Biss - die nächste Generation

85.) " Phantom "

(Renesmees Sicht)

Wir erreichten das Haus schnell und erwischten Alan und Huanita gerade noch, wie sie die Tür hinter sich schlossen. Als sie uns sahen, rannten sie beide los und Alan brüllte ihr irgendetwas zu, dass ich über Jakes wildes Knurren nicht verstehen konnte. Ich konnte mir jedoch vorstellen, dass die beiden ziemlich verängstigt waren, denn es kam nicht ohne Grund so selten vor, dass jemand unsere Familie angriff. Wir liefen in der üblichen Formation, in der wir uns meistens bewegten, auch, wenn wir nicht kämpften. Das bedeutete, dass meine Eltern vorn liefen, Jasper und Emmett jeweils zu ihren Seiten. Dahinter kamen Jake und ich und dann Esme, Carlisle, Rose und Alice, die sich für einen möglichen Überraschungsangriff immer hinter uns hielten.

Wir jagten den beiden hinterher und Jake machte einen großen Sprung, landete vor meinen Eltern und beschleunigte noch etwas mehr. Wir jagten so eng hinter ihnen her, dass nur noch wenige Zentimeter fehlten, dann könnte ich mir Alan beim Kragen packen und ihm mal zeigen, was ich von seinen verdrehten Ansichten hielt.

„Stehen bleiben!", brüllte er plötzlich und es war nicht der Schock über seine Stimme, die uns alle anhalten ließ. Es war mehr. Es war seine Fähigkeit, stellte ich schockiert fest, als alle, bis auf meine Mutter, angehalten wurden. Jake stoppte plötzlich schlitternd und ich fiel über seinen Kopf und landete mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden. Meine Mutter rannte weiter hinter ihnen her, denn sie wusste, dass wir nicht verletzt waren und sie war die einzige, die einen Schild hatte. Ich rappelte mich keuchend wieder auf, denn der Aufschlag war ziemlich schmerzhaft gewesen, und sah, wie Huanita Alans Hand nahm und sie plötzlich verschwanden. Sogar ihr Geruch verschwand auf magische Weise aus der Luft, so, als wären wir die ganze Zeit hinter nichts hergerannt. Hinter Luft, einem Phantom.

Ich kam wieder auf die Füße und Jake winselte leise, als er hinter mich trat und seinen Kopf vorsichtig unter meinen Arm schob. Ich streichelte seinen Kopf und versicherte ihm, dass es mir gut ging, bevor ich wieder auf seinen Rücken sprang.

„Wo sind sie hin?", murmelte Emmett neben uns und ich zuckte verwirrt mit den Schultern. Dann kam meine Mutter aus dem Wald zurück zu uns und alle sahen sie gespannt an.

„Nichts, sie sind weg.", sagte sie und stellte sich zu meinem Vater. Unschlüssig blieben wir eine Zeit lang stehen und dachten nach, meine Hände wanderten unruhig durch Jakes Fell, der von einer Pfote auf die andere trat, offensichtlich auch nervös.

„Dann ist das wohl seine Fähigkeit.", sagte mein Vater schließlich und erst da realisierte ich, dass er eine stille Konversation mit meiner Mutter hatte. Er seufzte leise und wandte sich dann an uns alle, damit wir eingeweiht wurden.

„Wie es scheint, hat Alan eine sehr starke Fähigkeit, die darin besteht, alles und jeden zu steuern. Und das einfach durch ein Wort, einen Befehl sozusagen, dem man sich nicht widersetzen kann.", erklärte er und nun dämmerte mir auch, warum ich nichts hatte sagen können, als ich ihn das erste Mal getroffen hatte. Schlicht und einfach darum, weil er wollte, dass ich es nicht tat und mir verboten hatte, etwas zu sagen.

„Und seine Begleiterin kann sich scheinbar durch ihre Fähigkeit überall hin transportieren, wo sie möchte und es scheint auch mit mehreren Personen außer ihr zu funktionieren, so lange sie diese berührt.", erklärte mein Vater weiter und ich dachte daran, wie Huanita Alans Hand genommen hatte und sie dann beide verschwunden waren.

„Meinst du so was wie Beamen?!", fragte Emmett entgeistert und starrte meinen Vater an, der nur ernst nickte. Obwohl seine Frage absolut absurd klang, war niemandem von uns zum Lachen zu Mute. Ich seufzte schwer und ließ mich nach vorn auf Jakes Nacken fallen.

„Und was machen wir jetzt?", fragte ich, als ich mich an ihn schmiegte und er leise raunte. Wieder herrschte kurz Stille, bis Carlisle das Wort ergriff.