49 - Quellen

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Warmes Wasser umhüllte ihren Körper und entspannt schloss Anavi die Augen. "Schön...", murmelte sie, während sie sich tiefer sinken ließ. Der Schmerz vom Sturz wurde von der Wärme verdrängt.
"Schön, dass es dir gefällt." Rosalie strich ihr durch die Haare und entwirrte einige Strähnen. Die Reise hatte dem Haar nicht gut getan. "Die Quelle ist jederzeit verfügbar. Nur leider gibt es nur eine."

"Keine Sorge. Ich sehe nichts, was ich nicht sollte." Lorsans Lachen erklang gegenüber und Anavi öffnete die Augen. Der Heiler hatte es sich ebenfalls am Rand der Quelle gemütlich gemacht und war bis zum Hals vom dampfenden Wasser bedeckt, den Blick zur Decke des kleinen Hauses gerichtet. Hinter ihm flackerten einige Kerzen in einem Leuchter.
Sie lächelte und erinnerte sich an den Tag, als sie ihn betrunken geweckt hatte. "Ich denke, wir haben schon mehr gesehen, als gut wäre."
"Ich bin Heiler. Natürlich habe ich schon Frauen gesehen."
"Aha. Auch unsere süße Anavi hier?" Rosa lies sich neben Anavi ins Wasser gleiten.

Lorsan streckte zwei Finger in die Luft. "Bei der ersten Untersuchung, nachdem ich sie gefunden habe und als ich sie vor Respen gerettet habe. Letzteres war... nicht vermeidbar." Er sah sie entschuldigend an, was ihr einen Schauer durch die Knochen trieb. Er war nicht der Einzige, der sie an diesem Tag so gesehen hatte.
"Schon gut. Ich..."
"Nichts gut. Was ist da passiert? Du hast dich in deinem Brief ja sehr wage gehalten, Prinzessin." Rosa verschränkte die Arme - und drückte ihre Brüste dabei ein Stück über das Wasser. "Oder lieber du, Anavi?"

Schnell schüttelte sie den Kopf, Lorsan wiederholte die Bewegung langsamer. "Du weißt, was du wissen musst. Ich werde nicht mehr ausführen, wenn Anavi nicht damit anfängt."
Hatte Rosa den Heiler gerade Prinzessin genannt? "Ich... will nicht darüber reden, ja. Ich mochte es nur... vergessen."
Rosalie nahm ihre Hand, drehte Anavi zu sich und sah ihr in die Augen. "Es ist gefährlich, schlimme Erlebnisse in sich hinein zu fressen. Ich habe schon Frauen und auch Männer gesehen, die dadurch krank geworden sind." Sie lächelte. "Solltest du jemanden brauchen der dir zuhört, dann kannst du jederzeit zu mir kommen, ja? Irgendwann musst du darüber reden. Oder du endest wie Lorsan."

"Meine Sache.", murmelte der Heiler knapp, sein Blick war dunkler geworden. "Kein Wort."
"Siehst du? Willst du wirklich so enden?"
Anavi nickte, dann schüttelte sie erneut den Kopf. "Du könntest eine Trennwand einbauen lassen.", wechselte sie schnell das Thema. "Zwei Türen und schon hast du zwei heiße Quellen."
"Könnte ich." Rosalie ließ sie wieder los und lehnte sich zurück an den Rand, worauf Anavi schnell ein Stück von ihr wegrückte. "Aber das ist viel Aufwand und Planung. Lassen wir es lieber so. Hm... Ihr sagt bescheid, wenn ihr müde werdet, oder? Das Personal liegt wahrscheinlich schon in den Federn und ich zeig euch die Zimmer." Demonstrativ unterbrach sie din Gähnen. "Wenn ich nicht vorher einschlafe."

"Dann sollten wir den Tag wohl beenden, Rosa. Es ist schon spät." Lorsan hatte selbst die Augen geschlossen und es schoen, als würde er den Kopf an den Rand gelehnt im Sitzen einschlafen.
Anavi musste zugeben, dass auch sie lieber in einem Bett die Nacht verbringen wollte, als in der heißen Quelle.
"Ganz deiner Meinung." Sie streckte sich, gähnte nochmals und erhob sich aus dem Wasser. Schnell wandte Anavi ihren Blick ab, während die Blonde sich in ein großes Handtuch wickelte. Ein zweites landete hinter Anavi, da verließ sie den Quellraum schon. "Beeilt euch, ja?"

"Ming ist etwas direkter, als du es gewohnt bist." Lorsan lächelte und zog sich sein eigenes Handtuch an den Rand. "Und offener."
"Nicht direkter als der Prinz. Oder offener, als Anmelies Schwärmereien von ihm." Anavi drehte sich um, als sich auch der Heiler aus dem Becken erhob.
"Wir bleiben nur ein paar Monate. Bis der Winter in Jona abschwächt. Wer weiß: am Ende bleibst du lieber hier, weil du dich verliebst."
"Hm." Darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. Immerhin hatte sie sich bereits verliebt, auch wenn daraus nicht mehr werden konnte. Oder war es doch nur Dankbarkeit für ihre Rettung, die sie so fühlen ließ. "Wenn ich dich verlassen wollte, dann wäre ich nicht mitgekommen."
"Mag sein. Nur können wir leider nicht in die Zukunft sehen." Eine kurze Pause. "Ich bin draußen bei Rosa. Bleib nicht mehr lang."

Hinter ihm schloss sich die Tür und Anavi zog sich endlich aus dem Wasser. Obwohl warmer Dampf die Luft füllte, wurde ihr sofort kalt und schnell wickelte sie sich in das Handtuch ein. Im Vorraum wartete Rosalie bereits in einfacher Stoffkleidung, hinter einem Vorhang war Lorsans Schatten zu erahnen. Die Hausherrin deutete auf den winzigen Raum mit Vorhang daneben. "Eure Reisekleidung wird morgen gewaschen. Das dürfte dir passen. Ist auch nur für die Nacht."

Schnell verschwand sie in der Umkleide, trocknete sich ab und hob das dünne Nachtkleid auf, das auf einem Hocker bereitlag.
"Es ist durchsichtig.", bemerkte sie und lugte hinter dem Vorhang vor. "Und viel zu kurz."
"Nicht durchsichtig. Nur dünn. Und es hat die passende Länge. Probier es wenigstens an." Rosa grinste und verdrehte gleichzeitig die Augen.
Anavi hingegen seufzte nur und warf sich das dünne, kurze Nachtkleid über, das gerade knapp über den Knie aufhörte.
"Ich bleibe dabei." Mit den Armen bedeckte sich sich. "Das kann ich doch nicht tragen."

"Stimmt. Dafür ist sie noch nicht lang genug hier." Lorsan trat in der gleichen Kombination wie seine Schwester aus der Umkleide. Dabei zog er sich das weite Hemd wieder aus und ungefragt Anavi über den Kopf. Ob es der Fliederduft oder der dickere Stoff waren konnte sie nicht sagen. Jedenfalls fühlte sie sich sofort sicherer. "Dann zeig doch mal unsere Zimmer. Ich bin neugierig." Der Heiler nahm Anavis Hand, die unter dem Hemd hervorragte und folgte Rosalie.

Sie führte die beiden aus dem Vorraum heraus und nahm von dort noch eine einzelne Kerze mit. Durch ein großes Treppenhaus, über zwei Stockwerke hielt sie schließlich vor zwei identischen Türen. "Eure Zimmer. Das Bad müsst ihr euch leider teilen. Außerdem ist es dunkel, also Beschwerden über die Einrichtung bitte erst morgen." Sie nahm zwei Kerzen aus einer Halterung im Flur, entzündete sie und drückte sie ihnen in die Hände. Dann gähnte sie wieder. "Damit ihr zum Bett findet. Ich hole euch morgen zum Frühstück. Ruhige Träume."
Sie verschwand wieder über die Treppen.

"Tja. Willkommen im Zuhause für ein paar Monate." Lorsan drückte seine Tür auf und verschwand seinerseits im Zimmer. Für Anavi war es zu spät um sich noch viele Gedanken zu machen und auch sie betrat das Zimmer. Auch wenn die Kerze nicht viel erleuchtete, fand sie das Bett schnell, stellte ihr Licht auf eine Halterung daneben und ließ sich auf die Matratze fallen. Sie löschte noch die Flamme, dann schlief sie ein.

Der verlorene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt