"Anavi! Endlich!" Anmelie rannte auf ihre Freundin zu, der große Wäschekorb unter dem Arm. "Endlich wieder Waschdienst." Sie setzte sich neben sie, wie schon vor Wochen. Nach dem Ball hatten sie sich jeden Tag am Fluss gesehen, doch die drei Wochen darauf, war die Blonde nicht wieder aufgetaucht. Beim Mittagessen hatte sie erfahren, dass sie noch immer damit beschäftigt waren, die Gästezimmer wieder herzurichten. Nicht jeder Gast war pfleglich mit der Einrichtung umgegangen und es musste vieles ersetzt werden.
"Auch schön, dich wieder zu sehen." Anavi lachte und hängte ihre letzten Stücke auf die Leine. "Ich bin aber leider schon fertig."
"Verflixt." Anmelie lachte. "Dann kannst du mir ja helfen, wenn du willst."
"Sei froh, dass wir Freunde sind." Sie nahm sich das erste Stück aus ihrem Korb und tauchte es in den Fluss. "Zu zweit geht es ja zum Glück schneller.""Wenn du schon Hilfe brauchst, dann kannst du gleich weitermachen." Ein Schatten baute sich hinter ihnen auf und ein zweiter Wäschekorb wurde neben Anmelie gestellt. "Zwei Mädchen, zwei Körbe. Das muss alles heute Abend wieder in der Wäschekammer sein." Das andere Dienstmädchen grinste und ging weg.
"Blöde Kuh.", fluchte Anmelie, die die Frau wohl kannte. "Nur, weil sie Probleme mit ihrem Mann hat."
"Du kennst sie?"
"Käthe. Schreckschraube. Hat Probleme und lässt sie an den anderen aus. Ist nur leider auch mit am längsten hier." Anmelie warf das erste Stück in den Fluss und fing ebenfalls an, es zu waschen. "Jetzt musst du mir nicht mehr helfen. Das habe ich mir selbst eingebrockt.""Nein, das war sie." Anavi machte weiter. "Sie darf dich nicht so behandeln. Kannst du mit niemandem reden?"
Anmelie lachte auf. "Welcher Vorgesetzte steht denn über ihr? Sie hat das Kommando über uns alle. Zumindest meine Gruppe. Da gibt es niemanden, wenn ich meine Arbeit nicht verlieren will. Zicke."
Anavi nickte. Das war natürlich ein Problem. "Vielleicht erwische ich Lorsan und frage, ob du zu uns wechseln darfst. Er kennt dich schon und Maia hat sicher auch nichts dagegen.""Würdest du das tun?" Sie sah sich um und senkte die Stimme. "Alles um von dieser Ziege wegzukommen. Ich bin auch extra fleißig, wenn das hilft." Motivierter schrubbte sie die Wäsche sogar schneller.
Es war noch nicht Abend, als Anavi ihre Stücke wieder von der Leine nahm, faltete und in dem Korb verstaute. "Ich bring das rein, dann helfe ich dir noch mit dem Rest.", versprach sie und nahm den Korb auf.
Der Hof war um diese Zeit nicht mehr sonderlich belebt. Ein paar Mitglieder der Palastwache trainierten auf den Sandplätzen, aber niemand, der nicht täglich hier war. Sie winkte einem der Soldaten, der sie von Weitem grüßte und betrat den Palast.
Die Wäsche fand schnell ihren Platz in der eigenen Wäschekammer des Flügels. Alles hatte seinen Platz."Anavi. Schon fertig mit der Arbeit?" Lorsan stand direkt hinter ihr und berührte ihre Schultern. "Fleißig."
"Danke. Immerhin bin ich dir etwas schuldig." Sie lehnte sich an ihn und genoss das warme Gefühl, das in ihr aufstieg. Seit dem Ball hatte sie ihn viel öfter gesehen. Er war ihr auch öfter nahe gekommen, trotzdem blieb die Peinlichkeit ihres Verhaltens unter Einfluss des Alkohols zwischen ihnen.
"Können wir nicht noch eine Hilfe gebrauchen? Anmelie hat es gerade nicht leicht mit ihrer Vorgesetzten."
"Ich kann nicht jeden anstellen, der Probleme hat. Ich fürchte, da muss sich deine Freundin alleine durchbeißen." Der Heiler lachte und strich ihr über die Arme. "Aber ich kann mit ihrer Vorgesetzten reden. Macht es aber vielleicht schlimmer.""Ich frage sie gleich. Sie wartet auf mich, ich habe nämlich angeboten ihr bei der zusätzlichen Arbeit zu helfen."
"Hm." Lorsan versteifte sich kurz. "Pass aber auf, ja? Hier bist du sicher, überall anders kann dir Respen begegnen. Sollst du sie begleiten?"
"Nur zur Wäschekammer. Ich komme auch sofort zurück." Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an. "Ich bin wirklich vorsichtig. Ich nutzte nur die Botengänge und er wird kaum da drin lauern." Anavi kicherte. "Außerdem ist es nicht weit, oder?"
"Na schön." Er schien ruhiger zu werden. "Aber verschwinde schnell, falls du ihn siehst. Drei Monate sind genug Zeit, dass er dich vergisst, aber nicht um das Interesse zu verlieren.""Versprochen." Sie löste sich von ihm, winkte noch kurz und ging wieder. Seinen besorgten Blick spürte sie trotzdem im Nacken.
Zurück an Fluss hatte Anmelie die ganze Wäsche in beide Körbe gepackt und wartete schon auf ihre Freundin. Anavi nahm den näheren und folgte ihr über den Hof und vorbei an einer Wand des Palastes zu einem weiteren Nebeneingang.
"Lorsan kann dich leider nicht aufnehmen. Aber er kann mit Käthe sprechen.", erzählte sie nach einer Weile. Die Blonde schüttelte energisch den Kopf. "Da kann ich gleich was neues suchen. Die macht mich doch extra fertig dann." Dann lachte sie. "Gut, gebe ich ihr eben keinen Grund mich zu trietzen. Ich werde alle Aufgaben ordnungsgemäß und ohne Fehler erledigen. Also, wie jetzt auch."Sie folgten dem Gang eine ganze Weile, bis Anmelie eine Tür aufstieß und den dunklen Wäscheraum betrat. Bis auf ein paar Kerzen war keine Lichtquelle vorhanden, dafür beleuchteten sie die Regale voller verschiedener Wäsche ausreichend. "Leg einfach alles zu den anderen." Ein Bettlaken wanderte auf drei weitere.
Anavi verstand die Ordnung schnell und räumte den Korb aus. Leer stapelte sie ihn auf einige andere.
"Fertig."
"Fertig.", bestätigte Anmelie und zog ihre Freundin in eine Umarmung. "Und vielen Dank.""Gerne wieder. Nur... wie komme ich jetzt zurück?" Sie konnte den gleichen Weg, wie vorher nehmen, aber die Botengänge erschienen ihr sicherer.
"Also zur Küche musst weiter den Gang entlang und an der dritten Abzweigung nach links. Von dort solltest du den Weg finden, oder? Im Zweifel, nimm die normalen Wege. Nimmt keiner Notiz von uns. Ich muss leider in die andere Richtung."
"Schon gut, ich finde schon den Ausgang. Dann muss ich mich eben durchfragen."
"In Ordnung. Dann bis morgen." Nochmal umarmte Anmelie ihre Freundin, verließ den Raum und ging die Richtung, aus der sie gekommen waren. Anavi wandte sich in die andere Richtung und folgte der Anweisung. Sie musste nur schnell wieder zurück in den Flügel. Wie schwer konnte das sein?
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Der verlorene Prinz
FantasyAls Anavi ohne Erinnerung an ihr früheres Leben in der Obhut des Heilers Lorsan erwacht, ahnt sie noch nichts von den Verflechtungen, in die sie geraten ist. Zufälle, die sich häufen. Fremde, die behaupten sie und ihre Vergangenheit zu kennen. Träum...