82.) " Wut "

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(Huanitas Sicht)

Ich hörte, wie über mir die Tür zugeschlagen wurde und seufzte, als mir klar wurde, dass er wütend war. Schnell erhob ich mich von meinem Platz am Computer, wo ich die letzten Stunden in völliger und wunderbarer Stille gearbeitet hatte, und versuchte, mich zu entfernen, bevor er mich fand.

„Denk nicht mal dran!", brüllte er, kaum, dass er auf dem Treppenabsatz stand und ich zuckte zusammen. Mein stummes Herz zog sich zusammen, denn ich vermisste den liebevollen Mann so sehr, den ich kennen gelernt hatte. Ich hatte eingewilligt, mit ihm in seine Heimat zu kommen, doch nun hatte er mich in der Hölle eingesperrt und ich war zu dumm, um aufzuhören, ihn zu lieben. Ich drehte mich zur Tür herum und wartete mit ausdruckslosem Gesicht auf das, was auch immer er sich nun einfallen lassen würde, um seine Wut an mir auszulassen. Und ich wusste, das würde er tun, denn er hatte keine Skrupel mehr. All die schönen Seiten an ihm, die ich zum Vorschein gebracht hatte, hatten sie ihm ausgetrieben mit ihren Versprechungen.

Er polterte die Treppen herunter und warf seine Jacke in die nächstbeste Ecke. Er sah einfach atmenberaubend aus in dem dunklem Anzug, doch seine Augen waren zu wütenden Schlitzen verengt und sein Kiefer war angespannt. Er kochte vor Wut.

„Dieser miese Hund macht doch mit ihr, was er will!", spie er und ich schnaubte leise, denn wieder einmal war ihm die Ironie der Situation nicht klar. Er beschwerte sich, dass dieser Wolf mit dem Mädchen machte, was er wollte, sie benutzte und zu Dingen zwang, die sie nicht wollte, doch er tat nichts anderes mit mir und das jeden Tag aufs Neue.

Und wenn ich ehrlich war, glaubte ich ihm kein Wort von dem, was er mir über sie erzählte. Ich wusste, ich musste seinen Befehlen folgen, denn es gab für mich keine andere Möglichkeit, doch ich hatte die beiden nun schon so oft für ihn ausspioniert, dass mir klar war, dass sie sich liebten und er im Begriff war, etwas so wundervolles für seine verdrehte Form von Besitzgier zu zerstören.

In seiner Rage berichtete er mir, dass er die beiden schon wieder beobachtet hatte und gesehen hatte, wie sie sich hinter der Bühne küssten und er seine Hände „überall", wie er sagte, auf ihr hatte.

Er murmelte fluchend vor sich hin und ich unterdrückte ein Seufzen und versuchte es noch ein letztes Mal.

„Reg doch dich nicht auf.", murmelte ich und machte eine Pause, als er sich abrupt zu mir umwandte und mir in die Augen starrte. „Ich meine ... früher hast du mir gesagt, ich wäre wichtigste in dein Leben. Und nun-", fuhr ich fort, doch er unterbrach mich fauchend.

„Es ist mir egal was früher war!", brüllte er und stampfte auf mich zu. Er starrte mich immer noch an und knurrte, ich solle mich nicht bewegen und schon spürte ich, wie seine Gabe einsetzte und meine Muskeln sich anspannten, mich an jedem noch so kleinen Zucken hinderten. Unvermittelt schlug er mir ins Gesicht und ich schrie leise auf.

„Früher war ich schwach und nun habe ich so viel Macht, dass ich haben kann, wen auch immer ich will! Ich kann sie haben und ich kann dich haben und wenn mir danach ist, kann ich jede Frau auf der Welt haben, sie alle liegen mir zu Füßen und lecken meine Stiefel für ein bisschen Aufmerksamkeit!", schrie er und ich verzog angewidert das Gesicht über seine Ansichten, die sich so sehr verdreht hatten.

Plötzlich packte er meine Haare unsanft mit einer Hand und zog meinen Kopf nach oben, als er mich in einen erzwungenen Kuss drängte. Seine Lippen lagen hart und unnachgiebig auf meinen und er beherrschte mich, liebkoste mich nicht, so wie früher.

„Ins Schlafzimmer mit dir, sofort.", befahl er und ich konnte nicht anders, als zu Nicken. Ich versuchte nicht mehr, mich mit Hilfe meiner Fähigkeit von ihm fern zu halten, denn er hatte mehr Macht als ich. Langsam trottete ich ins Schlafzimmer und starrte wieder einmal die Wand gegenüber dem Bett an, an der ein großes Foto von ihr angebracht war, damit er sie immer sehen konnte, wenn er mich benutzte. Ich schauderte und dachte darüber nach, was ich tun sollte, denn ich konnte das heute nicht ertragen.

Ich hörte seine Schritte bald schon hinter mir und seufzte leise, als er seine Arme um mich legte und es sich für einen kleinen Moment so anfühlte wie früher. So, als wäre das alles nicht passiert, als wären unsere Pläne noch immer die gleichen. So, als wäre unsere Liebe die gleiche und unsere Zukunft hätte noch eine Chance.

Er küsste mich im Nacken und schob mein Haar beiseite. Seine Berührungen wirkten so Liebevoll und sanft, dass ich für einen Augenblick vergaß, wer er jetzt war.

„Bitte ... ich möchte nicht.", flüsterte ich und abrupt ließ er seine Arme von mir. Ich erstarrte und sah ihn mit großen Augen an, als ich mich zu ihm herum drehte. Sein Gesichtsausdruck war nicht verärgert, wie ich angenommen hatte, sondern forschend. Er beobachtete mich, als würde er etwas suchen, ob bei mir oder bei sich selbst, das wusste ich nicht genau.

Schließlich schnaubte er wütend, drehte sich auf dem Absatz um und stapfte in sein Arbeitszimmer, in dem wir uns noch vor wenigen Minuten befunden hatten. Ich hörte, wie er seinen Computer anschaltete und starrte mit fragendem Blick auf die leere Tür, bis ich die widerwärtigen Geräusche des Videos hörte, das ich für ihn aufnehmen musste. Und seine Geräusche, sein Keuchen und Stöhnen, das eigentlich nur meinen Ohren bestimmt sein sollte. Plötzlich durchfuhr mich eine solche Wut, dass ich ihn am liebsten geschlagen hätte, doch ich stand einfach nur da.

Wenn ich könnte, würde ich ihm all das an den Kopf werfen, was er mir angetan hatte. Mir, der er einmal ewige Liebe geschworen hatte. Ich würde ihm sagen, dass er schwach war, dafür, dass er sich nach mehr Macht sehnte, gierig war, nur um sein Ego zu befriedigen. Er hatte sich so sehr verändert, dass jeder Augenblick, den ich mit ihm verbringen musste, mir schmerzte. Und doch liebte ich ihn, denn ich wusste, dass er irgendwo noch der wunderbare junge Mann war, den ich kennen gelernt hatte.

Und ich hoffte inständig, dass dieser verfluchte letzte Tag seines menschlichen Lebens, damals in meiner Heimat - nicht das letzte Mal gewesen war, dass ich ihn so erleben durfte.

Biss - die nächste GenerationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt