17 - Gerüchte

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Sie hielt erst an, als sie den Fluss erreichte, an dem schon einige andere Frauen saßen und die Wäsche des Palastes wuschen.
Sie kniete sich etwas entfernt an den Rand und vergrub das Gesicht im Korb. Maia hatte sie doch tatsächlich erwischt, obwohl sie versprochen hatte, nichts über den Vorfall zu erzählen.

"Anavi? Alles gut? Fühlst du dich nicht wohl?" Sie sah auf, zu Anmelie die ihrerseits mit einem Korb Wäsche angekommen war und sich neben sie setzte.
"Alles gut. Ich... hatte nur gerade ein unangenehmes Erlebnis mit Lorsan." Anavi hoffte, dass sie nicht weiterfragte, aber dafür kannte sie das Mädchen zu gut.
"Ein unangenehmes... Oh, ich verstehe." Sie lächelte geheimnisvoll. "Weißt du, wenn ein Mann und eine Frau sich sehr liebhaben..."

"Ah, das weiß ich. Nicht darüber sprechen.", unterbrach sie schnell, bevor ihre Gedanken sich verselbstständigten. Sie schüttelte den Kopf. "Ich fürchte es ist komplizierter... aber ich darf dir nichts erzählen. Niemandem."
Besorgt sah die Blonde sie an und flüstrete dann: "Du weißt, dass du dich wehren kannst, oder? Du musst dich nicht anfassen lassen."

"Nein, auch nicht. Lorsan ist toll." Ihr Lächeln wirkte nicht überzeugend sondern gequält. Kein Wunder, dass Anmelie nun ihre Hände nahm.
"Du musst nicht lügen. Ich weiß was man tun muss, um einen Mann davon abzuhalten. Das hat mich immerhin hierher gebracht."
Anavi erkannte ihre Chance schnell, befreite sich und tauchte Lorsans Laken in den Fluss. "Das habe ich noch nicht gefragt, oder? Wie du hier angefangen hast und woher du kommst?"

Sofort sprang ihre Freundin auf die Ablenkung an, wandte sich ab und begann auch damit ihre Stoffe einzuweichen. Nebenher erzählte sie: "Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich stamme aus dem Arbeiterviertel im Osten der Stadt. Aufgewachsen bin ich mit sieben Geschwistern und musste schon früh arbeiten, um meine Familie mit zu versorgen. Erst habe ich nur einfache Näharbeiten gemacht, aber irgendwann bin ich in ein Gasthaus gegangen und habe mir dort Arbeit gesucht. Es wurde besser bezahlt, aber es war auch schwerer. Naja, und dann habe ich einen Gast geschlagen und wurde entlassen."
"Du hast ihn geschlagen? Warum?" Kurz dachte Anavi über ihre weitere Wortwahl nach. "Wegen dem, was du von Lorsan vermutet hast?"
"Natürlich deswegen. Dieser Mann hat mir erst an den Hintern gepackt und dann hat er mich zu sich gezogen und meinte, für etwas Geld mehr könnte er mich zu einer Frau machen. Pah." Anmelie warf theatralisch ihr Haar zurück, zumindest das, was nicht in einem Zopf gefangen war. "Ich habe nicht viel aber meine Würde ist mir heilig. Also habe ich ihn geschlagen und wurde entlassen. Na, aber meine Eltern waren nicht glücklich, als sie das gehört haben. Sie haben mich kurzerhand vor die Tür gesetzt und meinten, ich könne sehen wo ich bleibe."

Konzentriert hatten sie beide gearbeitet und hängten die Wasche bereits auf Leinen. Während dieses Teils der Geschichte veränderte sich Anmelies Stimmung. "Natürlich hat sich mein Verhalten schnell herumgesprochen und ich fand keine neue Arbeit mehr. Irgendwann ging mir auch das gesparte Geld aus und ich musste meine Unterkunft verlassen. Ich war kurz davor zu verhungern, als mich ein Mann angesprochen hat. Ich kannte ihn, weil er in Lorsans Begleitung war, als dieser sich immer wieder um die Kranken in den unteren Vierteln gekümmert hat. Er hat mir angeboten eine Stelle im Palast zu besorgen. Es stellte sich nämlich heraus, dass er damals auch anwesend war und meinen Mut bewunderte. Naja, und da ich keine Alternative gesehen habe bin ich mitgegangen. Und so bin ich hier gelandet."

Sie unterbrach, dann nahm sie stumm Anavis Hand und zog sie von der Wäsche weg zum Eingang in den Innenhof. "Vielleicht habe ich doch Recht mit Lorsan.", flüsterte sie und deutete auf eine Frau, die gerade über den Hof zum Nebeneingang lief. In einen dunklen Umhang gehüllt sah sie sich nervös um, bevor sie den Palast betrat. Ganz kurz rutschte dabei ein helles Band unter der Kapuze hervor.
"Lorsan hat einen Termin. Vielleicht ist sie das.", vermutete Anavi, worauf ihre Freundin jedoch energisch den Kopf schüttelte. "Ich kenne die Frau. Eine der Huren aus unserem Viertel. Obwohl, nicht sie persönlich. Aber das Band. Jedes Gebiet hat eigene Erkennungszeichen. Gelb und weiß ist der Osten. Arbeiterviertel."

"Du machst dir zuviele Gedanken. Es ist wirklich nichts Schlimmes passiert. Ich habe nur... ihn betrunken erwischt. Das ist alles. Darum die Flaschen." Fast hätte sie etwas verraten. "Die Frau ist sicher nur wegen der Menschenfänger hier. Laut Maia sind gerade die leichten Frauen ein einfaches Ziel. Allgemein alle, die allein in der Stadt unterwegs sind und die nicht vermisst werden." Sie zog die Blonde wieder zurück. "Kannst du bitte die leeren Flaschen mit in die Küche nehmen? Ich muss jetzt wieder zurück und noch das Bad putzen."

Anmelie sah sie einen Moment schweigend an, dann nickte sie. "Gut. Aber sollte etwas sein, dann kannst du jederzeit mit mir reden. Es erfährt auch sonst niemand."
"Versprochen. Und du besuchst mich vor dem Ball nochmal. Du willst doch das Kleid sehen."
"Oh, das und den verbotenen Flügel. Aber vorallem das Kleid."

Damit verabschiedeten sich die Frauen und Anavi nahm den leeren Korb wieder mit.

Der verlorene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt