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Der nächste Tag kam und ging zu schnell. Schneller, als er es hätte tun sollen.
Maia war bereits bei der Arbeit, als es an der Tür des gemeinsamen Schlafraums klopfte und Anavi erst noch das Kleid glattstrich, bevor sie die Tür öffnete.

Lorsan war einen Schritt zurückgetreten und sie nutzte den Moment, um seine Kleiderwahl zu mustern. Er trug einen einfachen, dunklen Gehrock ohne Schmuck über einem weißen Leinenhemd. Dazu eine dunkle Hose und Stiefel, die deutlich Spuren der Abnutzung zeigten.
Wüsste sie nicht, dass er im Palast lebte und feinere Stoffe bevorzugte, würde sie ihn für einen einfachen Bürger halten. Nicht aus der adligen Gesellschaft, auch nicht aus der Unterschicht. Gerade genug, um unauffällig die Grenzen der Viertel zu überqueren.
"Bereit für deinen ersten Ausflug in die Stadt?", fragte er und streckte ihr die Hand hin.

Anavi nickte, nahm die Hand jedoch nicht an. Ihr grünes Kleid, das Gute für die Stadt wie Maia am Anfang erklärt hatte, erschien ihr gerade zu viel.
Sie kam jedoch nicht an Lorsan vorbei, da dieser ihren Arm einfing und sie ein Stück zu sich drehte. "Du weißt, dass du noch immer absagen kannst. Wenn du dich nicht wohlfühlst in meiner Nähe..."
"Das ist es nicht. Es liegt nicht an dir." Die Frau entzog ihren Arm der Berührung. "Ich mache mir nur Sorgen, dass ich nicht in diese feine Gesellschaft passe. Oder dass sich Gerüchte verbreiten. Also noch mehr als über dich schon im Umlauf sind."

"Ich verstehe." Lorsan wich ihrem Blick aus und lächelte. "Ich weiß, dass ich nicht in die Gesellschaft passe, also sind deine Sorgen nicht unbegründet. Aber ich werde auf dich aufpassen, das verspreche ich. Gerüchte werden aber keine auftreten. Du bist lediglich eine Begleitung, die ich gefunden habe. Falls dich jemand fragt, dann erzählst du ihm eine Geschichte. Du stammst aus Sora, dem Reich im Süden. Aus einem Gebiet nahe der Grenze. Das ist alles, woran du dich erinnern kannst. Den Rest behalten wir bei. Ich habe dich gefunden, versorgt und beherberge dich jetzt."
"Sora? Aber... das Land hat doch keine Kontakte. Wie soll ich von dort kommen?"
"Kontakte nicht, aber Grenzen. Ein Fluss, der die Reiche trennt und über den keine Brücke führt. Und wer das Land verlässt, darf nicht mehr zurückkehren. Ist das in Ordnung?"

"Niemand wird mich danach erkennen? Wenn ich das Kleid ablege?" Anavi sah auf ihre Hände, die sich nervös in den Stoff krallten. "Ich habe eine Freundin gefunden, die gern auf den Ball gehen würde, aber währenddessen arbeiten muss."
"Auch dafür kann ich sorgen. Und beim nächsten Fest werde ich sie fragen, wenn du möchtest.", bot der Heiler an, worauf sie sich wieder entspannte. Wenn sie es Anmelie so weitergab, dann freute sie sich bestimmt. "Dann ist es in Ordnung." Sie sah wieder auf. "Dann sollten wir aufbrechen."

"Natürlich. Es wird Zeit." Diesmal bot er ihr die Hand nicht an sondern deutete lediglich die Richtung. Anavi schloss die Tür hinter sich und ließ sich von ihm aus dem Flügel hinaus auf den Innenhof führen.
Dieser lag fast verlassen da. Nur ein paar Bogenschützen die trainierten und ein blonder Stallbursche neben einem schwarzen Pferd hielten sich draußen auf.
Die Soldaten und Wachen die für gewöhnlich hier ihre Fertigkeiten verfeinerten waren mit der verstärkten Bewachung des Palastes und weiteren Patrouillen in der Stadt beschäftigt. Schon vor einer Woche waren die ersten Gäste aus den umliegenden Verwaltungen angereist. Diese wurden zum Teil im Palast und in den Herbergen der Stadt untergebracht, wie Anmelie ihr erzählt hatte. Zusätzliche Arbeit für die Angestellten.

"Ich weiß nicht, ob du reiten kannst und habe keine Kutsche zur Verfügung, darum müssen wir uns leider Donner teilen.", entschuldigte der Heiler und trat zu dem Pferd. Der Hengst senkte den Kopf ein Stück und ließ sich von seinem Reiter streicheln, wich jedoch zurück, als Anavi dazutrat. "Ruhig. Sie ist eine Freundin. Du kennst sie doch noch, oder?", flüsterte Lorsan und zog das Tier wieder vorsichtig zu sich.
Es sah wieder nach vorn, Anavi direkt an und senkte den Kopf.
"Er war nur überrascht. Das letzte Mal warst du in einem schlimmen Zustand."
"Ich bin ihm ja nicht böse." Langsam streckte sie die Hand aus, flach um ihn nicht erneut zu erschrecken. Diesmal schnupperte er an der angebotenen Hand, stupste sie an und ließ sich von der Frau über die Nase streichen.

"Ein schönes Pferd." Anavi trat wieder zurück. "Wann erwartet dich dein Termin?"
"Oh! Bald." Lorsan stieg in den Sattel dann reichte er Anavi eine Hand und zog sie hinter sich auf Donners Rücken. "Es ist aber kein weiter Weg." Damit war der Stalljunge entlassen und der Heiler führte sein Pferd vom Hof und über einen schmalen Pfad vorbei am Palast in die darunterliegende Stadt.

Der verlorene PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt