4. Die neue Art von Kennenlernen

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Okay, ich habe gleich mehrere Probleme: 1. Brooks Freundin denkt, ich würde mich für sie interessieren (da ich ja niemanden anderen wahrnehme, argh) ,2. Brooks Freundin ist Shy, die Neue an unser Schule und 3. diese denkt, ich nehme Drogen.

Allerdings weiß ich bei dem letzten nicht, ob es nicht sogar eher ein Vorteil ist?!

„Hi", Shy's Stimme klingt ziemlich angesäuert.

„Hi!", ich nicke leicht mit dem Kopf.

„Was geht, ich bin Jasper!", bringt sich mein Freund zum ersten mal ins Spiel und geht auf die Mädchen zu. Dabei wirft er gekonnt sein lockiges Haar zurück und lächelt sein Zahnpasta-lächeln, dem einfach keiner widerstehen kann.

Jetzt komme ich mir doch ein wenig mies vor. Die anderen Jungs haben gemeint, Shy wäre heiß, und ich wüsste selber gerne, wie sie aussieht.

Aber sie scheint nicht der Mensch zu sein, der sich stundenlang vor mich stellt, damit ich genug Zeit habe, ihr Gesicht zu studieren und vielleicht irgendetwas zu erkennen. Nicht nach meiner Aktion gerade.

„Jasper!", rufe ich meinen, eindeutig zu sehr nach Frauen verrückten, Freund zurück und rufe in gespielt ernsten Ton: „Komm, wir müssen doch noch das Koks runterspülen!"

Ich spüre, wie Brook und Shy erneut angewidert aufstöhnen, doch ich drehe mich bereits weg.

Was haben sie denn plötzlich? Sie waren es doch, die unbedingt wollten, dass wir Drogen nehmen!

Nach einigen Sekunden spüre ich Jasper wieder hinter mir und er führt mich in die erste Etage. Sofort schlägt uns wieder der laute Bass entgegen und es scheint, als wackele das ganze Gebäude.

Wenn ich zum ersten mal hier wäre, hätte ich Angst, es würde einbrechen. Mittlerweile wusste ich aber, dass es noch einiges mehr aushielt.

„Mann, was war das denn eben?", brüllte ich Jasper links neben mir ins Ohr und grinste über beide Wangen.

Mein Freund zuckte mit den Schultern und meinte lachend: „Ich würde sagen, die hat's nicht so mit Drogen."

„Wie sieht sie denn nun aus?", fragte ich und versuchte, meine Neugierde zu überspielen. Dieser kleine Schlagabtausch hatte mir gefallen, auch wenn es bei ihr nicht so schien.

„Du stellst fragen. Braune Haare, klein, oder auch nicht, na ja, um die 1,65cm groß, und halt brauen Augen...", Jasper wirkte ein wenig überfordert mit einer einfachen Gesichtsbeschreibung.

Mein Gott. Von wem sollte ich es denn sonst bitte erfahren?

„Aber Leke...", Jaspers Stimme klingt ziemlich belustigt.

„Hmm?"

„Ich glaube, bei ihr hast du es dir jetzt eh schon verbockt!"

Überrascht rücke ich meine Sonnenbrille nach vorne und blicke ihn mit meinen blinden Augen an.

Die Haut um die Augen herum ist deutlich weißer als die restliche.

Ich finde immer, ich sehen dadurch aus wie ein Vampir, aber wenn ich sie nicht tragen würde und man einmal genauer hin schaut, bemerkt man, dass meine Augenfarbe nicht mehr dunkelbraun ist, sondern komisch verschwommen und durchsichtiger.

„Das werden wir ja noch sehen! Ich wette, sie steht auf Koks nehmende Typen, die sie bei der ersten Gelegenheit beleidigen und sich nur für sie interessieren!", nehme ich die unausgesprochene Wette an und blicke Jasper schelmisch an.

„Ja ja, Leke, wenn du meinst...", er glaubt nicht daran, doch an seiner Stimme merke ich, dass er sich schon längst mit etwas anderem beschäftigt. Oder soll ich besser sagen, mit jemanden anderen?

Sein Blick ist fest auf ein Mädchen ein paar Meter von uns entfernt gerichtet, als er meint: „Ich komme gleich wieder, da ist Jenna. Ich gehe kurz zu ihr, ja?"

Und dann ist er auch schon in der lauten Menge verschwunden.

***

Nach zwei weiteren Stunden sind wir hackedicht. Zum Glück habe ich morgen erst zur zweiten Stunde Schule.

„Ich geh mal nach oben frische Luft schnappen!", teile ich den Jungs mit und schwankte mit wackeligen Beinen die Schritte zur Treppe.

Dabei rempele ich ein Mädchen zur Seite und trete mindestens einem auf die Schuhe. Aber keiner beschwert sich.

Auf dem Dach ist es so gut wie leer. Ich höre nur ein Paar in irgendeiner Ecke wild rum knutschen, ansonsten ist es still.

Ich genieße die kalte Nachtluft, die gegen meinen heißen Körper schlägt und atme entspannt ein und aus.

Alles ist schwarz. Doch in der Ferne blitzen die vielen Lichter der Stadt hell auf, fast wie Sterne.

Deswegen liebe ich diese Aussicht. Immer, wenn ich nachts hier bin, fühlt es sich so an, als könnte ich genau so viel sehen wie die anderen.

Taumelndes Schrittes wende ich mich den Lichtern zu, in meinem betrunkenen Zustand fühlt es sich fast so an, als würden sie mich wie magisch zu sich hin ziehen.

Es ist unglaublich.

Plötzlich stoße ich gegen eine steinerne, hüfthohe Mauer.

Der Schmerz in meinem linken Fuß, der gegen diese geprallt ist, holt mich für einen Moment zurück in die Wirklichkeit. Aber nur kurz.

Mein Blick wandert wieder zu den grellen Sternen und meine Hand versucht sie zu greifen.

Wie ein Roboter hebe ich mein Bein an und stemme es auf die Mauer. Gerade, als ich dabei bin, mich vollends hoch zu stemmen, schreit mich eine bekannte Stimme von der Seite an.

„Willst du dich jetzt auch noch umbringen, verdammt?!"


~Bild oben: Pacey Williams~


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt