43 - Abschied

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Zwei Stunden später krochen die ersten Sonnenstrahlen über die Stadtmauer. Aurea machte als goldene Stadt und Hauptstadt Midas ihrem Namen alle Ehre.
Trotzdem konnte Anavi sich nicht auf das Schauspiel konzentrieren. Um sie herum wuchs das goldene Licht auf den Häusern hinter der Mauer. Ihr Blick galt nur dem Weg vor ihr.

"Ganz ruhig. Er kommt schon noch." Faria zog sie zurück in den Schatten. Zwar liefen bereits mehrere Händler über die Straßen, doch sie warteten noch eine besondere Deckung.
"Das rate ich ihm." Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. "Sonst kann er was erleben."
"Lass ihn das nicht hören, sonst setzt er dich im nächsten Dorf ab." Die Frau kicherte, dann holte sie etwas unter ihrem Mantel hervor. "Ich habe da noch was. Sieh sie als Geschenk zur bestandenen Ausbildung." Sie reichte ihr einen kleinen Stoffumschlug.
In Anavis Händen fühlte es sich nicht schwer an, weshalb sie das Geschenk schnell öffnete.

"Oh." Sie staunte über die beiden Dolche, die im dunklen Stoff lagen. Beide mit einfachen Lederscheiden, eine noch mit einem kurzen Gürtel. "Die sind hübsch. Und du willst sie mir einfach schenken?"
"Du brauchst sie. Auf Lorsan kannst du dich kaum verlassen." Faria lächelte. "Du kannst mit ihnen umgehen, das hast du bewiesen. Darum sollen sie dich auch weiterhin beschützen." Energischer drückte sie die Klingen zu Anavi. "Du kannst sie problemlos versteckt tragen. Einer für den Stiefel, einen befestigst du am Oberschenkel. Niemand wird erwarten, dass du kämpfen kannst."

"Danke, Faria. Für alles." Anavi umarmte ihre Lehrerin. "Du bist wirklich nett... Obwohl du mich bei unserer ersten Begegnung für eine Spionin gehalten hast. Und mich angegriffen."
"Ja, das war ein unglücklicher Start." Sie klopfte ihr vorsichtig auf den Rücken. "Eines habe ich noch."
Nachdem sie sich gelöst hatten reichte Faria Anavi eine dünne Kette mit einem runden Anhänger. Er zeigte das Relief eines Eulenkopfes. "In Ming und Jona sind wir weiter verbreitet. Und müssen uns nicht verstecken. Solltest du Lorsan verlieren, dann geh damit zu einem der Büros. Du bekommst Unterkunft, Essen, Schutz und sie halten nach ihm Ausschau."
"Danke." Vorsichtig hielt sie das kühle Metall auf ihrer Hand. Wie hieß die Organisation eigentlich? Hatte das jemals jemand erwähnt?

"Nachteule." Faria grinste. "Der Name ist älter als ich und Magier können sehr alt werden, also bin ich nicht Schuld."
Auch Anavi lachte leise, zog sich die Kette über den Kopf und versteckte den Anhänger unter ihrem Hemd. Es war ungewohnt, plötzlich in Hemd und Hose zu reisen, aber ein Kleid wäre zu umständlich gewesen. Der Grund, warum sie in einem Reisekleid den Palast verlassen, sich hier jedoch umgezogen hatte.

"Und wo bleibt Lorsan?" Sie sah wieder zur Hauptstraße. Es wurde bereits voller, dicht gedrängt betraten oder verließen die Menschen die Stadt. Händler mit Karren voller Waren wechselten sich ab mit Kutschen des Adels und bessergestellten Bürger.

"Oh, ich bin hier." Lautlos trat er zwischen den Häusern hindurch, genauso lautlos folgten die Pferde. Trotz beschlagener Hufe auf Stein. "Ich wollte noch auf etwas warten." Auch er sah zur Straße, trat näher heran und sah in Richtung Stadt. "Bald ist es soweit." Er lächelte und hob die erste Satteltasche vom Boden auf. Das halbe Gepäck hatten sie am Treffpunkt gelagert, damit ihre Geschichte nicht frühzeitig aufflog. Losgeritten war der Heiler nur mit seinem Gepäck und leeren Taschen.

"Du hast dir Zeit gelassen." Anavi nahm auch eine Tasche und tauschte sie mit der leeren an ihrem Pferd aus. "Ich dachte schon, du gehst allein."
"Ich wurde aufgehalten. Außerdem wären wir nicht früher durch das Tor gekommen."
"Worauf wartest du denn? Ein Zeichen, dass die Wachen wegsehen?" Faria reichte Anavi eine weitere Tasche. Ganz ruhig wartete das Pferd, bis seine Reiterin alles befestigt hatte.
"Sozusagen." Der Heiler zog den letzten Riemen fest und trat auf Faria zu. "Danke, dass du Anavi unterrichtet hast. Ich bin dir etwas schuldig. Und dafür, dass du mir in schweren Zeit geholfen hast."

"Ohje, jetzt kann ich nicht böse sein.", seufzte die Frau gespielt und nickte. "Keine Ursache. Vielleicht komme ich darauf zurück. Mal sehen, was der Prinz veranstaltet, wenn du weg bist. Der Putsch ist noch nicht vom Tisch."
"Kein Putsch. Kein König Lorsan. Bitte." Er lächelte. "Und wenn doch, dann lass dich wenigstens nicht erwischen."
"Versprochen." Theatralisch verbeugte sie sich vor ihm. "Majestät. Lady Anavi. Eine gute Reise. Meldet euch." Sie lachte als der Heiler sie freundschaftlich schubste und schüttelte den Kopf. "Ehrlich. Die Organisation überbringt schnell Nachrichten."
"Feder ist schneller, aber ich bin nicht der, der an der Organisation zweifelt." Wieder sah Lorsan um die Ecke. "Es ist Zeit aufzubrechen." Er sah zu Anavi. "Bereit?"

"Bereit." Sie stieg in den Sattel und nahm die Zügel auf. "Mach's gut, Faria. Ich lasse dir bestimmt eine Nachricht zukommen."
Die Dunkelhaarige winkte noch, während die Reisenden auf die Straße ritten.
Es war ein Tumult, auf den der Heiler gewartet hatte. Vor dem Tor blockierten drei Händler den Weg, schrien sich gegenseitig an. Die Wachen am Tor versuchten den Streit zu schlichten, dabei hatten sie kein Auge auf die anderen, die das Tor passierten.
"Nie hätte ich gedacht, dass ich mal eine solche Ablenkung einsetzen muss.", bemerkte der Heiler als sie ohne Kontrolle am Streit vorbeiritten, die Stadt verließen und sich die Welt vor ihnen öffnete.

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Hach, wie gut das passt. Monat vorbei, Abschnitt vorbei. Und  mit neuem Elan in einem neuen Monat geht es mit dem nächsten Abschnitt weiter. 
(Nein, das war definitiv nicht geplant und reiner Zufall.)
Nunja, Mida wird verlassen, unser nächstes Ziel ist Ming. (Hatte ich schon erwähnt, dass Namen gar nicht mein Ding sind. Ich schreib hier gerade an was, das ist fast fertig und ich habe erst zwei Namen. ZWEI! Der Rest ist mit Platzhaltern gelöst.) 

Bis nächste Woche!

Der verlorene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt