17.) Erinnerungen

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Jakes Sicht

Ich war heilfroh, als Edward und Carlisle uns endlich gefunden hatten. Sonst hätte Nessie wohlmöglich noch die ganze Nacht dort liegen müssen. Ich traute mich einfach nicht, sie auch nur anzuschubsen, geschweige denn, sie auf meinen Rücken zu heben.
Ihr ganzer Rücken war blutverschmiert und man sah deutlich, dass mehrere ihrer Rippen gebrochen waren. Es fiel ihr schwer, zu atmen, aber ich wollte sie nicht umdrehen. Wer wusste schon, was sie sich noch gebrochen hatte? Nein, was ich ihr alles gebrochen hatte, denn sie selbst hatte nichts weiter getan, als mich davon abbringen zu wollen.
Sie tat mir so leid, sie hatte furchtbare Angst.

Ich verfluchte mich selbst dafür, dass ich ihr das angetan hatte. Ich hätte mich auch anderweitig wehren können, ohne sie gleich durch den halben Wald zu werfen, aber in diesem Moment hatten meine Instinkte einfach die Kontrolle über mich übernommen und ich konnte nicht anders, als mich zu verwandeln.

Zum Glück hatten die beiden mich schnell gefunden und Carlisle gab ihr Morphium, dann schlief sie langsam ein. Mir stand das Fell zu berge, als ihre Augen sich langsam schlossen, aber ich wusste, dass es so besser war.
„Wir müssen sie hier lassen.", sagte Carlisle und ich sah ihn fassungslos an.
„Ihre Wirbelsäule ist gebrochen. Deshalb konnte sie ihre Beine auch nicht bewegen. Wenn wir sie jetzt hochheben riskieren wir, sie zu lähmen.", erklärte Edward und mir wurde plötzlich eiskalt.
Ich schauderte und sah sie besorgt an.
„Mach dir nicht zu viele Vorwürfe.", murmelte Edward und streichelte Nessie über den Kopf. „Auch, wenn ich deine Methoden nicht gutheiße, hattest du doch die richtigen Beweggründe. Außerdem kannst du nichts für deine Reaktion und dafür werde ich dich mit Sicherheit nicht zur Rechenschaft ziehen.
Doch Bella ist sehr wütend auf dich, besser, du bleibst gleich in dieser Gestalt.", erklärte er.
Ich knurrte verzweifelt und lief nervös um die drei herum. Im Moment war es mir egal, wie sauer Bella auf mich war. Sollte sie mich doch auseinander nehmen, wenn wir wieder Zuhause waren. Hoffentlich kamen wir alle wieder.
„Natürlich werden wir das.", knurrte Edward neben mir. „Du weißt genauso gut wie ich, dass sie wieder heilen wird."

Er hatte Recht.
Wir wussten zwar immer noch nicht, ob sie krank werden könnte, im Sinne einer Infektion, aber Knochenbrüche und ähnliches heilten bei ihr tatsächlich wieder. Ihre Knochen waren sehr viel stabiler, als die normaler Menschen, aber sie brachen auch.

Plötzlich fluteten die Erinnerungen an die Nacht, in der wir das alles unfreiwillig herausgefunden hatten, meinen Kopf. Es war vielleicht drei Jahre her, dass die anderen uns mit auf ein Baseballspiel genommen hatten.
Ich saß mit Nessie neben dem Spielfeld und wir sahen gespannt zu. Plötzlich flog der Ball auf uns zu und Emmett jagte hinter ihm her. Er hatte die Augen nur auf den kleinen Ball gerichtet, rannte direkt in uns herein und brach uns beiden so einige Knochen.
Ich werde nie vergessen, wie sie geschrieen hatte und bei der Erinnerung daran stand mir das Fell zu Berge und Edward neben mir schauderte.
Zwar dauerte es ungefähr doppelt so lange, bis ihre Knochen wieder heilten, als bei mir, doch sie wurde zum Glück wieder.

Ich betrachtete sie genau und versuchte herauszufinden, wie viele Knochen sie sich wohl gebrochen hatte. Dann versuchte ich auszurechnen, wie lange das ganze bei mir dauern würde.
„Nicht mehr, als zwei Tage.", sagte Edward.
„Das bedeutet, bis Renesmee wieder völlig gesund ist, werden etwa vier Tage vergehen."
Ich schnaufte und dankte ihm dafür.
>>Wie lange müssen wir sie hier liegen lassen?<<, fragte ich.
„Das weiß ich nicht.", antwortete er und verzog das Gesicht.

Wir warteten darauf, dass ihr Körper irgendein Zeichen gab, dass ihre Wirbelsäule wieder intakt war und sahen uns immer wieder besorgt an. Nach etwa einer Stunde kam Emmett zu uns und auf seinem Rücken hatte er einen riesigen Rucksack.
>>Was ist das?<<, wollte ich wissen.
„Gipsverbände.", antwortete Edward knapp.
„Wir werden die größeren Knochen eingipsen, dann können wir sie eher nach Hause bringen.", erklärte er und ich sah dann nervös dabei zu,wie die drei ihren kompletten Linken Arm in Gips hüllten. Ich wollte helfen, aber in meiner jetzigen Form war das nicht möglich.
„Wir machen das schon.", hatte Edward nur gemurmelt.

„Emmett wir müssen ihr Bein richten. Halt sie fest.", sagte Carlisle ruhig und ich sprang auf.
>>Was tut ihr? Was soll das?<<, fragte ich nervös und knurrte.
„Die Knochen sind verschoben. Wenn wir es so eingipsen, wächst es schief zusammen und du müsstest ja noch gut in Erinnerung haben, was das bedeutet.", bemerkte Edward und warf mir einen kurzen Blick über seine Schulter zu.
Ich schauderte. Nur zu gut wusste ich noch, wie Carlisle und Emmet meine Knochen nach dem Angriff der Vampirarmee wieder begradigt hatten. Das wollte ich ihr ersparen.
„Gut, dann geh doch am besten etwas zur Seite.", murmelte Edward und wickelte ihre linke Schulter in Gips.
Dann gab es ein lautes, metallisches Knacken und ihr Bein war wieder gerade. Ich schnaufte schwer und setzte mich. Immer wieder hallten diese fürchterlichen Geräusche von den Bäumen wieder und ich wandte meinen Blick die ganze Zeit nicht von ihrem Gesicht ab. Sie spürte nichts davon, doch ich jeden einzelnen Bruch umso mehr. Und das hatte ich auch verdient.

Als ihr ganzer Körper plötzlich zu zucken anfing, sprang ich wieder auf.
>>Was hat sie?<<, fragte ich und sah die anderen besorgt an.
„Ihre Wirbelsäule, nehme ich an.", antwortete Edward zögernd und sah Carlisle an, der seine Hände vorsichtig über ihren Rücken gleiten ließ.

Es dauerte noch bis zum Morgengrauen, bis wir sie endlich bewegen konnten. Ich trug sie auf meinem Rücken bis nach Hause.
Natürlich war Bella die erste, die uns erwartete und mich beschimpfte.
„Bella, ich weiß, du bist wütend, aber setze ihm nicht zu sehr zu, er leidet schon genug.", sagte Edward und schob sie ins Haus zurück.
>>Danke.<<, sagte ich träge.
Er nickte nur und ging dann hinter Carlisle her. Ich stand noch eine Weile unschlüssig vor der Tür, bis Alice hinauskam und mir Kleidung gab. Mit einem dankbaren Nicken nahm ich sie an und sie strich mir kurz über den Kopf und lächelte etwas.
„Das wird schon wieder.", bemerkte sie und ich schnaufte leise, bevor ich in den Wald zurück ging und mich wieder in einem Menschen zurück verwandelte. Danach ging ich langsam zum Haus zurück und lauschte schon von weitem den Stimmen von Edward und Carlisle im zweiten Stock. Wenn ich doch nur an ihrer Stelle verletzt worden wäre.
Was hatte ich nur getan?
Ich hatte sie, meine Nessie, meine geliebte Nessie, verletzt.
Auch, wenn Edward und Carlisle mir keine Vorwürfe gemacht hatten - oder sie zumindest nicht aussprachen - ich machte mir selbst genug. Ich hätte anders reagieren müssen, irgendwie wäre es schon möglich gewesen.

Gerade, als ich die Veranda betrat, kam Bella aus dem Haus. Sie starrte mich wütend an und ein Knurren ertönte aus ihrer Kehle. Ich wich instinktiv einen Schritt zurück und hob beschwichtigend die Hände.
„Bella, ich ... es tut mir wahnsinnig leid, wirklich ...", stammelte ich und wusste gar nich, was ich ihr erklären wollte, denn was um alles in der Welt hatte mich dazu bewegt, so etwas zu tun?
Sie knurrte nur noch lauter und sprang schließlich auf mich zu. Zum Glück konnte ich noch ausweichen und taumelte ein paar Schritte in den Wald hinter mir.
„Was hast du nur getan, du Hund?!", schrie sie und sprang mich erneut an.
Diesmal war sie zu schnell und warf mich zu Boden. Kurz darauf spürte ich schon ihre eiskalte Hand in meinem Gesicht. Immer wieder Ohrfeigte sie mich und schließlich schlug sie sogar mit der Faust zu. Obwohl ich jeden einzelnen Schlag verdient hatte, wollte ich zu Nessie und sehen, wie es ihr ging.
Nach einer Weile bekam ich ihre Hände zu fassen und hielt sie fest.
Stumm sah ich in ihr schmerzverzerrtes Gesicht; sie schluchzte. Wenn sie in ihrer jetzigen Gestalt noch hätte weinen können, sie hätte es getan.
Langsam schob ich sie von mir und stand wieder auf.
„Es tut mir leid.", wiederholte ich leise.

Ich meinte gleichermaßen, dass ich Renesmee so zugerichtet hatte als auch, dass sie jetzt so verzweifelt war. Auch, wenn es mir mit jeder Sekunde mehr wehtat, wandte ich den Blick nicht von ihr ab.
Ich würde es als meine persönliche Strafe nehmen, sie so zu sehen, mit dem Bild von Renesmees leblosem Körper in meinem Kopf.

„Jacob Black.", knurrte ich und sah mich mit einem wütenden Funkeln in den Augen an.
Dann stand sie auf und packte mich in der gleichen Bewegung am Kragen meines Hemdes.
„Ich verbiete dir bis auf weiteres, bei ihr zu sein.", knurrte sie schließlich und ich schloss demütig die Augen.
Sie wusste, dass diese so harmlos erscheinende Strafe die Schlimmste war, die sie mir hätte zufügen können. Schlimmer noch, als wenn sie mir jeden Knochen im Körper einzeln gebrochen hätte.
Ohne Renesmee konnte ich keine Sekunde mehr sein, doch ich widersprach ihr nicht.
Ich hatte es verdient.

Sie ließ mich wieder los und ging knurrend auf das Haus zu.
„Ich werde dich rufen.", sagte sie und ließ mich allein draußen zurück.

Biss - die nächste GenerationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt