31.) Schule

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(Renesmees Sicht)

Ich war schon längst wach, als der Wecker neben mir zu Klingeln begann. Die halbe Nacht hatte ich mich an Jake geklammert und meinen unruhigen Gedanken gelauscht. Nun schlug er die Augen auf und sah mich direkt an, denn ich hatte ihn gedankenverloren beobachtet, da mich die Dunkelheit daran nicht hatte hindern können. Langsam griff er um mich herum und stellte das Klingeln ab, bevor er seine Hand streichelnd auf meinen Rücken legte.
„Morgen.", murmelte Jacob nun und küsste mich liebevoll auf die Stirn.
„Guten Morgen.", sagte ich leise und räusperte mich, da meine Stimme etwas rau war.

Noch einmal küsste er mich, auf die Nasenspitze diesmal, dann setzte er sich auf.
„Mach dir nicht so viele Sorgen.", sagte er lächelnd, denn natürlich war ihm meine Nervosität nicht entgangen.
„Hm.", machte ich nur halbherzig und ging dann gähnend in mein Badezimmer.
Schnell stellte ich mich unter die Dusche und zog mich dann an. Ich achtete nicht wirklich auf das, was ich anzog, dafür hatte ich einfach keine Konzentration. Und Alice würde schon dafür gesorgt haben, dass alles, was in meinem Kleiderschrank war, der neuesten Mode entsprach.

Langsam schlenderte ich in die Küche und setzte mich zu Jake, der schon am Esstisch auf mich wartete..
„Du siehst gar nicht gut aus.", murmelte er und, als hätte er irgendeinen Alarmknopf gedrückt, stand schon meine halbe Familie vor uns.
„Ich bin nur sehr nervös, das ist alles.", sagte ich und sah auf die Tischdecke.
„Es wird alles glatt gehen, vertrau mir.", sagte Alice zufrieden und mein Vater strich mir im vorbeigehen über den Kopf.
„Wird schon schiefgehn.", murmelte ich leise und begann, meine Cornflakes zu essen, ohne jedoch etwas zu schmecken.

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Die Fahrt zur Schule verlief schweigend. Wir waren in drei Autos unterwegs, da Alice meine Mutter und Rosalie heute zum shoppen mitnehmen wollte. Somit fuhren sie in einem Wagen und mein Vater, Emmett und Jasper im zweiten.
Jake und ich hatten schon heute unsere Kurse und mussten am längsten bleiben, weshalb wir auch nur zu zweit in meinem Wagen fuhren.
„Was haben wir als erstes?", fragte Jake, als wir auf das Schulgelände zufuhren und in meinem Magen bereits ein kalter Kloß jede Kurve in der Straße bemerkbar machte.
Ich schluckte geräuschvoll und faltete dann den Stundenplan auseinander, den ich mir vorher in die Hosentasche gesteckt hatte.
„Mathematik im siebten Gebäude. Das da drüben.", sagte ich und zeigte auf das Kleinste der vielen Häuser im unserer Umgebung. Das dunkelrote Dach hob sich sehr ab von der weißen Fassade, die wahrscheinlich frisch gestrichen war.

Durch das Seitenfenster winkte ich den anderen ein letztes Mal zu, bevor sie zu ihren Klassenräumen abbogen. Dann stieg ich aus dem Wagen und Jake warf mir die Schlüssel über das Dach hinweg zu.
Die neugierigen Blicke der übrigen Schüler entgingen mir nicht, doch ich hütete mich, auch nur einmal den Kopf zu heben. Es war mir so unangenehm, so angestarrt zu werden und ich war mit all den Menschen, die sich um uns tummelten, etwas überfordert. Schnell ging ich um das Auto herum und nahm Jakes Hand, damit ich nicht in Panik geriet. Hinter uns wurde munter über das schimmernde, große Auto und unseren Umgang miteinander getuschelt.

„Die zweite Tür links.", murmelte ich, als wir das kleine Haus betraten. Durch die Fenster auf dem Gang sah ich, dass alle anderen Häuser durch überdachte Flure miteinander verbunden waren.
Nur dieses Haus hier stand allein, vermutlich war es erst später zusätzlich erbaut worden.
Der Luftzug der sich öffnenden Tür riss mich aus meinen Gedanken und ich sah auf. Fast alle Plätze waren schon belegt und natürlich wurden wir wieder angestarrt. Ich klammerte mich hilfesuchend an Jakes Hand und er strich leicht mit seinem Daumen über meinen Handrücken.

„Nessie! Jake!", hörte ich eine bekannte Stimme und sah auf. Es war Meg, die uns vom hinteren Teil des Raumes aus zuwinkte. Auch Nicole und Ian konnte ich im Raum ausmachen und, wie Meg mir versicherte, würde Robert auch noch kommen, nur, wie immer, zu spät.
Ich atmete erleichtert auf und konnte sogar etwas lächeln, als sie mich in der Klasse willkommen hieß.
„Na siehst du.", flüsterte Jake neben mir, als er mich zu den beiden Plätzen neben Megan zog, die noch frei waren.

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Die erste Stunde verlief sehr gut. Der Mathelehrer Mr. Stevens stellte uns nur kurz namentlich vor und verzichtete darauf, uns noch einmal nach vorn zu holen, wofür ich ihm mehr als dankbar war.
Nach Mathematik hatten wir gleich eine Ausfallstunde, die wir mit unseren neuen Freunden draußen verbrachten. Wir unterhielten uns über unsere Kurse und es stellte sich heraus, dass wir sogar diese zusammen hatten. Als ich hörte, dass Megan und Nicole beide mit mir zusammen im Cheerleaderteam waren, verschwand auch das letzte bisschen Anspannung und ich genoss den Tag. Zumindest kannte ich die beiden schon und konnte mich an sie halten, wenn Jake bei seinem Training war.
In der Mittagspause saßen wir dann bei unserer Familie und ich fragte mich, ob es den anderen Schülern nicht auffiel, dass nur Jake und ich wirklich etwas aßen.
„Die haben andere Sorgen, glaub mir.", antwortete mein Vater gelassen und rollte einen Apfel in seinen Händen hin und her.
„Was denn zum Beispiel?", fragte ich neugierig und grinste ihn an, denn es war sicher spannend, einfach mal hier und da in die Gedanken der anderen sehen zu können.
„Das übliche eben. Da, der junge in der blauen Jacke fragt sich gerade, ob er ein Mädchen aus seiner Klasse am Wochenende ausführen sollte. Das Mädchen da mit dem Tablett ist fieberhaft darauf bedacht, ihre weiße Bluse nicht zu bekleckern und sich zu blamieren. Und dieser Junge dort grübelt über der Lösung eines Computerspiels.", erklärte er und ich folgte seinen Blicken zu den jeweiligen Personen.
„Interessant.", murmelte ich und wandte mich wieder meinen Spaghetti zu.

Hin und wieder lauschte ich Alice' Plänen für den Shoppingausflug mit meiner Mutter und Rosalie und war froh, dass ich heute noch so lange Training hatte. Zwar machte es immer viel Spaß, aber es war auch sehr anstrengend, mit Alice shoppen zu gehen, denn eigentlich suchte sie selbst immer alles allein aus.

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„Wohin jetzt?", fragte Jake, als wir Hand in Hand durch die Cafeteriatür verschwanden.
„Literatur im dritten Gebäude, zweiter Stock.", sagte ich und hatte den Blick stur auf den Plan der Schule und den Stundenplan in meinen Händen gerichtet. Daher bemerkte ich auch nicht, dass ich direkt auf einen breitschultrigen Jungen zusteuerte und auch prompt in ihn hineinlief.
„Kannst du nicht aufpassen, du blindes Huhn?", maulte er mich mit seiner nasalen Stimme an und ich sah erschrocken zu ihm auf.
Wahrscheinlich hatte ihm der Zusammenstoß mehr wehgetan als mir, doch dafür musste er mich noch lange nicht so behandeln. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen und ich funkelte ihn wütend an.
„Was willst du, Zwerg?", näselte er weiter und baute sich vor mir auf.
„Pass auf mit wessen Freundin du sprichst, du Clown!", knurrte Jake und stellte sich vor mich. Er war mindestens einen halben Kopf größer als unser streitsüchtiger Mitschüler, was diesen sehr zu beeindrucken schien, wenn er es auch zu verstecken versuchte.
Er schnaubte kurz und ging dann meckernd weiter.

„So ein arroganter Lackaffe.", murmelte ich, als Jake einen Arm um meine Schultern legte. Wieder wurden wir von allen angestarrt, doch diesmal war es mir nicht unangenehm. Ich fühlte mich pudelwohl mit Jake an meiner Seite und das merkte man mir wohl auch an.

Die nächsten vier Stunden vergingen wie im Flug und Hand in Hand mit Jake ging ich über den Parkplatz in Richtung Sportplatz. Wir winkten noch unserer Familie zum Abschied und ich sah den glücklichen Blick meiner Mutter, als sie sah, dass die Anspannung nun völlig aus mir gewichen war.

Biss - die nächste GenerationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt