jona vorzeigen. Die Abzeichen müssen Sie als Fremdländer immer sichtbar tragen."
"Verstanden. Vielen Dank." Lorsan ging weiter und sie machten den nächsten Platz.Kurz vor der Brücke führten sie die Pferde and die Seiten. "Binde die bitte Sun um. Nicht zu fest, sie soll nicht ersticken." Lorsan reichte ihr eine der Kordeln und kniete sich vor den anderen Wolf. Schnell legte er ihm das Kennzeichen um und knotete es doppelt zu.
Unsicher kniete sich Anavi vor die Wölfin, sie sie aufmerksam beobachtete. "Und wenn sie beißt?"
"Tut sie nicht. Und wenn doch, dann bleibt sie hier."
Betroffen winselte der Wolf leise, senkte den Kopf und sah die Frau von unten her an. "Nicht beißen. Ich habe großen Respekt vor den Zähnen."
Sun hob sofort den Kopf, etwas höher als notwendig, worauf Anavi es dem Heiler nachmachte, nur verwendete sie drei Knoten. "Damit ich euch erkenne.", flüsterte sie leise dem Wolf zu, der sie nach getaner Arbeit freundschaftlich anstupste.
Sie überwand sich und strich ihr durch das weiche, graue Fell am Kopf. Sofort wedelte sie mit dem Schwanz."Gut gemacht." Lorsan bot ihr eine Hand um aufzuhelfen. "Sie greifen nur an, wenn ich es erlaube. Es gab noch nie Probleme."
"Die Zähne sind trotzdem... unheimlich." Es schauderte sie beim Gedanken, was die Wölfe mit ihren Knochen machen könnten.
"Sieh mal. Wir haben noch eine lange Reise vor uns, Anavi." Er lächelte. "Du musst lernen, ihnen zu vertrauen, so wie sie es bei dir tun.""Sie... vertrauen mir?" Neugierig schnupperten die Wölfe am Boden. "Seit wann?"
"Seit sie dich gesehen haben. Tiere erkennen sehr schnell, wem sie ihr Vertrauen schenken können und wer eine Gefahr für sie ist. Menschen werden viel öfter von anderen enttäuscht und haben diese Gabe verloren. Und jetzt sollten wir weiter. Zum Abend kommen wir im ersten Dorf in Ming an und können wieder in einem Bett schlafen. Außer, dir ist noch eine Nacht unter freiem Himmel lieber."
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Der verlorene Prinz
FantasyAls Anavi ohne Erinnerung an ihr früheres Leben in der Obhut des Heilers Lorsan erwacht, ahnt sie noch nichts von den Verflechtungen, in die sie geraten ist. Zufälle, die sich häufen. Fremde, die behaupten sie und ihre Vergangenheit zu kennen. Träum...