Sie überprüfte zum dritten Mal die Gurte des Sattels, selbst Hylia trat schon nervös auf der Stelle.
"Du fällst nicht." Lorsan hauchte ihr einen Kuss in den Nacken. "Oder willst du noch bleiben?"
"Eigentlich..." Sie sah zurück zu Rosalies Anwesen, den Wald dahinter. Sie würde es vermissen hier zu sein. Selbst der Nebel der Generalin war ihr nicht mehr unheimlich.
Sie schüttelte den Kopf. Sun und Sur tobten bereits auf der Straße. Es würde nur schwerer, wenn sie blieb. "Schon gut. Ich bin fertig."
"Wir kommen sie irgendwann besuchen, versprochen."
"Ich werde dich daran erinnern." Sie drehte sich um. Nun stand der Heiler vor ihr. Wann waren seine Haare so lang geworden? In einem dunklen Zopf hingen sie über seine Schulter. Anavi zupfte daran. "Und daran."
"Zumindest unterschätzt man mich so noch mehr. Und bei zwei Frauen ist eine Eskorte wahrscheinlicher." Der nickte zu den Soldaten, die ein Stück entfernt warteten. Eigentlich wollte Rosalie sie persönlich zur Grenze begleiten, ein Auftrag des Königs hinderte sie jedoch daran, mehrere Wochen auf Reisen zu sein.
"In Jona schneid ich sie ab." Sie legte die Hand an sein Kinn. "Bis hierher."
"Ich mag lange Haare." Schmollend schob er die Lippe vor. "Oder ich muss mich mit deinen beschäftigen.""Kein Turteln vor Sonnenuntergang." Rosalie trat neben sie und drückte sie auseinander. "Wenn ihr euch nicht beeilt könnt ihr nichtmal die Stadt verlassen."
"Schon gut." Lorsan trat zurück. "Du hast es also zur Verabschiedung geschafft?"
"Natürlich." Rosalie grinste. Sie hatte also doch noch Abschiedsgeschenke organisiert. "Ich muss euch doch noch die hier geben." Sie winkte zwei Männer zu sich, beide trugen hölzerne Schachteln.
"Wir hatten doch etwas ausgemacht." Der Heiler seufzte und sah zu Donner. Das Pferd erwiderte den Blick. Misstrauisch."Jaja. Aber das ist wirklich wichtig." Rosalie öffnete eine der Schachteln. Ein kurzes Schwert, mehr ein längerer Dolch, kam zum Vorschein. Daneben ein Satz kleiner Messer. "Für Anavi. Das Schwert ist eine Sonderanfertigung. Leichter und magisch aufgeladen. Selbst du kannst damit kämpfen. Und die Messer sind zum Werfen. Dank Magie treffen sie immer ihr Ziel."
"Wie schön." Anavi nahm das Schwert aus dem Kasten, zog es ein Stück aus der ledernen Scheide. Die Klinge schimmerte golden, die Magie konnte sie deutlich spüren. "Und wirklich leicht. Wie... eine Feder. Danke Rosa. Das ist..." Sie umarmte die Blonde. "Danke."
"Nichts zu danken. Das ganze Training musste doch einen Sinn haben. Pass gut auf Lorsan auf, während eurer Reise, ja? Und lass ihn dir nicht wegnehmen."
"Nur, wenn sie besser kämpft als ich."Rosalie ging wieder zurück und machte den zweiten Kasten auf. Der Heiler seufzte, als sie ihm einen Speer reichte. Er schimmerte im gleichen Gold wie das Schwert. "Er bricht nicht. Aber..." Sie betätigte einen kleinen Mechanismus und hielt ein Messer in der Hand, kaum breiter und länger als ihr Finger. "Trotzdem mit Trickfach."
"Danke." Lorsan nahm den Speer entgegen. "Ich passe gut darauf auf."
"Und auf Anavi. Nicht dass sie wieder umfällt."
"Auch auf Anavi. Versprochen, Prinzessin." Er lachte, als Rosalie ihm auf die Schulter klopfte.
"Und ich komme dich persönlich holen, sollte ihr was passieren, Prinzessin." Auch sie lachte. "Schreib, wenn ihr an der Grenze seid. Feder kennt ja den Weg."
Lorsan nickte, umarmte seine Schwester auch noch ein letztes Mal und trat dann zu seinem Pferd. Nicht nur Hylia schien unruhig zu werden, wenn eine lange Reise bevorstand.Anavi kletterte in den Sattel, nachdem sie die Geschenke sicher verstaut hatte, und winkte noch zum Abschied, bevor sie Lorsan und den Soldaten zur Straße folgte. Ming ließen sie bald hinter sich, die Wunder des Landes im Osten.
Wenn sie jetzt noch ihren Entführer während des Festes hätte befragen können, wäre es ein Abschied ohne ungelöste Rätsel geblieben.
Der zweite Abschnitt ist fertig. Jippie!
Weiter geht die Reise. Nächster Stopp: Jona. Und ein paar Offenbarungen habe ich auch noch einbaut.
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Der verlorene Prinz
FantasyAls Anavi ohne Erinnerung an ihr früheres Leben in der Obhut des Heilers Lorsan erwacht, ahnt sie noch nichts von den Verflechtungen, in die sie geraten ist. Zufälle, die sich häufen. Fremde, die behaupten sie und ihre Vergangenheit zu kennen. Träum...