93 - Prinzessin

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Die Gruppe teilte sich noch im Hof auf. Zwei der Soldaten brachten die kreischende Frau zu freistehenden Käfigen, der Reste nahm die Pferde und Waffen und brachte sie zu einem der Häuser.
Lorik führte Lorsan und Anavi in das größte Gebäude. Warme Feuer prasselten an den Wänden, über einigen hingen bereits Kessel. In der Mitte waren lange Tische und Bänke aufgebaut. Alles mehr funktional als schön und aus nur grob bearbeiteten Holz. Nur der Tisch am weitesten vom Eingang entfernt schien ordentlicher. Er stand auch quer zu den restlichen und war kürzer.
Lorik deutete auf diesen: "Setzt euch. Ich hole die Prinzessin. Es dauert nicht lange. Hoffentlich."

"Wie die Prinzessin wohl ist? Hoffentlich nicht wie Respen." Nachdenklich malte Anavi unsichtbare Muster auf den Tisch. Wie von selbst wurde daraus die Schlange Mings. Sie vermisste Rosalie. Und Anna.
"Kriegerisch, nehme ich an." Lorsan sah sich um und deutete dann durch den Raum. "Keine wohlerzogene Dame würde sich freiwillig in so einer Umgebung aufhalten. Oder angebrannten Eintopf essen."
Als sie den Kopf hob, roch es tatsächlich nach brennendem Essen. Aus einem der Kessel strömte schwarzer Rauch. Der Heiler stand ruhig auf, nahm des Kessel vom Feuer und den nebenliegenden Löffel um umzurühren. Der Rauch verschwand zwar, aber der Geruch blieb.
Kurz darauf stürmte einer der Soldaten herein und fluchte laut. Er nahm Löffel und Kessel an sich und verschwand weiter fluchend nach draußen.

"Schlechter Koch." Lorsan kam zurück, lehnte sich diesmal aber nur an den Tisch. Dabei schloss er die Augen und schien über etwas nachzudenken.
Anavi widmete sich wieder ihrer unsichtbaren Schlange. Jetzt bekam sie die Mähne eines Löwen. Anmelie und Maia vermisste sie auch. Und sogar Faria, die sie bei der ersten Begegnung noch umbringen wollte.
Ein Rabe und Wölfe gesellten sich zu dem Bild. Feder war schon fort, als die Banditen sie geweckt hatten. Hoffentlich fand der Rabe sie bald wieder. Und die Wölfe passten auf die Pferde auf. Einen Zusammenhalt zwischen den Tieren hatte sie schon länger bemerkt. Sie hatte beobachtet, wie die Wölfe in der Nähe der Pferde blieben, die Umgebung beobachteten,selbst wenn die Reiter nicht sichtbar in der Nähe waren. Feder hatte als Späher agiert und die Gruppe über sichere Wege geleitet. Auch schon in Mida und Ming.

"Verzeiht bitte." Lorik kam schnellen Schrittes zurück und schüttelte den Kopf. "Die Prinzessin weigert sich mit euch zu sprechen. Sie ist der Meinung... Wie soll ich das sagen..."
"Dass wir auch Banditen sind." Der Heiler seufzte. "Dann lässt sich nichts ändern. Wir suchen unsere Pferde und reiten weiter. Danke für die Rettung."
"Äh, nein. Ihr konnt nicht gehen. Nicht ohne... Bestätigung der Prinzessin." Lorik senkte den Blick und kratzte sich im Nacken. Es war ihm sichtlich unangenehm. "Ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass sie plötzlich so stur ist. Jedenfalls... geltet ihr erstmal als Bedrohung. Auch anhand eurer... Bewaffnung." Lorsans Speer hatte sich als klappbar herausgestellt und ruhte jetzt in einer Tasche, die an seinen Oberschenkel gebunden war. Wurfmesser und Dolche trugen beide weiterhin versteckt.

"Wir sind Gefangene." Anavi ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. "Wehe, wenn das hier in Wirklichkeit ein Lager von Warn ist und wieder jemand kommt und mich kennt."
"Nein, ist es nicht. Aber wir sind Gefangene." Lorsan lächelte. "Sollen wir dann auch in diesen komfortablen Käfigen warten?"
Eilig schüttelte der Soldat den Kopf. "Ihr bekommt Zimmer. Also, ein Zimmer, wenn das in Ordnung ist. Ich habe hier einen Kontakt von Nachteule, der den Namen Lorsan mit Mida in Verbindung bringt. Also, wenn du mir sagst, welche Position du hattest?"
"Analyse und Aufspürung. Ein paar wollten mich schon zum Anführer machen, aber das war zu viel Verantwortung." Lorsan seufzte laut. "Eigentlich wollte ich davon eine Weile Ruhe."
Der Soldat lächelte diesmal, wenn auch noch gequält. Er fühlte sich immer noch nicht wohl. "Ja, das passt. Folgt ihr mir dann? Ihr solltet das Zimmer zwar nicht verlassen, aber ich bezweifle, dass euch jemand erkennt."

An Lorsans Hand folgten sie Lorik in einen Gang gegenüber dem der Prinzessin in ein kleines, karges Zimmer. Sie hatte nicht viel erwartet in einem unbefestigten Lager, aber der Raum mit der ausgelegten Matratze und einem Tisch samt Stuhl war einer Gefängniszelle ähnlicher als einem Zimmer. Wenn die alternative jedoch einer der Käfig im Hof war, schien es wesentlich annehmbarer. Wenn auch durch ein sehr schmales Fenster nicht wirklich heller.
Ein kleiner Waschraum mit einer Schüssel Wasser ging direkt ab.
"Erinnert mich an früher...", murmelte Lorsan und prüfte die Matratze. Das Rascheln von Stroh war zu hören. "Könnte schlimmer sein. Es bringt wohl wenig, nach einem Buch zu fragen?"
"Bücher gibt es hier nicht. Falls euch langweilig wird..." Der Soldat schüttelte den Kopf. "Es tut mir leid. Das war... dumm."
"Schon gut." Lorsan hob die Arme. "Ich muss noch ein paar Kräuter sortieren und Pasten anmischen. Langweilig wird es erstmal nicht. Aber falls ihr Hilfe beim Kochen braucht, holt mich."
Lorik sah ihn irritiert an, dann zu Anavi. "Weil... deine Begleitung kocht?"
"Nein, das mache ich. Und nebenbei bringe ich es ihr bei." Der Heiler schüttelte den Kopf. "Vergesst es. Wir warten einfach, bis Eure Prinzessin mit uns sprechen will."
"In... Ordnung." Der Soldat verbeugte sich knapp und verließ das Zimmer. Die Tür fiel zwar ins Schloss, es war jedoch nicht zu hören, das ein Schlüssel umgedreht wurde.

"Wir sind Gefangene." Es beruhigte Anavi nicht, diese Tatsache zu wiederholen. Es änderte auch nichts an der Situation. Aber für einen kurzen Moment fühlte sie sich stabil, bevor sie unkontrolliert in Tränen ausbrach und sich auf die Matratze aus Stroh sinken ließ.
"Wir bleiben es nicht.", versprach Lorsan leise, als er dich neben sie setzte, die Hand auf ihren Rücken legte. "Wir brechen aus, dann suchen wir die anderen und reiten weiter in die Stadt. Ich verspreche, wir bleiben nicht hier."
Sie nickte, die Tränen versiegten jedoch nicht, als sie sich an ihn drückte und all ihre Gefühle in heißen Tränen Ausdruck verlieh.

Der verlorene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt